Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 7


Kapitelinhalt 79. Kapitel: Das Volk enthüllt die Greuel der Pharisäer.

01] (Der Wirt:) »Da sagte der Priester, daß er noch nie einen Propheten getötet habe und seine Mitpriester auch nicht.

02] Da fing das Volk schon wieder zu lärmen an und sagte: "Du bist schon vierzig Jahre lang Priester und solltest nicht dabeigewesen sein, als der fromme Zacharias vor ungefähr fünfundzwanzig Jahren zwischen dem großen Opferaltar und dem Allerheiligsten von wutentbrannten Händen erwürgt worden ist?!

03] Es ist noch kaum ein Jahr her, daß draußen in der wüsten Gegend am Jordanflusse Johannes, ein Sohn des von euch erwürgten Zacharias, durch euer Mühen und Zahlen von den Schergen des Herodes aufgegriffen wurde. Doch Herodes, da er bald merkte, daß Johannes ein weiser Mann war und Gottes Geist aus seinen Worten wehte, behandelte ihn mehr als einen Freund und ließ des Propheten Jünger frei und ungehindert aus und ein gehen. Aber der Satan hatte euch von solch gutem Zustande des Johannes bald Kunde getan, und ihr sannet dann Tag und Nacht nach, wodurch ihr den Herodes dazu bewegen könntet, daß er töten ließe den frommen Propheten. Nach vielem Sinnen und Rathalten fandet ihr in der bösen Mutter der schönen Herodias, die Herodes sehr liebte, ein sehr geeignetes Mittel, den Propheten aus dem Wege zu schaffen. Und somit habt ihr auch diesen Propheten, weil er eben euch vor allem Volke zu sehr ins Gewissen redete, getötet.

04] Jetzt lebt und lehrt aber noch ein großer Prophet, der aus Galiläa zu uns gekommen ist, von dem Johannes selbst sagte, daß er nicht würdig sei, Ihm die Schuhriemen aufzulösen, und daß er selbst bloß eine Stimme des Rufenden in der Wüste sei, zu bereiten dem großen Propheten die Wege, von welchem Propheten allgemein wegen Seiner Lehren und Taten gesagt wird, daß Er der verheißene Messias sei. (Mt.03,03; Jesaja.40,03Maleachi.03,01; = Johannes.01,23*; = Markus.01,03; = Lukas.03,04;  ⇒ jl.ev01.005,02-05*;  jl.ev07.079,04jl.ev09.189,02-05)

05] Was sagt aber ihr? Ihr saget, es stehe geschrieben, daß aus Galiläa kein Prophet aufstehe und ein jeder, der an Ihn glaubt, verflucht sei.

06] Wir aber sagen: Wenn es auch schon geschrieben steht, daß aus Galiläa kein Prophet aufsteht, so steht aber unseres Wissens doch nirgends geschrieben, daß aus Galiläa der Messias nicht erstehen soll!

07] Und dieser große Prophet hat erst jüngst auf dem Feste im Tempel gelehrt, und auf eine so weise Art, daß sogar eure argen Knechte, die Ihn hätten ergreifen und vor euch hinschleppen sollen, Ihm am Ende das Zeugnis geben mußten, daß noch nie ein Mensch also geredet habe. Aber euer Grimm stieg immer höher und höher. Und als Er euch so recht göttlich mächtig die Wahrheit ins Gesicht schleuderte, da wurdet ihr so erbost, daß ihr Ihn gleich im Tempel habt steinigen wollen. Er aber ward unsichtbar, und ihr habt die aufgehobenen Steine voll Ärger wieder zur Erde legen müssen.

08] Lazarus, der Herr von Bethanien, war in eurem Rate und gab als einer der reichsten Menschen vom ganzen Judenlande dem Tempel große Opfer. Als euch aber alle seine großen Opfer noch immer nicht genügten und ihr ihm darum Tag und Nacht in den Ohren laget, da ward ihm die Geschichte denn doch zu arg, und besonders darum, weil ihr zu ihm allen Ernstes sagtet, daß es ihm besser und nützlicher sei, lieber alles dem Tempel denn irgend den Armen etwas zu geben; denn das arme Gesindel solle nur arbeiten, und es werde dann schon etwas zu essen bekommen. Denn es sei Gott nicht wohlgefällig, so der reiche Mensch durch seine unweise Barmherzigkeit die armen Menschen zu nutzlosen Müßiggängern mache. So habt ihr zu ihm geredet, was wir aus seinem Munde vernommen haben.

09] Nun, Lazarus ließ sich am Ende auch das noch so halbwegs gefallen; aber im Einverständnis mit seinen beiden Schwestern beschloß er bei sich und sagte: ,Wir besitzen noch viel unurbares Land. Ich werde mit dem freien Almosengeben wegen des Tempels einen Einhalt tun; dafür aber werde ich mit Ausnahme der bresthaften Menschen alle die zu uns kommenden Armen fragen, ob sie uns nicht dienen möchten in einer oder der andern Arbeit nach ihren Kräften um einen guten Lohn.' Solches tat Lazarus, nahm viele Arbeiter auf und bestellte mit ihnen seine sehr ausgedehnten und weitläufigen Besitzungen. Dem Tempel aber ließ er noch immer große Opfer zukommen, was wir nur zu gut wissen. Allein ihr habt das nur zu bald erfahren, konntet dem guten Manne zwar nichts Wesentliches dagegen sagen, weil er in der Hauptsache euren Willen befolgt hatte, aber geheim waren euch schon wieder seine nun sehr vielen Arbeiter ein Dorn in euren bösen Augen, und ihr nahmet euch bald alle Mühe, ihm die Arbeiter und Diener durch alle erdenklichen Mittel, die euch nur immer zu Gebote standen, abwendig zu machen.

10] So kamet ihr durch eure getreuen Diener bald da- und bald dorthin und sagtet: ,Wie mögt ihr da arbeiten? Wisst ihr denn nicht, daß das ein verfluchtes Stück Land ist, dessen einstiger gottloser Besitzer in seinem Übermute dem Tempel zehnmal den gebührenden Zehent verweigert hat?!'

11] Aber die Arbeiter richteten sich nicht danach und erwiderten euren Tempelboten: ,Das mag sein, obschon es nirgends geschrieben steht; aber nun besitzt dieses Land ein Mann, der dem Tempel noch niemals einen Zehent verweigert hat und solchen auch von diesem Grund und Boden, wenn er tragbar wird, nicht verweigern wird. Daher lasst uns arbeiten, und wir wollen sehen, ob Jehova diesem Boden den Segen verweigern wird!'

12] Wenn eure Boten auf diese Art nichts ausgerichtet haben, so gingen sie an eine andere Besitzung des guten Mannes hin und suchten durch andere Mittel ihm die Arbeiter abwendig zu machen. Ihr tatet sogar einen Fluch über seinen Ölberg, weil er ihn euch nicht schenken wollte, - und ihr hättet ihn dann um ein großes Geld an einen reichen Griechen oder Römer verkauft.

13] War alles das nach dem Willen Gottes gehandelt, der durch Moses und zu ihm selbst gesagt hatte: ,Laß dich nicht gelüsten nach dem, was deines Nächsten ist!'? Am Ende, weil der gute Mann euch eure Handlungsweise gegen ihn ganz energisch untersagt hatte, da erst wolltet ihr ihm zeigen, welche Macht ihr gegen ihn habt. Aber der gute Mann war klüger als ihr: er wurde bald mit allen seinen Besitzungen vollkommen römischer Untertan und römischer Bürger, steht nun unter ihrem (der Römer) vollen Schutze, zahlt ihnen den viel geringeren Zins, und euren Boten und Knechten ist durch römische Wachen und in jüngster Zeit sogar durch große und böse Hunde der Zutritt zu seinen Besitzungen verwehrt. Nur dann und wann darf ihn von euch irgend ein alter und um etwas ehrlicherer Pharisäer und Schriftgelehrter besuchen.

14] Und sage nun, du matter und schwacher Prediger, was habt ihr damit gewonnen? Habt ihr euer Recht irgend bei einem römischen Gerichte durchgesetzt? Darum hat euch Gott in dieser Nacht gezeigt, was Er mit Jerusalem und eurem Tempel wahrscheinlich schon in jüngster Zeit machen wird. Rede uns nun entgegen, wenn du kannst und magst! Wie viele Schätze, Gelder und Güter der armen Witwen und Weisen habt ihr schon verschlungen und versprachet ihnen, daß ihr dafür für ihr zeitliches und ewiges Wohl sorgen werdet. Waren sie aber einmal in euren Krallen, da sind sie bald für die Ewigkeit von euch versorgt worden. Auf welche Art, das wissen wir schon zum größten Teile, und ihr werdet es in eurem bösen Gewissen sicher noch besser wissen!

15] Wenn ihr um irgend eine arme Jungfrau oder um irgend ein junges Weib wußtet, so verkleidetet ihr irgendeinen Templer, und er mußte hin, die Jungfrau für eure Geilsucht zu verlocken oder das junge Weib zum Ehebruche mit euch zu verleiten, auf daß sie dann unter der Androhung der Steinigung immer eure Buhlerin bleiben mußte. O der großen Schande und der großen Greuel des Tempels!

16] Ihr glaubtet freilich wohl schon seit langem an keinen Gott mehr und habt euch darum das freche Recht herausgenommen, die Stelle des vom Volke noch immer geglaubten Gottes zu vertreten und habt ihm (dem Volke) in Jehovas Namen allerlei eurer unersättlichen Herrschsucht und übermäßigen Freßgier dienende Gesetze gegeben, vor denen es am Ende sogar den Heiden zu ekeln anfangen mußte. Aber in dieser Nacht ist der alte Gott wieder aufgetaucht und hat euch und dem Volke mit großartigen und klaren Zeichen gezeigt, daß er noch ganz Derselbe ist, wie Er war zu Abrahams, Isaaks und Jakobs Zeiten.

17] Und nun haben wir Volk vor Gott und vor euch das vollste Recht, euch offen ins Gesicht zu sagen, daß nicht wir, sondern nur ihr die Urheber aller Sünden waret, die mit der Zeit durch eure gottlosen Gesetze unter uns gang und gäbe wurden; denn ihr triebet uns ja schon ordentlich zur Sünde an, damit wir dann für unsere begangenen Sünden mehr opfern mußten, um dieselben durch eure faulen Brandopfer und durch eure völlig leeren Machtsprüche loszuwerden. Also seid ihr ganz allein an allem schuld, wie solches aus dem zweiten schrecklichen Zeichen auch gar deutlich zu entnehmen war. Jetzt, weil ihr euch vor Gott und vor dem Volke so mächtig wähnt, macht es mit Gott vor uns ab und saget, was Gott mit euch und mit uns tun wird!"

18] Siehe, Herr und Meister, so sprach das Volk buchstäblich mit dem schon höchst ängstlich und verlegen gewordenen Prediger, der wie ein gegossenes Kalb ganz stumm und bewegungslos alles das anhörte und dem Volke am Ende nichts anderes erwidern konnte als: "Für solch ein Volk bin ich zu schwach, da muß ein Schriftgelehrter kommen!"

19] Und das Volk sagte: "Nur her mit ihm, und wir werden auch ihm zeigen, daß des Volkes Stimme bei weitem mehr Gottes Stimme ist als das dumme und leere und alles Rechtes bare Wort eines herrsch- und habsüchtigen Templers!"

20] Mit dem verlor sich der Redner, und wir mußten darauf nahe eine halbe Stunde lang warten, bis der angekündigte Schriftgelehrte erschien.«



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