Jakob Lorber: 'Kindheit und Jugend Jesu'


234. Kapitel: Die Deputation bei der Mahlzeit. Vorsicht bei der Tischordnung. Des Kindleins Ärgernis am schlecht bestellten Nebentische. Eine prophetische Voraussage. (19.06.1844)

01] In der vorbestimmten Zeit kam die umgekleidete Deputation wieder aus der Stadt, begrüßte alles im Hause Josephs und begab sich dann mit dem Cyrenius zur schon bereiteten Mahlzeit.

02] Da aber nun unvermuteterweise mehr Gäste zusammenkamen, als man erwartet hatte, so ward der Tisch Josephs zu klein, als daß am selben auch die Familie Josephs hätte Platz haben können.

03] Daher sagte heimlich das Kindlein zu Joseph: »Vater Joseph, laß für uns im nebenanstoßenden Zimmer einen kleinen Tisch decken!

04] Und dem Cyrenius sage, daß er darob sich nicht kränken solle,

05] und sage ihm, daß Ich nach der Mahlzeit schon wieder zu ihm kommen werde!«

06] Und Joseph tat also, wie ihm das Kindlein geraten hatte.

07] Cyrenius aber sagte zu Joseph: »Das geht nicht! So der Herr der Unendlichkeit unter uns ist, da werden wir Ihn doch nicht zum Katzentische setzen!

08] O das wäre doch die allersonderbarste Ordnung von der Welt!

09] Ich sage dir, gerade Er und du müssen am meisten obenan sitzen!«

10] Und Joseph sprach: »Liebster Bruder, das wird wohl diesmal nicht angehen;

11] denn siehe, es sind nun viele Heiden aus der Stadt da, und denen könnte die zu große Nähe des Herrn gar übel bekommen; daher ist des Kindleins Wille hier wie überall und allezeit zu respektieren.«

12] Und das Kindlein kam hinzu und sprach: »Cyrenius, Joseph hat schon recht, folge nur seinen Worten!«

13] Da fand Cyrenius keinen Anstand mehr und begab sich sogleich mit seiner Suite und mit der Deputation aus der Stadt zum Mittagsmahle.

14] Und Joseph bestellte sogleich im nebenanstoßenden Zimmer auch einen recht tüchtigen Tisch, bei dem er, die Maria, das Kindlein mit Seinem Jakob,

15] der Jonatha, die Eudokia und die acht Kinder des Cyrenius Platz nahmen.

16] Es wurden aber natürlich auf den Tisch der Gäste die mehreren und besseren Speisen aufgetragen, auf den Haustisch die wenigeren und die minder guten.

17] Und das Kindlein sprach: »O du Schandfleck von einem Erdboden, mußt du denn gerade für deinen Einigen Herrn das Schlechtere hervorbringen?!

18] O du jetzt fruchtbares Land zwischen Asien und Afrika, du sollst darum für alle Zeiten mit großer Unfruchtbarkeit geschlagen werden!

19] Fürwahr wahr, hätte unser Tisch nicht einige Fische, da wäre für Mich rein nichts Genießbares da!

20] Hier ein Milchgekoch mit etwas Honig, was Ich nicht mag, und da eine gebratene Meerzwiebel, und da eine kleine Melone, und da ein altbackenes Brot, und daneben etwas Butter und Honig, -

21] das ist unsere ganze Mahlzeit; lauter Speisen, die Ich nicht mag, bis auf die wenigen Fische!

22] Ich will aber nicht, daß es etwa die Gäste schlechter haben sollen als wir;

23] aber das ist denn doch auch nicht recht, daß wir es um vieles schlechter haben sollen als die Gäste!«

24] Joseph aber sprach: »O lieber Jesus, so schmolle doch nicht, denn siehe, es geht uns ja allen gleich!«

25] Und das Kindlein sprach: »Gib Mir vom Fische, und dann ist es gut für jetzt. Aber ein andermal muß es anders gehen; denn mit dieser Alltagskost kann Ich Mich nicht allezeit begnügen!« Joseph merkte sich das und gab dem Kindlein vom Fische zu essen.



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