Jakob Lorber: ''Das große Evangelium Johannes', Band 2, Kapitel 23


Prophezeiung eines Babyloniers über Jesu Wirken und Tod. Nazarener lehnen Jesus als Prophet oder Messias ab. Kein Prophet gilt etwas im eigenen Land.

01] Da Ich ihnen aber dennoch vermöge dessen, was sie gesehen hatten, als ein Prophet vorkam, so sagte ein alter Nazaräer: »Ich habe einmal von einem durchreisenden Babylonier, wie solche Menschen gewöhnlich als außerordentliche Bettler öfter unsere Gegenden und Orte zu besuchen pflegen und sich um einige Stater in allerlei Zaubereien und Wahrsagereien produzieren, gehört, wie er bei meinem Nachbar eine Weissagung machte, und zwar mit diesen Worten:

02] 'Nazareth, in deinen Mauern lebt ein Mensch, den du nicht kennst! Er ist still und ist karg an Worten; wann aber seine Zeit kommen wird, da werden sich vor Ihm und Seiner Rede beugen die Berge; die Winde und das Meer werden Ihm gehorchen, und der Tod wird vor Ihm beben und keine Macht über Ihn haben! Da wird alles Volk dieser Stadt in ein ärgerliches Staunen versetzt werden; aber es wird niemand Seiner Macht trotzen können, und der Tod wird fliehen vor Ihm wie eine furchtsame Gazelle vor einem sie verfolgenden Löwen! Wenn Er aber von dieser Welt in die Himmel wird übergehen wollen, so wird Er auf drei Tage Sich töten lassen von Seinen Feinden; aber am dritten Tage wird Er aus höchst eigener Macht den Tod von Sich weisen und wird auferstehen in aller Kraft und Herrlichkeit und wird auffahren mit Fleisch und Blut in die Himmel! Aber darauf wehe allen, die Ihn verfolgt haben; ihr Los wird sein ein allerschrecklichstes Feuergericht, desgleichen noch nie eines auf dem Erdboden stattgefunden hat! Wehe allen hochmütigen Juden! Sie werden fürder bis ans Ende der Welt kein eigenes Land mehr haben, sondern auf dem ganzen Erdboden zerstreut umherirren wie ein verfluchtes Wild in der Wüste, und von Stoppeln, Dornen und Disteln werden sie ein ungenießbares Brot bereiten, um zu stillen ihren Hunger, und werden sterben an solcher Kost!' -

03] Solches hat besagter Babylonier geredet vor etwa drei Jahren; und es ist im Ernste ungeheuer merkwürdig, daß in diesem Jesus ein solcher Mann in unsern Mauern nun aufgetreten ist, dessen Reden und Taten alles das vom besagten Babylonier Prophezeite nahe auf ein Haar bestätigen! Was aber ist da zu machen? Ist das eine eingetroffen, so dürfte auch das andere, nämlich das Gericht eintreffen! Darum bin ich der maßgeblichen Meinung, daß wir Ihn wirken lassen sollten, wie Er will, mag und kann; denn es dürfte schwer werden, uns mit Ihm in einen Kampf einzulassen! Denn wer einmal Tote erweckt, der muß auch noch mehr vermögen! Vor dem sich die Berge neigen und Winde und Meere lautlos verstummen, mit dem werden wir einen schlechten Kampf bestehen! Darum lassen wir Ihn gehen, zumal da bereits, wie ihr selbst sehet, mehrere Hunderte Seiner Lehre mit Leib und Seele anhängen und Ihn für den verheißenen Messias halten!«

04] Auf diese Rede des alten Nazaräers ärgern sich viele noch mehr; aber es getraut sich niemand mehr ein Wort zu reden. (a Matthäus.13,57a; =Markus.06,03; jl.ev02.022,09)

05] Ich aber sah wohl, daß mit diesem Volke nichts zu machen war, da es keinen Glauben und kein Vertrauen hatte, und a sagte daher auch ganz kurz, aber so laut, daß es alle wohl vernehmen konnten: »Warum ärgert ihr euch denn? Habt ihr nie gehört, daß man schon von alters her gesagt hat: a 'Ein Prophet gilt nirgends weniger als in seinen Vaterlande und in seinem Hause!' Wenn aber also, wie es noch allzeit die alte Erfahrung gelehrt hat, was ärgert ihr euch denn? Ihr wollt klug sein, und Ich sage es euch, daß ihr blind, taub und voll Blödsinnes seid! So Ich Der bin, der Ich bin, und Meine Worte und Meine Taten dafür zeugen, warum glaubet ihr denn nicht? Muß denn ein Prophet allzeit weither sein, damit er Glauben finde? Muß denn sein Geburtsort unbekannt und seine Zunge eine fremde sein? (a Matthäus.13,57b*; = Markus.06,04; = Lukas.04,24; = Johannes.04,44 jl.ev02.036,20jl.ev06.148,08jl.ev07.123,02jl.ev09.116,30; Vaterbriefe.482)

06] Wenn Ich aus Persien oder gar aus Indien gekommen wäre und täte die Zeichen, die Ich nun tue, und wie sie vor Mir keiner je getan hat, so würdet ihr auf euren Angesichtern vor Mir liegen und schreien: 'Gott hat uns heimgesucht, und wir sind voll Sünden und Gebrechen! Wer wird uns verbergen und schützen vor Seinem Zorn?' Weil Ich aber der euch bekannte Josephssohn bin, so fraget ihr: 'Woher kommt ihm solches?' O ihr blinden Toren! Ist hier dieser Boden nicht ebensogut Gottes Erde wie in Persien und Indien? Scheint hier nicht dieselbe Sonne, und werden hier nicht, so gut wie in Persien und Indien, durch Gottes gleichfort waltende Kraft und Macht allerart Früchte zum Wachstum und zur Reife gefördert? Ist der Mond und sind die Sterne samt der Sonne und dieser Erde hier denn weniger göttlich als in den besagten Ländern?

07] So aber ohne allen Zweifel hier doch alles ebensogut göttlich und Gottes ist wie in andern fernen Landen, warum sollte es dann der Mensch nicht sein? Wenn Ich aber vor euren Augen nun Taten verrichte, die keinem Perser und Indier je möglich waren, wie sollte Ich dann nicht wenigstens ebensogut wie ein dummer Perser oder Indier Mir eure Achtung und euren Glauben erwerben können? Wahrlich, ginge Ich heute zu den Griechen und Römern hin, sie würden Mir Tempel und Altäre errichten!

08] Ihr aber hingegen, da Ich in eurer Mitte aufgewachsen bin und ihr Mich von Kind auf kennet, fragt ganz ärgerlich erstaunt: 'Woher kommt denn auf einmal diesem Zimmermanne das alles, den wir stets als einen wahrhaftigen Tölpel gekannt haben?' O wartet nur, der Tölpel hat aufgehört, ein Tölpel zu sein, und hat euch viel Gutes getan - früher als Tölpel und nun als Meister und Heiland noch mehr; aber fürderhin wird Er es bleibenlassen!«

09] Auf diese Worte ärgerten sich die Nazaräer noch mehr und verließen die Schule. (a Matthäus.13,57a; =Markus.06,03; jl.ev02.023,04)


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