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Kapitelinhalt 13. Kapitel: Die Meeresufer auf dem Saturn. Gefahr durch Sturmfluten. Monde und Ring als Fluterzeuger. Die untersten Meerestiergattungen. Die blaue Riesenmuschel.

Originaltext 1. Auflage 1855 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text, Verseinteilung und Überschriften nach 4. Auflage 1969 Lorber-Verlag

01] Nachdem wir nun das Land so ziemlich haben kennen gelernt, vermöge alles dessen, was die Bildung des Landes selbst belangt, und so auch der Vegetation und den Wässern nach, und wie alles dieses ist zu seinem guten Gebrauche, so wollen wir uns nun aus dem Reiche der elementarischen, metallischen, Vegetabilien- und Wasser-Sphäre, welche die erste Unterlage des Thierreiches ist, zum Reiche der Thiere selbst wenden.

02] Bevor aber wir noch uns zu den eigentlichen Thieren selbst wenden werden, wird es noch nothwendig sein, ein wenig die Meeresufergegenden als die Hauptbehausung des allermannigfaltigsten Thierreiches zu besichtigen. Auf eurer Erde sind zu allermeist die Meeresufergegenden auch mit seltener Ausnahme diejenigen Theile der Ländereien, welche zu allermeist bevölkert sind; darum, weil sich über das Wasser und selbst an den Ufern des Wassers leicht Handel und Verkehr treiben läßt, vorausgesetzt, daß die Meeresufer nicht etwa lang gestreckt aus lauter Klippen bestehen, oder sonsten voll Sandes und Schlammes sind. Allein nicht also verhält es sich mit den Meeresufergegenden unseres Planeten, allda wenigstens nach euerem Maße 40 Meilen landeinwärts kein Mensch mehr wohnt, und das zwar aus folgendem Grunde, weil in solcher Niederung des Landes bis auf 40 Meilen landeinwärts Niemand sicher ist vor einer plötzlichen Ueberfluthung; denn wie das Meer auf eurer Erde einer periodischen Fluth und Ebbe unterworfen ist, um so mehr ist solches der Fall bei einem so großen Planeten, da die Fluth sich auch in demselben Verhältnisse, ja zuweilen höher erhebt, in welchem Verhältnisse dieser ganze Planet und all die Dinge zu der Erde und allem dem, was darauf ist, stehen.

03] Ich sagte zu der jewaigen Ueberfluthungszeit darum, da dieselbe auf diesem Planeten nicht allezeit eine gleiche Höhe erreicht. Hievon ist folgender Grund, weil denn doch 7 Monde einen bedeutenden Einfluß haben auf den Planeten selbst, so geschieht es in jenen Zeiten, wo alle 7 Monde, zufolge ihrer ungleich schnellen Bewegung, auf einer und derselben Seite des Planeten zu stehen kommen, daß dadurch das dortige Meerwasser dann mehr, denn gewöhnlich emporgehoben wird. Wo nur, wie bei euch, ein Mond einen Planeten umkreiset, da wäre es freilich wohl unklug, die Fluth und Ebbe dem Monde zuzuschreiben, obschon er dessenungeachtet einen unbedeutenden Einfluß ausübt; allein dieser ganze Einfluß beträgt auf der Erde bei 6 Fuß naturgemäßer Steigerung des Meeres kaum 1 Zoll als Mithilfe, aber bei einem Planeten wie der Saturnus macht das über die naturgemäße Erhöhung des Meeres einen bedeutenden Ausschlag; denn nehmet ihr da auch die verhältnißmäßigen 7 Zolle, zufolge dessen, daß ein jeder Mond dem der Erde gleich um einen Zoll das Wasser zu erheben hilft; - so müßt ihr aber doch diesen Zoll in eben dem Verhältnisse nehmen, in welchem Verhältnisse alles Uebrige des Saturnus zur Erde steht, und da werdet ihr alsobald zu dem Resultate gelangen, daß die 7 Zoll nach Abzug aller andern ordnungsgemäß wirkenden Ursachen gar leicht einen Ausschlag von 70 Klaftern geben; und nehmt ihr dazu noch die gewöhnliche Steigerung des Saturnus-Meerwassers zur Zeit der Fluth um 60 Klaftern an, so werdet ihr daraus alsobald leicht gewahr werden, wie hoch das Wasser des Meeres manchmal an den Ufergegenden zu stehen kommt.

04] Wenn der Ring über dem Meere nicht eine so wohlthätige Wirkung über das Gewässer des Meeres ausüben möchte, so wäre bei solcher hochfluthenden Gelegenheit des Meeres sogar das innere Flach- und Niederland auf 1000 und 1000 Meilen weit gefährdet; allein durch die anziehende Kraft des Ringes geschieht hier bei Gelegenheit der Fluth diese merkwürdige Erscheinung, daß alldort das Meereswasser selten weiter als 40 Meilen landeinwärts dringt; denn es bildet das Meer bei der Gelegenheit der Fluth unter dem Ringe förmliche Wasserberge, und also zieht sich das Wasser vielmehr in diese Berge zusammen, als daß es allzuweit eindringen möchte in das Land.

05] Diese Wasserberge haben eine große Aehnlichkeit mit denen Wasserhosen bei euch, nur mit dem Unterschiede, daß sie eben vermöge der anziehenden Kraft des Ringes nicht selten zu der schauerlichen Höhe von 100 Meilen emporwachsen, welche hohe Fluthzeit dann auch für die Schifffahrt so gut wie ganz vollkommen untauglich ist; denn wird ein Schiff von einem solchen wachsenden Wasserberge ergriffen, so wird es mit einer unbeschreiblichen Heftigkeit und Schnelligkeit in die Höhe gehoben, und hat es den höchsten Gipfel erreicht, so wird es dann vermöge solcher Wurfkraft also hintangeschleudert, daß da von einer glücklichen oder unversehrten Zurückkunft gar schwerlich mehr die Rede ist. Dann und wann wird auf manchen Stellen die Aufthürmung so gewaltig, daß sie beinahe bis auf den Ring hinaufreicht; allein dies geschieht nur äußerst selten.

06] Dessenungeachtet aber sind selbst die unbedeutendsten Aufthürmungen des Meeres alldort den Schiffern schon sehr gefährlich, weil bei solcher Aufthürmung das Wasser des Meeres allezeit einen für euch unbegreiflich schnellen Wirbel oder Dreher macht. Kommt da Jemand mit seinem Fahrzeuge in den Bereich eines solchen tanzenden Wasserberges, so wird es anfangs, da der Wirbel noch langsamer geht, auf die Wasserhöhe hinaufgezogen, und da das Drehen sich immer potenzirt, je höher und höher das Wasser steigt, so geschieht es dann auch, daß irgend ein mitgerissenes Fahrzeug mächtig weit hintangeschleudert wird, oder es wird auch durch die Gewalt des drehenden Wassers leichtlich zertrümmert; denn der Durchmesser eines solchen Berges, auch nur von der mittleren Größe, beträgt auf der Fläche nicht selten 20 bis 50 Meilen, in der Mitte oft noch 10 bis 20 Meilen und an der Spitze 1 bis 2 Meilen. Die Drehung des Wassers aber in der Mitte eines solchen Berges ist schon von solcher Schnelligkeit, daß es den Weg herum in 4 bis 5 Minuten zurücklegt, und auf der Spitze gar in 1 oder 1 1/2 Minuten. Nun könnet ihr euch schon die Wurfkraft eines solchen Berges denken. Wenn das Schiff sich gerade irgendwo auf der Meeresfläche befindet, da gerade unter dem Schiffe sich die Spitze eines Berges zu bilden anfängt, so ist das der erste Fall, wodurch dann irgend ein Schiff in die schauerliche Höhe hinaufgeworfen wird; und kommt aber das Schiff an den Wirbelfluß eines solchen Berges, so wird es zu einer gewissen Wasserschnelle gehoben, und von da alsobald weitmächtig hintangeschleudert.

07] Nun sehet, das war vor der Erklärung des Thierreiches nothwendig noch zu beachten; denn für's Erste wird daraus ersichtlich, warum die Ufergegenden des Saturnus-Meeres unbewohnbar sind; für's Zweite aber wird hier in diesem großen Naturakte die erste Produktion des Thierreiches gezeigt; denn dadurch geschieht ein großartiger Begattungsakt, vermöge welchen die atomischen Aetherthierchen ins Wasser aufgenommen werden, darin sie sich dann von Klasse zu Klasse reproduziren, bis sie dann zu jener Stufe gelangen, die ihr auf eurer Erde Amphibien nennt, welche Thierklasse auch auf diesem Weltkörper den ordnungsmäßigen Uebergang von den Wasserthieren zu den Landthieren bildet. Und also ist dann auch all' das Uferland gewisserart die erste Stufe, auf welcher vermöge der stufengerechten Fortbildung die Seethiere an das Land vom Wasser selbst übersetzt werden; und so wir also das Thierreich alldort betrachten wollen, so müssen wir es ja auch ordnungsgemäß dort zu betrachten anfangen, wo es eigentlich seinen Ursprung nimmt.

08] Das Wasser des Meeres ist demnach die erste Wohnstätte der Thiere. Welche Thiere erblicken wir aber zuerst in diesem Weltkörper, und zwar in dessen Meergewässern? Auch alldort ist die Ordnung dieselbe, wie auf der Erde.

09] Die erste Thiergattung alldort besteht in einer zahllosen Menge von außerordentlich kleinen weißen Würmchen, welche so klein sind, daß in einem gewöhnlichen Tropfen Millionen derselben hinreichenden Platz haben. Die zweite Gattung ist eine Art größerer Würmer, die schon mit zwei Armen versehen sind. Diese sind schon sichtbar dem Auge der Saturnusbewohner. Ein solches Thierchen der zweiten Stufe verzehrt in einer Secunde schon viele tausende der ersten Gattung, und assimilirt dadurch derselben Leben dem seinigen. Die dritte Stufe ist eine Art länglichten grauen Wurmes, etwa von der Größe, wie eure Essig-Aale. Diese Thiergattung ist sehr gefräßig, und nährt sich von den beiden unteren Klassen, und assimilirt dadurch deren Leben dem seinigen. Die 4te Klasse ist eine Gattung Wurmes, der da zwei Köpfe hat, und hat schon eine Länge von einer Linie, und wird gegen die Mitte dicker, also, daß seine Gestalt wird gleich einem Kipfel. Dieses Thier verzehrt nur seine Vorgänger; und die nächste Klasse nach ihm fängt sich schon an zu unterscheiden dem Geschlechte nach, während bei den vorhergehenden Gattungen noch kein Geschlechtsunterschied stattfindet. Dieses Thier aber ist vermöge seiner zwei Köpfe schon also bestellt, daß es gewisserart das männliche und weibliche Wesen in sich vereinigt, was da zu ersehen ist aus seinen 2 Köpfen. Die nächste Gattung besteht schon in einer Art vierarmigen röthlichen Käferchen. Dieses Thier hat schon alldort die sichtbare Größe von etwa 2 Linien der Länge nach, und eine halbe Linie der Leibesbreite. Dieses Thierchen ist ein Vielfraß, denn es frißt alle seine vorhergehenden Gattungen in einer Unzahl, und assimilirt sich dadurch ihr Leben. Und also gehen bei tausend Stufen immer Eins in das Andere über, bis sie erst in die Gattung der dortigen Schalthiere aufgenommen werden.

10] Die Gattungen der Schalthiere sind eben so reichhaltig, und kommt da zuerst eben auch die Muschel und dann erst die Schnecke zum Vorscheine.

11] Unter den Muschelthieren ist alldort vorzugsweise die große blaue Riesenmuschel zu bemerken, welche nicht selten also groß wird, daß, wenn sie auf eurer Erde sich irgend in einem Meere befinden würde, so könnte sie mit allem Rechte für eine Insel von einem Flächenraume von 1 bis 1 1/2 Quadratmeilen gelten. Diese Muschel ist aber auch die letzte Stufe der Muscheln; ihr Tod ist eine Menge kleiner Schnecken, welche, sobald sie dann und wann um Nahrung zu nehmen sich in sie hineinbegeben, unsere arme Muschel von allen Seiten zu benagen anfangen. Wenn dann die Muschel auf diese Weise aufgezehrt wurde, so wird die Schale dann nicht selten bei Gelegenheit der Fluth und Ebbe entweder auf eine kleinere Insel oder auch an das uns schon bekannte Landesufer hinausgeworfen, allwann dann nicht selten die Bewohner des Saturnus herbeikommen, und solche für sie sehr kostbare Muscheln sammeln, und sie in ihre Gegenden bringen. Diese Muscheln werden dann gewöhnlich also in die Erde hinein befestigt, daß zwischen den beiden Muscheln, oder eigentlich den beiden Schalen der Muschel mehrere schon bekannte Regenbäume eingepflanzt werden, woselbst dann in diese weiten Muschel-Bassins das Baumregenwasser am allerwirthschaftlichsten aufgesammelt wird.

12] Die Außenseite einer solchen Riesenmuschel ist eben nicht besonders schön; sie hat eine dunkelgrüne Farbe; aber desto imposanter ist die Inseite, denn diese sieht gerade so aus, als so ihr polirtes Gold möchtet mit einer schönen azurblauen Farbe überziehen; daher ein solches Muschelwasserbecken, wenn es von den Regenbäumen angefüllt worden ist, sich alldort auch außerordentlich herrlich ausnimmt, in welchem Wasser sich besonders die Saturnusbewohner sehr gerne baden; für's Erste, weil dieses Wasser die höchste Reinheit hat, und für's Zweite, weil es auch von einem ätherischen Wohlgeruche gesättiget ist, ungefähr also, wie bei euch das Nardusöl riecht, welches auf eurer Erde zu den wohlriechendsten gehört.

13] Ihr werdet wohl fragen, aber wie bringen die Saturnusbewohner eine solche ungeheure Riesenmuschel von der Stelle? - Dieses geschieht alldort auf eine ganz einfache Art; für's Erste ist die Muschel nicht so schwer, als ihr es euch vorstellet, denn allda unter dem Ringe sind überhaupt die Gegenstände nicht so schwer, als auf irgend einem andern Theile entweder der südlichen oder nördlichen Breite dieses Planeten; und so geschieht es denn, daß die Bewohner dieses Planeten eine solche Muschel, wenn sie eine irgend finden, alsobald mit ihren vielseitig angebrachten Keilen und Hebeln öffnen, sie dann sorgfältig ausräumen hierauf wieder zuschließen, und am Schlusse rundherum überall die Oeffnungen sorgfältig mit einer eigenen Art Wasserbaste verkleistern; alsdann warten sie mit ihren Schiffen eine kleine Fluth ab, diese hebt dann die Muschel, welche sie vermöge eines starken Bandes an ihr Schiff befestigen, wornach dann die Fahrt irgend auf einem Flusse landeinwärts mit einer solchen Schnelligkeit beginnt, von der ihr euch nicht leichtlich einen Begriff machen könnet. Denn eben bei solchen Gelegenheiten macht der Saturnus-Mensch seine vollste Willensdampfkraft geltend; daher es auch nicht wundern darf, wenn die Saturnusbewohner nicht selten Gegenstände von einem Orte zum andern befördern, vor deren Größe und Last euch schaudern würde; was zu seiner Zeit, wie auch bei mancher Gelegenheit noch deutlicher gezeigt wird.

14] Nächstens wollen wir das Reich der Thiere näher verfolgen und daher für heute Amen.

01] Nachdem wir nun das Land so ziemlich kennengelernt haben hinsichtlich alles dessen, was die Bildung des Landes selbst anbelangt und auch die reiche Vegetation und die Gewässer und wie alles dies dienlich ist zu seinem guten Gebrauch - so wollen wir uns nun aus dem Reich der elementarisch-metallischen Vegetabilien- und Wasser-Sphäre, welche die erste Unterlage des Tierreiches ist, zum Reiche der Tiere wenden.

02] Bevor wir uns aber zu den eigentlichen Tieren selbst wenden, wird es noch notwendig sein, ein wenig die Meeresufergegenden, als die Hauptbehausung des allermannigfaltigsten Tierreiches, zu besichtigen. Auf eurer Erde sind die Meeresufergegenden mit seltener Ausnahme diejenigen Teile der Ländereien, welche zumeist bevölkert sind, weil sich über das Wasser und an den Ufern des Wassers leicht Handel und Verkehr treiben läßt, vorausgesetzt, daß die Meeresufer nicht etwa weithin aus lauter Klippen bestehen oder voll Sandes und Schlammes sind. Allein nicht also verhält es sich mit den Meeresufergegenden dieses Planeten, wo nach Erd-Maß vierzig Meilen landeinwärts kein Mensch mehr wohnt, und das aus dem Grund, weil in solcher Niederung des Landes bis auf vierzig Meilen landeinwärts niemand sicher ist vor einer plötzlichen Überflutung. Denn wie das Meer auf eurer Erde einer periodischen Flut und Ebbe unterworfen ist, um so mehr ist solches der Fall bei einem so großen Planeten, da die Flut sich in demselben Verhältnis - ja zuweilen auch - erhebt, wie dieser ganze Planet und all die Dinge zu der - Erde und allem, was darauf ist, stehen.

03] Daß auf diesem Planeten die Flut nicht allezeit eine gleiche Höhe erreicht, hat folgenden Grund: Weil die sieben Monde (des Saturn) einen bedeutenden Einfluß auf den Planeten selbst haben, so geschieht es in jenen Zeiten, wo alle sieben Monde zufolge ihrer ungleich schnellen Bewegung auf einer und derselben Seite des Planeten stehen, daß dadurch das dortige Meerwasser mehr als gewöhnlich emporgehoben wird. - Wo nur, wie bei euch, ein Mond einen Planeten umkreist, da wäre es freilich wohl unklug, die Flut und Ebbe dem Monde zuzuschreiben, obschon er dessenungeachtet einen unbedeutenden Einfluß schon ausübt. Aber dieser Einfluß beträgt auf der Erde bei sechs Fuß naturgemäßer Steigerung des Meeres kaum einen Zoll als Mithilfe. Aber bei einem Planeten wie der Saturn macht das für die naturgemäße Erhöhung des Meeres einen bedeutenden Ausschlag. Denn nehmet ihr da auch die verhältnismäßigen sieben Zoll (zufolge dessen, daß da ein jeder Mond, gleich dem der Erde, das Wasser um einen Zoll zu erheben hilft) - so müßt ihr aber doch diesen Zoll in eben dem Verhältnis nehmen, in welchem alles Übrige des Saturn zur Erde steht. Und da werdet ihr alsbald zu dem Ergebnis gelangen, daß die sieben Zoll nach Abzug aller anderen ordnungsgemäß wirkenden Ursachen gar leicht einen Ausschlag von siebzig Klaftern geben. Und nehmet ihr dazu noch die gewöhnliche Steigerung des Saturn-Meerwassers zur Zeit der Flut um sechzig Klafter an, so werdet ihr daraus leicht gewahr werden, wie hoch das Wasser des Meeres manchmal an den Ufergegenden zu stehen kommt.

04] Wenn der Ring über dem Meer nicht eine so wohltätige Wirkung über das Gewässer des Meeres ausüben würde, so wäre bei solcher Hochflut des Meeres sogar das innere Flach- und Niederland auf tausend und tausend Meilen weit gefährdet. Allein durch die anziehende Kraft des Ringes ergibt sich hier bei Gelegenheit der Flut die merkwürdige Erscheinung, daß das Meerwasser selten weiter als vierzig Meilen landeinwärts dringt; denn es bildet das Meer bei der Flut unter dem Ringe förmliche Wasserberge. Und so zieht sich das Wasser viel mehr in diese Berge zusammen, als daß es allzuweit in das Land einzudringen vermöchte.

05] Diese Wasserberge haben eine große Ähnlichkeit mit den Wasserhosen bei euch, nur mit dem Unterschied, daß sie eben vermöge der anziehenden Kraft des Ringes nicht selten zu der schauerlichen Höhe von einhundert Meilen emporwachsen, weshalb die hohe Flutzeit dann auch für die Schiffahrt so gut wie vollkommen untauglich ist. Denn wird ein Schiff von einem solchen wachsenden Wasserberg ergriffen, so wird es mit einer unbeschreiblichen Heftigkeit und Schnelligkeit in die Höhe gehoben; und hat es den höchsten Gipfel erreicht, so wird es dann vermöge der Wurfkraft so hinuntergeschleudert, daß von einer glücklichen oder unversehrten Zurückkunft gar schwerlich mehr die Rede ist. - Dann und wann wird auf manchen Stellen die Auftürmung so gewaltig, daß sie beinahe bis an den Ring hinaufreicht. Doch dies geschieht nur äußerst selten.

06] Dessenungeachtet aber sind selbst die unbedeutendsten Auftürmungen des Meeres dort den Schiffern schon sehr gefährlich, weil bei solcher Auftürmung das Wasser des Meeres allezeit einen für euch unbegreiflich schnellen Wirbel oder Dreher macht. Kommt da jemand mit seinem Fahrzeug in den Bereich eines solchen tanzenden Wasserberges, so wird er anfangs, wenn der Wirbel noch langsamer geht, auf die Wasserhöhe hinaufgezogen. Da das Drehen sich immer verstärkt, je höher und höher das Wasser steigt, so geschieht es dann auch, daß irgendein mitgerissenes Fahrzeug mächtig weit hinuntergeschleudert wird, oder es wird auch durch die Gewalt des drehenden Wassers unschwer zertrümmert. Denn der Durchmesser eines solchen Berges, auch nur von mittlerer Größe, beträgt auf der (Grund-)Fläche nicht selten zwanzig bis fünfzig Meilen, in der Mitte oft noch zehn bis zwanzig Meilen und an der Spitze ein bis zwei Meilen. Die Drehung des Wassers aber in der Mitte eines solchen Berges ist schon von solcher Schnelligkeit, daß es den Weg herum in vier bis fünf Minuten zurückgelegt und auf der Spitze in ein oder längstens eineinhalb Minuten. Nun könnt ihr euch schon die Wurfkraft eines solchen Berges denken! Wenn das Schiff sich irgendwo auf der Meeresfläche befindet, gerade unter ihm sich die Spitze eines Berges zu bilden anfängt, wird das Schiff in die schauerliche Höhe hinaufgeworfen. Kommt aber das Schiff an den Wirbelfluß eines solchen Berges, so wird es zu einer bestimmten Wasserwelle gehoben und von da alsbald weitmächtig hinuntergeschleudert.

07] Nun seht, das war vor der Erklärung des Tierreiches notwendig noch zu beachten; denn daraus wird ersichtlich, warum die Ufergegenden des Saturn-Meeres unbewohnbar sind. Dann aber wird hier in diesem großen Naturakt die erste Zeugung (Urzeugung) des Tierreiches gezeigt; denn dadurch geschieht ein großartiger Begattungsakt, vermöge dessen die atomischen Äthertierchen ins Wasser aufgenommen werden, darin sie sich dann von Klasse zu Klasse vervielfältigen, bis sie zu derer Stufe gelangen, die ihr auf eurer Erde das Reich der Amphibien nennt. Diese Tierklasse bildet auch auf diesem Weltkörper den ordnungsmäßigen Übergang von den Wassertieren zu den Landtieren. So ist all das Uferland sozusagen die erste Stufe, auf welcher vermöge der stufengerechten Fortbildung die Seetiere vom Wasser an das Land übergesetzt werden. Wenn wir also das Tierreich des Saturn betrachten wollen, müssen wir ordnungsgemäß auch dort anfangen, wo es eigentlich seinen Ursprung nimmt.

08] Das Wasser des Meeres ist demnach die erste Wohnstätte der Tiere. - Welche Tiere erblicken wir aber zuerst auf diesem Weltkörper, und zwar in dessen Meeresgewässern? - Auch dort ist die Ordnung dieselbe wie auf der Erde.

09] Die erste Tierklasse besteht in einer zahllosen Menge von außerordentlich kleinen, weißen Würmchen, welche so klein sind, daß in einem gewöhnlichen Tropfen Millionen derselben hinreichenden Platz haben. - Die zweite Klasse ist eine Art größerer Würmer, die schon mit zwei Armen versehen sind. Diese sind auch dem Auge der Saturnbewohner sichtbar. Ein solches Tierchen der zweiten Stufe verzehrt in einer Sekunde viele tausende der ersten Gattung und gleicht dadurch deren Leben dem seinigen an. - Die dritte Stufe ist eine Art länglicher grauer Würmer, etwa von der Größe wie eure Essig-Aale. Diese Tierklasse ist sehr gefräßig und nährt sich von den beiden unteren Klassen und einverleibt dadurch deren Leben dem seinigen. - Die vierte Klasse ist eine Gattung von Würmern, die zwei Köpfe und schon eine Länge von einer Linie [1 Linie = 1/100 Fuß, also je nach Bemessung des »Fußes« = 2,14 bis 2,25 mm, d. Ed.] hat und gegen die Mitte dicker wird, so daß ihre Gestalt einem Kipfel gleicht. Dieses Tier verzehrt nur seine Vorgänger. Und die nächste Klasse nach ihm fängt schon an, sich dem Geschlecht nach zu unterscheiden, während bei den vorhergehenden Klassen noch kein Geschlechtsunterschied vorhanden ist. Dieses Tier ist vermöge seiner zwei Köpfe so bestellt, daß es gleichsam das männliche und weibliche Wesen in sich vereinigt, worauf seine zwei Köpfe hindeuten. - Die nächste Klasse besteht schon in einer Art vierarmiger, rötlicher Käferchen. Dieses Tier hat die sichtbare Größe von etwa zwei Linien der Länge und einer halben Linie der Leibesbreite nach und ist ein Vielfraß, denn es frißt alle seine vorhergehenden Klassen in einer Unzahl auf und einverleibt sich dadurch ihr Leben. - So gehen bei tausend Stufen solcher Lebewesen immer eins in das andere über, bis sie in die Klassen der dortigen Schaltiere aufgenommen werden.

10] Die Klassen der Schaltiere sind ebenso reichhaltig, und es kommt da zuerst die Muschel und dann erst die Schnecke zum Vorschein.

11] Unter den Muscheltieren ist vorzugsweise die große blaue Riesenmuschel zu bemerken, welche nicht selten so groß wird, daß wenn sie sich auf eurer Erde in irgend einem Meere befinden würde, sie mit allem Recht für eine Insel mit einem Flächenraum von ein bis eineinhalb Quadratmeilen gelten könnte. Diese Muschel ist aber auch die letzte Stufe der Muscheln. Den Tod bringen ihr kleine Schnecken, welche, sobald sie dann und wann, um Nahrung zu nehmen, sich in sie hineinbegeben, unsere arme Muschel von allen Seiten zu benagen anfangen. Wenn dann die Muschel auf diese Weise aufgezehrt wurde, wird die Schale nicht selten bei Gelegenheit der Flut und Ebbe auf eine kleinere Insel oder auch an das uns schon bekannte Festlandufer geworfen, wo des öfteren die Bewohner des Saturn herbeikommen und solche für sie sehr kostbare Muscheln sammeln und sie mit sich nach Hause nehmen. Diese Muscheln werden dann gewöhnlich so in die Erde hinein befestigt,daß zwischen den beiden Schalen der Muschel mehrere schon bekannte Regenbäume eingepflanzt werden, wo dann in diese weiten Muschelbasins das Baumregenwasser am allerwirtschaftlichsten angesammelt wird.

12] Die Außenseite einer solchen Riesenmuschel ist nicht besonders schön, sie hat eine dunkelgrüne Farbe; aber desto herrlicher ist die Innenseite. Diese sieht geradeso aus, wie wenn ihr blankes Gold möchtet mit einer schönen azurblauen Farbe überziehen. Daher ein solches Muschelwasserbecken, wenn es von den Regenbäumen angefüllt worden ist, sich auch außerordentlich herrlich ausnimmt. In solchem Wasser baden sich die Saturnbewohner besonders gerne, weil dieses Wasser die höchste Reinheit hat, und weil es auch von einem ätherischen Wahlgeruche gesättigt ist, ungefähr wie bei euch das Nardusöl, welches auf eurer Erde zu den wohlriechendsten gehört.

13] Ihr werdet wohl fragen, aber wie bringen die Saturnbewohner eine solche ungeheure Riesenmuschel von der Stelle? - Dieses geschieht auf eine ganz einfache Art. Die Muschel ist nicht so schwer, wie ihr es euch vorstellt, denn unter dem Ring sind überhaupt die Gegenstände nicht so schwer wie auf irgendeinem andern Teil, entweder der südlichen oder der nördlichen Breite dieses Planeten. Und so geschieht es, daß die Bewohner eine solche Muschel, wenn sie irgendeine finden, alsbald mit ihren vielseitig angebrachten Keilen und Hebeln öffnen, sie sorgfältig ausräumen, hierauf wieder zuschließen und am Schlusse rundherum die Öffnungen mit einer besonderen Art Wasserpaste verkleben. Alsdann warten sie mit ihren Schiffen eine kleine Flut ab. Diese hebt die Muschel, welche sie mit einem sehr starken Seil an ihr Schiff befestigen, wonach dann die Fahrt auf irgendeinem Flusse landeinwärts mit einer solchen Schnelligkeit beginnt, von der ihr euch kaum einen richtigen Begriff machen könnt. Denn eben bei solchen Gelegenheiten macht der Saturn-Mensch seine mächtige Willenskraft voll geltend; daher es euch nicht wundern darf, wenn die Saturnbewohner nicht selten Gegenstände von einem Orte zum andern befördern, vor deren Größe und Last euch schaudern würde - was zu seiner Zeit, wie auch bei mancher Gelegenheit, noch deutlicher gezeigt wird.

14] Nächstens wollen wir das Reich der Tiere näher betrachten, und daher für heute Amen.

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