Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 204. Kapitel: Der römische Hauptmann Leander vor Jesus.

01] Auf diese Worte des Dieners wurde allen leichter ums Herz.

02] Und der Hauptmann ging sogleich mit dem Diener in das Herrenhaus, wo ihn derselbe gleich vor Mich hinbrachte und zu ihm sagte: »Siehe, das ist der Herr!«

03] Hier verneigte sich der Hauptmann tief vor Mir und sagte: »Herr! Sei nicht nur mir, sondern auch den andern Sündern gnädig und barmherzig! Denn wir waren ja nur blinde und willenlose Knechte des bösen Herodes, weil er uns in seinen Dienst mit vielem Zwange aufnahm, allein, wir haben heute völlig aufgehört, ihm je wieder zu dienen, und werden auch nach dir ewig nimmerdar fahnden. Ja, wir wollen, so es möglich wäre, von heute und morgen an dir zu Diensten stehen, aber dem argen und dummstolzen Wollüstling Herodes nimmerdar!«

04] Sagte Ich: »Leander, Ich vergebe euch eure Sünden! Wer an Mich glaubt, und nach Meiner Lehre lebt und handelt, der wird nicht verlorengehen!

05] Meine Lehre aber besteht ganz einfach in dem: Erkenne den einen, allein wahren Gott und Herrn, und also auch Mich, der Ich, als von Ihm aus in diese Welt kommend, Seinen Geist in Mir berge, und liebe den einen Gott über alles und deinen Nächsten wie dich selbst, und du wirst in dir das ewige Leben überkommen!

06] Wie dir dein Vertrauen den Weg zu Mir eröffnet hat, ebenso wird dir dein Glaube an Mich den Weg zum ewigen Leben eröffnen.

07] Du kennst aber auch jene Gesetze, die Gott auf Sinai dem Volke Israel durch Moses gab; diese halte und achte deiner vielen falschen und toten Götter und anderer heidnischen Sitten und Gebräuche nicht, und du kannst in Meinem Reiche Mir zu einem tüchtigen Rüstzeuge werden!«

08] Sagte der Hauptmann voll Freuden: »O Herr, wo wirst du dein Reich gründen? Wo ist deine Burg, auf daß ich morgen hinziehe und daselbst als ein tapferster Kriegsknecht dir meinen Dienst anbiete?«

09] Sagte Ich: »Höre! Mein Reich, das Ich nun von neuem wieder gründe unter den Menschen auf dieser Erde, ist kein irgend diesirdisches Reich gleich dem eines Königs, dem du gedient hast, und wie es deren noch eine Legion gibt auf der ganzen Erde, sondern Mein Reich ist ein geistiges und ist nicht irgend unter einem Schaugepränge ersichtlich mit den Augen des Fleisches; denn es besteht inwendig im Menschen, und das gläubige, liebe- und vertrauensvolle Herz ohne Hochmut, ohne Neid, Scheelsucht, ohne Lüge und Trug, aber dafür voll Demut, Sanftmut, Geduld und Barmherzigkeit ist die feste und von keiner Macht ewig je zu besiegende Burg, in der Ich als der eine und allein wahre Herr und König alles Seins und Lebens Wohnung halten werde bei jedem Menschen, dessen Herz und Gemüt die erwähnten Eigenschaften besitzen wird.

10] Willst du bei Mir Kriegsknechtsdienste nehmen, so mußt du dich in der dir nun gezeigten Burg nach deinem freien Willen nach Meiner Lehre darum voll Glauben, Vertrauen und voll Liebe zu Gott und den Nebenmenschen umsehen!

11] Das verstehst du nun freilich noch nicht in einem vollen Wahrheitslichte; glaube, lebe und handle aber nur mit allem Eifer nach dem, was du glaubest, so wird der Geist der ewigen Liebe Gottes in dir erwachen und dich in alle Wahrheit führen, und im Lichte dieser Wahrheit erst wirst du Den erkennen, der solches nun zu dir geredet hat. Und wirst du Den völlig der Wahrheit nach erkannt haben, so wird dir auch alles hell und übersonnenklar werden, was dir jetzt als tief verborgenes Geheimnis erscheint. Solches verkünde auch deinen Gefährten!«

12] Auf diese Meine Rede war der Hauptmann Leander ganz verblüfft und sagte: »O Herr und Meister! So wie Du hat noch nie ein Mensch auf dieser Erde geredet! Ich habe wohl sicher nicht alles in der rechten Tiefe verstanden; aber so viel ist mir aus Deinen Worten klar geworden, daß Du nicht nach einer Krone und nach einem Zepter dieser Welt strebst, sondern danach nur, daß alle Menschen wieder zur alten, schon seit überlange verlorengegangenen Wahrheit des innersten Geistlebens zurückkehren sollen.

13] Unsere alten Weisen haben dieses verlorengegangene Reich der vollen und lebendigen Wahrheit wohl mit vielem Eifer gesucht und sind hie und da auch auf ihre Fährten gekommen; aber den ominösen Schleier unserer Isis vermochte auch der weiseste Forscher nicht zu lichten

14] Du, o Herr und Meister, aber bist die wahre Isis Selbst und lichtest den dicken Schleier vor uns Menschen nun, und darin besteht nach meiner Meinung das wahre, geistige Lebensreich, das Du unter uns Menschen auf dieser Erde nun gründest und sein allein wahrer Herr und König bist, in Deinem Geiste warst und fortan auch bleiben wirst. Denn ist die Liebe, die Wahrheit und das Leben eine und dieselbe Kraft, so ist das Leben ebenso unvergänglich und unzerstörbar, wie die Wahrheit an und für sich ewig Wahrheit bleiben muß.

15] Insoweit habe ich den Sinn und Geist Deiner an mich unwürdigsten Menschen gerichteten Worte aufgefaßt: ein weitergehendes und tieferdringendes Licht erwarte ich von der Liebe und Gnade Dessen, der der allein rechte und vollstwahre König des inneren, geistigen Lebensreiches ist.

16] Aber nun fragt es sich, was wir mit dem argen und überdummen Herodes machen sollen! Wie kann diesem Wollüstlinge je nur beifallen, auf den liebevollsten Wiederbringer der Wahrheit des Lebens aller Menschen mit seiner Ohnmacht zu fahnden?! Oh, des stockblinden Wichtes!«

17] Sagte Ich: »Lasst den Herodes gehen und kümmert euch wenig mehr um ihn; denn seine Herrlichkeit wird bald ihr volles Ende erreichen!

18] Was aber dein Oberster gegen ihn bezüglich der Vergütung der vier zugrunde gegangenen Schiffe der Bürger von Tiberias auszuführen beschlossen hat, das soll er auch ausführen, und Ich werde ihn unterstützen mit der Macht Meines Willens, und er wird künftighin wenig Kriegsknechte mehr aussenden, die die Wahrheit mit Fesseln belegen und am Ende gar töten und völlig vernichten sollen!«

19] Der Hauptmann dankte Mir tief gerührt für diesen Auftrag an den Obersten und versprach Mir auch, daß die Ausführung Meines Wunsches nicht unterm Wege verbleiben werde.

20] Darauf aber fragte er Mich auch, was der Oberste wegen der hundertdreißig im Meere zugrunde gegangenen Kriegsknechte, die doch auch Menschen waren und sich gezwungen dem dümmsten Willen des Wüterichs fügen mußten - und das, wie bekannt, um den elendsten Sold - zu unternehmen berechtigt wäre, und das im Namen der hinterlassenen Witwen und Waisen; denn diese Kriegsknechte, die als dem Herodes sehr ergeben und treu auch seine Leibwache bildeten, hatten von ihm die Begünstigung, zu ehelichen gleich einem jeden andern Staatsbürger. Da die Kriegsknechte nun nicht mehr sind, wer wird nun ihre Weiber und Kinder erhalten und ernähren?«

21] Sagte Ich: »Die zugrunde gegangenen Kriegsknechte waren gleich abgerichteten Jagdhunden und hatten keine Liebe und Erbarmung gegen Menschen, die sie im Namen Herodis nur zu oft ohne Not und Auftrag quälten, um sich darin einen ansehnlichen Ersatz für ihren kargen Sold zu bereiten, und haben in dieser letzten Zeit die Sache im geheimen schon so arg zu treiben angefangen, daß die von ihnen nur zu oft Bedrängten in eine wahre Verzweiflung gerieten.

22] Sie haben durch ihre geheimen Umtriebe, wider die sich niemand bei einem Gerichte zu beklagen getraute aus Furcht, nachher noch ärger gequält zu werden, sich viele Schätze erworben, und ihre Hinterlassenen haben mehr denn du und dein Oberster zu verzehren. Was sie haben, das haben sie wohl verwahrt, und es würde einem Weltrichter schwer möglich sein, sie dessen geständig zu machen, daß sie ein ungerechtes Gut besitzen.

23] Aber Herodes soll an den durch seine getreuen Jagdhunde oft stark Bedrängten den Schaden ersetzen, da er es unterlassen hat, seinen Jagdhunden jene strengen Gesetze zu geben, nach denen sie mit den armen Untertanen nicht nach ihrer Willkür hätten verfahren sollen! Dazu war ihm das sogar auch noch recht, so er auch von derlei Umtrieben seiner Jagdhunde von irgendwoher etwas erfahren hat; denn er ersparte dabei ja einen besseren Sold.

24] Diese argen Jagdhunde haben denn endlich ihren Lohn bekommen, und Herodes soll den durch sie verübten Schaden nur ersetzen, was der Oberste zu veranlassen schon ganz gut verstehen wird. Und nun kannst du wieder in eure Hütte ziehen, in der du voll Sehnsucht erwartet wirst. Morgen werden wir uns wiedersehen.«

25] Der Hauptmann dankte Mir über alle Maßen für Meine Belehrung und Geduld und begab sich dann voll Trostes zu seinen Gefährten und erzählte ihnen alles, was er von Mir vernommen hatte.



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