Jakob Lorber: 'Kindheit und Jugend Jesu'


114. Kapitel:_ Marias Gespräch mit Zuriel und Gabriel. Des Kindleins Hinweis auf die neue Ordnung im Himmel und auf Erden. Eudokias Wißgier betreffs der "Erzboten". (12.01.1844)

01] Als das Nachtmahl eingenommen war und sodann alle dem Herrn mit Joseph ein Danklied gebracht hatten, da sprach einer der Jünglinge zu Maria:

02] »Maria, du Gebenedeite unter den Weibern der Erde, erinnerst du dich meiner nicht mehr? Bin ich nicht der, welcher im Tempel so oft mit dir gespielt hat und hat dir allezeit eine gute Speise und einen süßen Trank gebracht?!«

03] Hier schmuzte (= schmunzelte) Maria und sprach: »Ja, ich erkenne dich; du bis Zuriel, ein Erzengel! Du hast mich aber manchmal auch sehr geneckt, da du zu mir sprachst, aber dich nicht sehen ließest!

04] Und ich mußte dich oft stundenlang bitten, bis du dich bewegen ließest dazu, daß ich dich ersah!«

05] Und der Jüngling sprach: »Siehe du gebenedeite Mutter, also war es des Herrn Wille, der dich überlieb hat!

06] Wie aber das Herz in dir, als der Sitz der Liebe, fortwährend pocht und dein ganzes Wesen stupft und neckt,

07] also ist es auch die Art der Liebe des Herrn, daß sie ihre Lieblinge fortwährend stupft, zupft und neckt aber auch eben dadurch das Leben bildet und es dauerhaft macht für die Ewigkeit!«

08] Maria ward über diese Erklärung sehr erfreut und lobte die große Güte des Herrn.

09] Ein anderer Jüngling aber wandte sich auch zur Maria und sprach: »Gebenedeite Jungfrau! Erkennst du auch mich? Es wird nicht viel über ein Jahr sein, als ich dich besucht habe in Nazareth!«

10] Und Maria erkannte ihn an der Stimme und sprach: »Ja, ja, du bist Gabriel: Wahrlich, dir gleich ist keiner; denn du hast der Erde wohl die größte Botschaft gebracht und das Heil allen Völkern!«

11] Und der Jüngling erwiderte der Maria: »O Jungfrau, im Anfange hast du dich geirrt; denn siehe, der Herr hat schon mit mir angefangen Sich zur Ausführung der größten Tat der kleinsten und geringsten Mittel zu bedienen!

12] Darum bin ich wohl der Geringste und Kleinste im Reiche Gottes, aber nicht der Größte! Wohl habe ich der Erde die größte und heiligste Botschaft gebracht,

13] aber darum bin ich nicht, als wäre mir an Größe keiner gleich; wohl aber umgekehrt, wie ich nämlich der Geringste bin im Reiche Gottes!«

14] Da verwunderte sich Maria samt Joseph über die große Demut des Jünglings.

15] Das Kindlein aber sprach: »Ja, dieser Engel hat recht! Im Anfange war der Größte Mir der Nächste.

16] Dieser aber erhob sich und wollte Mir gleich sein und wollte Mich übertreffen und entfernte sich darum von Mir.

17] Darum aber baute Ich dann Himmel und Erde und gab die Ordnung, daß nur das Geringe Mir am nächsten sein soll!

18] Nun aber erwählte Ich für Mich alle Niedrigkeit der Welt; und es werden darum nur die die Größten sein bei Mir, die gleich Mir in der Welt wie in sich selbst die Geringsten und Niedrigsten sind.

19] Und so hast du, Mein Gabriel recht aus dir, und die Mutter hat auch recht; denn also bist du der Größte, weil du der Geringste bist aus und in dir!«

20] Als das Kindlein solche Worte zu dem Jünglinge Gabriel redete, da fielen alsbald alle Jünglinge nieder auf ihre Knie und beteten Dasselbe an.

21] Eudokia aber forschte hin und her; denn sie wußte nicht, was sie aus diesen überschönen Jünglingen machen sollte.

22] Sie vernahm wohl, wie man diese Jünglinge, Erzboten' nannte, und das aus dem Reiche Gottes, - aber sie hielt Palästina wie auch Oberägypten dafür. Sie fragte daher, ob das etwa Gesandte seien.

23] Ein Jüngling aber sprach: »Eudokia, gedulde dich nur! Siehe, wir bleiben ja drei Tage hier, und da werden wir uns schon noch besser kennenlernen!« Und Eudokia war damit zufrieden und begab sich bald zur Ruhe.



voriges Kapitel Home  |    Inhaltsverzeichnis  |   Werke Lorbers nächstes Kapitel