voriges Kapitel Jakob Lorber: 'Robert Blum - Seine Erfahrungen und Führung im Jenseits' nächstes Kapitel

Text nach Erstauflage 1898 (Faksimile, Band 2), inhaltlich und stilistisch unverändert hier in neuer Rechtschreibung


Kapitelinhalt 245. Kapitel: Liebe als Grundquell aller wahren Weisheit und Ausdruckskraft. Dichtkunst des Verstandes und des Gemüts. Bitte des Offiziers um mehr Liebe und Jesu Antwort. Die Liebe als Grundkraft der Lebensvollendung.

01] Sage Ich: „Mein Freund! Hast du auf der Erde es nie gemerkt, dass Menschen, die so recht kernfest in der Liebe stecken, die zartesten Dichter sind? Also ist die Liebe die eigentlichste und beinahe stets alleinige Mutter der wahren Lyrik. Ein David brannte vor Liebe zu Mir, wie auch zu den Menschen, und ward darum auch einer der größten Lyriker, die je auf der Erde gelebt haben. Sein Sohn Salomon war, so lange er liebte, auch weise dem wahren Sinn des Wortes und der Bedeutung nach; als er aber dann seine rechte Liebe in die Geilheit der Weiber versenkte, ward er bald dumm und schwach in Wort und Tat.

02] Betrachte Meinen Johannes! Dieser Apostel hatte die mächtigste Liebe zu Mir, und darum auch die größte Glut in der Darstellung Meines Wortes; und in seinen Worten liegt auch die größte Weisheit, wie bei keinem anderen Apostel; ihm ward darum auch die tiefste Offenbarung gegeben; und du kannst die ganze Geschichte der Erde durchgehen, und du wirst stets und nie wandelbar bei jenen Menschen die wahre Lyrik- und Weisheit antreffen, die das Herz, wie man zu sagen pflegt, am rechten Flecke haben.

03] Es dichten wohl auch die Verstandesmenschen, und machen ein Langes und Breites; aber in dem Langen und Breiten steckt nichts als ein höchst mühevolles Suchen eines verlornen Groschens in der Nacht ihres Herzens. Sie kommen wohl manchmal dem Groschen auf die Spur, so sie ihn aber ergreifen wollen, da gleiten sie aus, weil der Grund, auf dem sie stehen, ein höchst lockerer ist, und verlieren auf die Art auch nur zu bald alle Spur, da etwa der verlorne Groschen liegen könnte.

04] Daher ist denn auch alle die sogenannte Weltweisheit eine größte Torheit vor Mir; denn was der Mensch mit dem Verstande in hundert Jahren bei aller Mühe kaum erreicht, das gibt dir die rechte Liebe in einer Sekunde; denn die Liebe bin Ich Selbst im Menschen! Je vollkommener seine Liebe wird, desto entfalteter auch Mein Ebenbild in ihm.

05] Der Verstand aber ist nur ein Schrank, in dem die Liebe ihre erworbenen Schätze aufbewahrt. Was kann aber die Seele in dem Schranke finden, so die Liebe zuvor nichts hineineingelegt hat? Oder was solle die Seele in dem Schranke finden, so das, was noch irgend eine vergangene oder erloschene Liebe in einer früheren und besseren Zeit hineingelegt hatte, in solch unerleuchteten Gemächern höchst zerstreut und verrostet daliegt, dass auch die mühevollste Arbeit der Seele entweder nur höchst wenig, oder auch wohl gar nichts effektuieren kann?

Gehe du in einen finstern Keller, und suche darin einen verlornen Groschen, und du wirst ihn nicht finden. So du aber ein gutes Licht anzündest, so wirst du den Groschen bald finden, so du recht suchst und eine rechte Geduld im Suchen hast.

06] So siehe nun, Mein lieber Freund! Dieser Feldwebel hatte allezeit eine rechte Liebe zu Gott dem HErrn, Den er nur so kannte, wie er Ihn aus der Schrift des Vorbundes kennen lernte. Er liebte also die Gottheit, ohne Sie zu kennen, schon über die Maßen; wie groß muss dann erst seine Liebe zur Gottheit werden, so er mit Derselben volle persönliche Bekanntschaft macht, wie es nun der Fall ist?! Und diese Liebe gibt ihm eine solche lyrische Weisheit; willst du aber auch solch eine Weisheit, so musst du auch solch eine Liebe dir aneignen, dann wird es schon gehen.

Du liebst Mich wohl sehr mächtig; aber der Feldwebel liebt Mich mehr. Wie dies aber möglich ist, das Alles wird dir die nächste Folge klar darstellen."

07] Sagt der Offizier: „HErr! das verstehe ich wahrlich nicht, wie das möglich sein könnte, Dich noch mehr zu lieben; denn bei Deinem heiligsten Namen, ich liebe Dich aus allen meinen Kräften über Alles, und ich könnte mich nun rein auf den Kopf stellen, so wäre es mir allerreinst unmöglich, Dich, o HErr und Vater, noch mehr über Alles zu lieben. Mir käme überhaupt ein solche Liebe so vor, als so ein Mensch eine Tausentzentnerlast mit der ihm verliehenen puren menschlichen Kraft weiterschaffen sollte. - HErr, erweitere mein Herz, und vermehre die Liebelebensflammen im selben, dann werde ich auch in der Liebe zu Dir werden gleich einem Atlas, der nach der Fabel bestimmt war, den ganzen Himmel auf seinen Schultern zu tragen."

08] Sage Ich: "Mein lieber Freund! Das, was du von Mir willst, ist dir selbst anheimgestellt, denn von nun an wirst du allein der Schöpfer und Umstalter deines Wesens und deiner Liebe sein. Frage aber den Feldwebel: wie? und er wird es dir sagen."


voriges Kapitel Home |   Inhaltsverzeichnis Bd. 2  |   Jakob Lorber |  Werke Lorbers |  Lorber-Register  |   eBooks: Lorber- u.a. Themen nächstes Kapitel