Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 205. Kapitel: Die gute Erkenntnis und Absicht des herodianischen Obersten.

01] Es läßt sich leicht von selbst denken, welch eine Wirkung die Erzählung des Hauptmanns bei dem Obersten und auch bei den andern hervorgebracht hat.

02] Am meisten aber machte die Beschreibung der hundertdreißig zugrunde gegangenen Kriegsknechte den Obersten nachdenkend und mißmutig; denn von dieser argen Seite hatte er zuvor diese treuesten Diener des Herodes nicht kennengelernt. Aber er ersah nun aus vielen an ihnen gemachten Beobachtungen doch so manches, was ihm erst auf die Erzählung des Hauptmanns hin hatte aufzufallen angefangen, und sagte denn auch: »Ja, ja, der große, mit Seinem rein göttlichen, alles durchdringenden Geiste erfüllte Nazaräer hat vollkommen recht; denn mir fangen nun eine Menge Dinge, die ich von Zeit zu Zeit an den besagten Kriegsknechten wahrgenommen habe, an, recht augenfällig zu werden. Sie standen von Herodes aus in einem kleinen Solde; nur bei Eintreibungen und Erpressungen der Steuern hatten sie von hundert Groschen einen für sich zu behalten. Ihr geringer Sold und die wenigen Steuergroschen konnten freilich nicht hinreichen, um sich und eine oft recht zahlreiche Familie auch recht anständig zu erhalten!

03] Zugleich traf ich nicht selten einen und den andern in den angesehensten Herbergen, in denen sie sich gleich unsereinem ganz vortrefflich bedienen ließen. So sah ich sie auch zu öfteren Malen mit Wechslern und Maklern umgehen; aber es fiel uns allen das nicht auf, weil sie sonst in ihrem Dienste sehr genau und gegen uns und gegen den König sehr getreu waren und man ihnen nichts hatte zur Last legen können. Aber nun klärt sich die schnöde Sache schon auf, und wir begreifen nun so manches, was uns ehedem schon immerhin oft etwas sonderbar vorgekommen ist.

04] So habe ich auch zu öfteren Malen hie und da über die starken Bedrückungen des Herodes allerlei Klagen und geheime Verwünschungen vernommen; aber ich und auch ihr und noch viele andere Beamte und Diener des Herodes achteten solcher Klagen nicht, da man wohl weiß, daß da nie ein Mensch am besten gestimmt ist, so er seine Steuern und sonstigen Abgaben dem Herrn, den er stets für einen zweckwidrigen Diener der Trägheit, des geilsten Wohllebens, des Hochmuts, der Lieblosigkeit und noch einer Menge anderer Untugenden ansieht, darbringen muß.

05] Aus diesem Grunde kam so etwas auch nie zu irgendeiner Untersuchung, und die Kriegsknechte des Herodes hatten einen freien Spielraum und konnten das Volk, besonders bei oft vorkommenden exekutiven Steuereintreibungen, nach ihrem bösen Belieben handelnd bedrücken, ohne dabei von jemandem beanstandet zu werden. Und ging auch jemand zu einem römischen Richter und beklagte sich wegen der groben, großen und oft unerschwingbaren Bedrückungen des elenden Herodes, so richtete er wenig oder nichts aus; er bekam höchstens den Rat, daß er sich bei Herodes loskaufe und dann ein römischer Bürger werden solle.

06] Gar viele Reiche konnten das freilich wohl tun und haben es auch klugermaßen getan; aber was blieb da den Armen sonst zu tun übrig, als sich von Herodes gewissenlosest in einem fort bedrücken zu lassen? Aber es soll diese Sache nun bald anders werden! So wir bald nach Jerusalem zurückkommen werden, da soll dem Könige die Hölle so heiß als nur immer möglich gemacht werden, und er wird zu Ersatzzahlungen auf eine Art genötigt werden, von der er sich noch nie etwas hat träumen lassen!

07] Oh, warte nur, du liebloser und überstolzer Wollüstling von einem Könige! Du sollst uns in der Folge mit vor Angst weit offenstehenden Augen kennenlernen und den Grund wohl einsehen, aus dem ich dir oft freundlich widerraten habe, Menschen, die offenbar von einem höheren Geiste von Gott aus begabt sind, zu verfolgen, solange dir dazu kein Auftrag von Rom aus gegeben ward! Aber er achtete solchen Rat niemals, sondern tat, wie es ihm beliebte; und so soll er denn nun auch bald die Früchte seines Starrsinns zu verkosten bekommen, die ihm sicher nicht süß schmecken werden! Des Herrn und Meisters Geist und Wille wolle mit uns sein und wirken!

08] Unser großer Nazaräer ist nach dem, was du, Freund Leander, uns aus Seinen Worten kundgabst, offenbar der aus den Himmeln in diese Welt nun als treu und wahr nach den vielen Verheißungen unserer Propheten gekommene Messias, ausgerüstet mit aller göttlichen Weisheit und Macht, daran ich nun unerschütterlich fest glaube; denn Er hat uns das dadurch ja handgreiflich klar bewiesen, daß Er eben durch die Macht Seiner alles durchschauenden und alles wohlerkennenden Weisheit und durch die rein göttliche Macht Seines Willens den großen Sturm auf dem Meere werden ließ, durch den die gewissen treuen Jagdhunde des Herodes ihren sicher schon lange wohlverdienten Lohn bekommen haben. Ihm darum alle Ehre!

09] Wir aber haben auch für uns selbst vieles gutzumachen, was wir an unseren Mitmenschen verbrochen haben, und wohl uns dann, so Er mit Seiner Liebe und Gnade, die Er uns nun allerunverdientestermaßen so überreichlich hat zukommen lassen, uns nach allen unsern Lebenskräften erfreuen wird und wir Seinen Namen darob hoch loben und preisen immerdar!

10] Ihr mit uns durch Seine Gnade geretteten zehn Kriegsknechte aber erweckt auch euer Gewissen, inwieweit es etwa auch mit jenen Lastern stark behaftet ist, um derentwillen sie ihren Untergang im Wasser gefunden haben; bereuet eure Sünden mit dem unerschütterlich festen Vorsatze, allen Menschen, mit denen ihr zu tun gehabt hat, den zugefügten Schaden nach Möglichkeit wieder gutzumachen, auf daß auch ihr Gnade beim Herrn und Meister über alle Dinge in dieser Welt finden mögt! Denn das haben wir nun vor unseren Sinnen erlebt, daß Er ein Wesen ist, das mit den blinden Menschen eine übergroße Geduld hat; aber so die Menschen trotz aller Ermahnung in ihrer Bosheit verharren und sich nicht bessern wollen, da bekommt Seine Geduld ihr Ende, und die Strafe folgt darauf unverzüglich.

11] Bedenkt wohl, was ich als euer Oberster euch nun gesagt und geraten habe; denn gegen die ewig wirkende göttliche Allmacht kann der ohnmächtige Mensch mit seinem Starrsinn nichts ausrichten! Wehe dem, den der gerechte Zorn Gottes ergreift!«



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