Jakob Lorber: 'Kindheit und Jugend Jesu'


103. Kapitel: Des göttlichen Kindleins weitere Erklärung des lebendigen Ehegesetzes. Die Liebe des Kopfes und die Liebe des Herzens. Die Verbindung der beiden Liebenden durch das Kindlein. Tullias Bekenntnis von der Gottheit im Kindlein. (28.12.1843)

01] Da aber alle auf diese Rede des Kindleins ganz bestürzt vor sich hinblickten und niemand etwas zu reden sich getraute, da öffnete auf einmal das Kindlein wieder den Mund und sprach:

02] »Was steht ihr alle denn nun so traurig um Mich herum? Habe Ich euch doch nichts zuleide getan!

03] Dir, Mein lieber Cyrenius, gab Ich, danach dein Herz dürstete, und auch dir, du liebe Tullia; was wollt ihr denn mehr?

04] Sollte Ich denn etwa den lebendigen Ehebruch gutheißen, während doch ihr Menschen auf den toten die Todesstrafe gesetzt habt?!

05] Welch ein Verlangen wohl wäre das? Ist denn das, was im Leben vorgeht, nicht mehr, als was im Tode gerichtet ist?!

06] Ich meine, ihr sollt euch wohl freuen, aber nicht trauern, darum es also ist

07] Wer da liebt, liebt der im Herzen oder im Kopfe?

08] Ihr aber habt eure Ehegesetze nicht dem Herzen, sondern nur dem Kopfe entlockt!

09] Das Leben aber ist nur im Herzen und geht vom selben in alle Teile des Menschen aus und somit auch in den Kopf, welcher in sich kein Leben mehr hat, sondern tot ist.

10] So ihr aber schon die Gesetze des Kopfes mit dem Tode sanktionieret, die samt dem Kopfe tot sind, um wieviel billiger ist es dann, die lebendigen ewigen Gesetze des Herzens zu respektieren!

11] Daher aber freuet euch, daß Ich als der Lebendige unter euch, die Gesetze des Lebens festhalte; denn täte Ich solches nicht, so wäre über euch alle schon lange der ewige Tod gekommen!

12] Darum aber kam Ich in die Welt, auf daß durch Mich alle die Werke und Gesetze des Todes vernichtet werden und an ihre Stelle treten müssen die alten Gesetze des Lebens!

13] So Ich euch aber im voraus zeige, was da sind die Gesetze des Lebens, und was die des Todes, was Leids wohl tue Ich euch dadurch, daß ihr darob trauert und euch vor Mir fürchtet, als hätte Ich euch anstatt des Lebens den Tod gebracht?

14] O ihr Törichten! In Mir ist das alte, ewige Leben zu euch gekommen; daher freuet euch und seid nimmerdar traurig!

15] Und du, Mein Cyrenius, nimm hin das Weib, das Ich dir gebe, und du, Tullia, nimm den Mann, den Ich dir zugeführt habe vollernstlich; nun sollt ihr euch nimmer verlassen!

16] Wenn euch aber des Leibes Tod getrennt wird haben, dann soll der überlebende Teil frei sein dem Äußeren nach, aber die Liebe soll währen ewiglich, Amen!«

17] Diese Worte des Kindleins setzten alle ins größte Erstaunen,

18] und Tullia sprach, ganz zitternd vor der größten Ehrfurcht:

19] »O Menschen! Dieses Kind ist kein Menschenkind, sondern Es ist die höchste Gottheit Selbst!

20] Denn also kann kein Mensch, sondern nur ein Gott reden; nur ein Gott als das Grundleben Selbst kann die Gesetze des Lebens kennen und kann sie in uns erwecken!

21] Wir Menschen aber sind alle tot; wie könnten wir da die Gesetze des Lebens finden und dieselben als solche setzen?!

22] O Du überheiliges Kindlein, jetzt erst erkenne ich klar, was ich ehedem dunkel geahnt habe: Du bist der Herr Himmels und der Erde von Ewigkeit! Dir sei daher auch alle meine Anbetung!«



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