Leopold Engel (1858-1931): 'Das große Evangelium Johannes', angeblicher 'Band 11', Achtung! krit. Anmerkungen


Kapitelinhalt 040. Kapitel

01] Wir kehrten nun, nachdem der Ölberg von den Pharisäern gesäubert war, nach Bethanien zurück in das Haus des Lazarus, wo alles zu einem Festmahl vorbereitet worden war, und begaben uns zunächst in des Lazarus großen Speisesaal, der uns schon oftmals aufgenommen hatte.

02] Es begann nun ein großes Gerede und Befragen des Lazarus, was er denn, während er im Grabe gelegen, getan habe, und ob ihm eine Erinnerung verblieben sei über das, was er in der Geisterwelt doch sicherlich erfahren und gesehen haben müsse. Er aber bekundete, daß ihm zumute sei, als habe er recht tief geschlafen und auch recht lebhaft geträumt, aber daß von dem Geträumten ihm nur dunkle Bilder verblieben seien. Er wisse wohl, daß er mit verschiedenen Verstorbenen, wie auch mit seinem Vater, gesprochen habe, ohne jedoch sich wesentlich des Gesprochenen erinnern zu können. Trotz alledem wisse er aber sehr genau, daß er wahrhaft gestorben sei und nicht etwa nur geträumt habe; denn die letzten Stunden seien ihm sehr lebhaft im Gedächtnis geblieben, zumal er die Todesfurcht sehr wohl empfunden habe, wie auch das langsame Erlöschen seiner Lebensgeister.

03] Auf Befragen, wie er denn erwacht sei, erklärte er: Er habe Meine Stimme gehört, die da befohlen habe, er solle herauskommen, und so sei er erwacht wie ein Mensch, der aus dem Schlafe erwacht sei, und habe Mir gehorcht, da er sofort wußte, wie und was mit ihm geschehen war.

04] Die anwesenden Freunde und Meine Jünger fragten noch gar mancherlei, was jedoch Lazarus ihnen nicht beantworten konnte, - so nach den Gesprächen, die er geführt, wo er sich befunden habe und so manches andere, was, wie sie vermeinten, ihnen noch nähere Aufschlüsse geben könne über das Leben in der Geisterwelt. Es zeigte sich jedoch, daß Lazarus nichts von alledem wußte.

05] Nun fragten sie Mich nach der Ursache dieses Vergessens, und Ich sagte ihnen: »Wenn ihr gefangen seid in einem Kerker, und es wird euch die Freiheit auf kurze Zeit gegeben, so daß ihr ungehindert umherstreifen und euch mit ebenso gänzlich freien Wesen auf das beste unterhalten könnet über viele Wunder der Natur, die in der lieblichsten Gegend euch ganz von selbst ins Auge fallen, und ihr werdet gezwungen, in den alten Kerker wieder einzutreten, der jedoch früher euch gar nicht einmal als Gefängnis erschien, solange ihr nichts Besseres kennengelernt hattet, - wird sich nicht eure Seele dann verzehren nach Wiedererlangung der so kurz genossenen Freiheit? Ja, wird ihr das Zwangsleben nicht unerträglich werden, da sie stündlich sich die Herrlichkeit der genossenen Freiheit vormalt, wenn die Erinnerung die freudigen Stunden stets wieder belebt?

06] Seht, so ist es Lazarus ergangen! Ich habe ihm aber die Erinnerung für das, was mit ihm in den vier Tagen, da er im Grabe gelegen, geschehen ist, deswegen genommen, weil er berufen ist, noch viel auf dieser Erde für Mich zu wirken. Ihm würde aber die Sehnsucht nach Wiedererlangung der einmal genossenen vollen Freiheit hinderlich sein, falls diese verzehrende Sehnsucht in ihm wüchse.

07] Es ist daher schon ganz gut, so wie es ist, und ihr alle werdet es noch leicht einsehen, wenn auch ihr einst werdet die Leiber von euch geworfen haben. Außerdem habt ihr selbst in diesem Hause so viel schon erfahren von dem Leben nach dem Tode, daß eure Fragen mehr müßiges Geschwätz bedeuten als eine Ergründung des Lebens nach dem Tode, von dem ein jeder von euch denn doch nun schon zur Übergenüge überzeugt sein muß!«

08] Sagte Lazarus zu Mir: »Herr, Du sprichst von einem Amte, das mir zu wirken noch hier vergönnt sein wird. Darf ich wissen, wie denn da das Wirken für Dich gemeint ist?«

09] Sagte Ich: »Das ergibt sich alles in der Folge von selbst; denn Meine Hand leitet dich und alle, die für Mein Reich zu arbeiten berufen sind, in so sanfter Art, daß sie glauben könnten, es geschähe nur aus eigenem Antriebe. Und es geschieht das im Urgrunde auch; denn will Ich freie Wesen, so muß die freie Entschließung ihnen anheimgestellt bleiben. Nur die äußeren Vorkommnisse kann Ich so leiten, daß Meinen Dienern die Entscheidung zwischen zwei Wegen, die sie zu wandeln hätten, zufällt. Meine wahren Kinder werden dann aus Liebe zu Mir nie im Zweifel sein, welcher Weg der rechte ist. Immer aber muß der Willensimpuls von ihnen ausgehen.

10] So wirst auch du noch, wie ganz von selbst, in deinem Leben dich zu entschließen haben, ob du rechts oder links gehen sollst. Der eine Weg führt direkt zur Arbeit in Meinem Namen, der andere aber zur bequemeren Lebensweise des trägen Zuschauens. Je nachdem du wählst, wird dann auch dein Wirken sich gestalten. Ich weiß aber und sage es dir auch, daß du aus Liebe zu Mir schon recht wählen wirst und somit sei das genug; denn mehr zu sagen ist um deiner selbst willen vom Übel!«

11] Sagte Lazarus: »Herr, mir genügt das auch schon vollkommen; macht es mich doch überaus selig zu wissen, daß Du mich schwaches Werkzeug gebrauchen kannst und willst! Gib mir nur die rechte Kraft, daß ich das versprochene Amt dann auch völlig auszufüllen vermag!«

12] Sagte Ich: »Darüber mache dir keine Sorge, sondern vertraue nur recht gläubig, so kann Ich durch dich wirken und du durch Mich! Das rechte Verhältnis zwischen Vater und Sohn ist dann auch in euch, wie es sich jetzt in Mir zeigt!

13] Darum aber bin Ich ja in die Welt gekommen, euch zu zeigen und zu lehren, daß ihr noch weit mehr als Ich Selbst jetzt leisten könnet, so ihr nur guten Willens und voll Glaubens seid.

14] Wie weit die Menschen und vornehmlich die Juden aber voll Glaubens und guten Willens sind, wird sich gar bald zeigen; denn es naht die Zeit, wo die Ernte Meiner Lehrjahre eintreten soll und muß. Ist diese auch noch so klein, und sind der fruchtbaren Samenkörner auch noch so wenige, so wird doch jedes Korn hundertfältige Frucht tragen, die den ganzen Erdboden versorgen soll und wird, bis dann einstens eine große Ernte eintreten kann, die die Scheuern des Vaters mit reichlicherer Frucht füllen wird, so daß dann nie wieder eine solche große Hungersnot entstehen kann, wie sie jetzt zugelassen wird, damit der verlorene Sohn umkehre und sich sättige. Ihr verstehet zwar diese Meine Worte jetzt nicht; aber drüben in Meinem Reiche werdet ihr sie völlig verstehen lernen.

15] Du aber, Mein Lazarus, sieh dich jetzt vor und bereite dich, viele Gäste zu empfangen; denn der Ruf deiner Erweckung ist bereits hinab zur Stadt gedrungen, und gar viel Volk macht sich auf, dich und Mich zu sehen! Diese aber sollen alle erquickt werden, und Meine Diener, die dir schon bekannt sind, werden dir behilflich dabei sein!«

Krit. Anmerkungen zur Person und den Werken von Leopold Engel



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