Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 94. Kapitel: Eine Betrachtung des Sternenhimmels.

01] Als Ich solches ausgesprochen hatte, da waren alle Anwesenden, deren es eine bedeutende Anzahl gab, sogleich bereit, auch die Stunde im Freien zuzubringen, und wir erhoben uns und gingen hinaus, wo ein großer und ganz freier Platz war. Alle staunten nun über die unzählbar große Menge der Sterne und priesen die Allmacht und Größe Gottes.

02] Als wir so eine Zeitlang den gestirnten Himmel beobachtet hatten, da fragte Mich Markus, der Römer, sagend: »Herr und Meister, das sind also bis auf einige wenige Planeten lauter Sonnen, um die abermals die zu ihnen gehörigen Planeten und Monde und auch Schweifsterne bahnen?«

03] Sagte Ich: »Allerdings, wie Ich euch solches schon auf dem Ölberge gezeigt habe; doch seht ihr unter diesen vielen Sonnen auch mehrere Zentralsonnen, um die sich, wie euch schon bekannt, die Planetarsonnen mit allen ihren Planeten in großen Kreisen bewegen, und wieder seht ihr jene größeren Zentralsonnen, um die sich ganze Sonnengebiete bewegen, und auch ein paar solche Zentralsonnen, um die sich in überweiten Kreisen schon ganze Sonnenalle bewegen. Aber so Ich sie euch nun auch mit den Fingern zeigte, so würde euch das wenig oder auch gar nichts nützen; wenn ihr aber im Geiste erweckt sein werdet, dann wird euch der Geist des innersten Lebens und aller Wahrheit schon ohnehin in alles Licht leiten und führen. Wie aber das möglich ist und auch sein wird, davon habe Ich euch schon auf dem Ölberge einige selbstanschauliche Erfahrungen machen lassen. Hier kann Ich euch nur das wiederholen, daß es in Meines Vaters Hause gar viele und große Wohnungen gibt.«

04] Sagte abermals Markus: »Herr und Meister, ich danke Dir auch für diese Belehrung! Aber nun möchte ich von Dir doch auch so ganz bestimmt vernehmen, wo nun die Sonne sich befindet! Du hast uns wohl gezeigt, und das auf eine höchst wunderbar sinnige Weise, wie da alle Weltkörper eine runde Kugelform haben, und somit auch diese unsere Erde; aber ich hatte in meinen jüngeren Jahren im äußersten Südwesten Hispaniens zu tun, und da fing ein furchtbar großes Meer sich auszubreiten an. Ich bestieg daselbst mit mehreren Gefährten eines der höchsten Ufergebirge, und zwar in der Meinung, zu sehen, ob dieses Meer etwa doch gleich dem Mittelländischen irgendwo ein Ende nähme. Aber ich irrte mich groß; denn da war von keinem Ende nur eine allerleiseste Spur zu entdecken! Wohin wir auch unsere scharfen Augen nach Westen richteten, entdeckten wir nichts als Wasser und Wasser.

05] Von dem besagten Berge aus sah ich denn auch die Sonne vollkommen ins Meer sinken. Es bestätigte mir dies auch das: Als die Sonne vollends ins Wasser sich versenkte, da erlosch ihr Feuer und Licht aber auch so vollkommen, daß nach ihrem vollen Untergange keine Spur von einer Abenddämmerung mehr wahrzunehmen war, und die besagte Erscheinung brachte uns auf den Schluß, daß die Sonne, der Mond und alle Sterne im tiefen Westen geradezu buchstäblich wahr ins Meer sinken und in manchmal in 12, manchmal 14 und manchmal - im hohen Sommer - auch schon in 9 Stunden irgendwo im fernsten Osten wieder aus dem Meere emporsteigen.

06] Daß sich die Sache in der großen Wirklichkeit sicher ganz anders verhält, das weiß ich nun wohl; aber die Erscheinung, daß die Sonne, so sie augenscheinlich ins große Meer untersank, keine Spur von einer Abenddämmerung - besonders an sehr reinen und wolkenlosen Abenden - hinterläßt, ist im Ernste denn doch etwas sonderbar. - Wie soll ich mir das erklären?«

07] Sagte Ich: »Nun, nun, Mein lieber Freund Markus, siehe, nach etwa tausend Jahren werden über derlei euch jetzt noch gar wundersam vorkommende Erscheinungen sogar die Kinder die ganz richtigen Begriffe haben!

08] Siehe, dein großes Weltmeer hat auch seine Begrenzung im tiefen Westen, wie jedes andere Meer; und es gibt dort noch ein gar großes Festland (Amerika), das aber von den späteren Nachkommen von Europa gen Westen hin aufgefunden werden wird. Von den nordöstlichen Landfesten Asiens aber ist es schon vor nahezu mehr denn tausend Jahren entdeckt worden und ist in (seit) dieser Zeit von verschiedenen Völkern Asiens, darunter auch sogar von den alten Phöniziern, Trojanern und Griechen bewohnt.

09] Von Europa aus gen Westen hin aber wird es erst dann entdeckt werden können, wenn sich ihre Schiffe in einem besseren Zustande befinden werden, als sich die eurigen dermalen befinden.

10] Daß aber die Sonne im tiefen Westen, von Hispania aus betrachtet, ohne zurückgelassene Dämmerung untergeht, besonders an sehr reinen und dunstfreien Abenden, davon liegt die Ursache erstens in der großen und weithin gedehnten Luftmasse, die am Ende auch das Licht der Sonne ebenso schwer hindurchdringen läßt, als wie schwer dasselbe auf den tiefen Grund des Meeres dringt. Wo dieses seicht ist, wirst du den Meeresgrund sicher noch zur Genüge erleuchtet erschauen, weil das Licht nur mit einer ganz wenig Tiefe habenden Wassermasse zu tun hat; aber wo das Meer einmal etliche 20-100 Manneslängen tief ist, da wirst du keinen von der Sonne erleuchteten Grund mehr wahrzunehmen imstande sein. Siehe, da hast du denn einen Grund, warum die Sonne im fernen Meereswesten oft ohne alle zurückgelassene Dämmerung untergeht!

11] Der zweite Grund aber liegt eben in der oftmaligen völligen Dunstlosigkeit; denn finden die Lichtstrahlen der Sonne nahe ganz und gar nichts derart Dichtes, daß sie auf dasselbe fallen und von da wie gebrochen wieder weiter geworfen werden können, so können sie als daseiend auch nicht wahrgenommen werden. Solches kannst du am Monde, wie auch an den übrigen Planeten, lernen.

12] Siehe, der Mond wie auch die andern Planeten sind an und für sich ebenso finstere Körper, wie da ist diese Erde! Das Licht geht von der Sonne als einem runden Körper nach allen möglichen Richtungen aus; aber es äußert sich nur da als rückstrahlend und ersichtlich daseiend, wo es einen Gegenstand trifft, von dem es dann zurückstrahlt und von euren Augen wahrgenommen wird.

13] Wenn Ich dir nun einen großen Gegenstand in der allfälligen Entfernung des Mondes dieser Erde stellte, so würdest du sogleich wahrnehmen, daß die Sonne nicht ins Meer dieser kleinen Erde gesunken ist, sondern sich nun, so wie am Tage, auf ihrem freien Platz befindet und allen Erden, die um sie bahnen, ihr Licht samt der Wärme spendet. Was aber auf dieser Erde, wie gleichfalls auf den andern Erden, die ihr Planeten nennt, den Tag und die Nacht bewirkt, das habe Ich euch schon mehr als hinreichend gezeigt, und so magst du dich nun schon von deiner alten Weltstandsansicht ganz frei machen.«

14] Sagte Markus: »Ich danke Dir, o Herr und Meister, auch für diese Belehrung! Sie ist zwar nicht von der hohen Art, wie wir schon Lehren aus Deinem heiligen Munde empfangen haben, aber ich betrachte sie für uns auch in der Weltanschauung noch sehr irrig daran seiende Römer auch für sehr wichtig und erhaben. Denn wenn der Mensch in einer Sache, sei sie auch nur eine diesweltliche, in der Irre ist, so muß er dann auch in anderen, geistigen Dingen in allerlei Irrtümer geraten; denn ein Irrtum erzeugt den andern so lange, bis der ganze Mensch voll Irrtümer und Torheiten wird. Fängt es aber bei einem Menschen oft nur bei einer kleinen Sache an, licht an werden, so breitet sich das Licht dann nach und nach auf größere und wichtigere Dinge aus, und der Mensch gelangt so zur wahren Weisheit. Darum Dir, o Herr, Dank auch für solche Belehrungen, die uns Römern von einem besonders großen Nutzen sind!«



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