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Kapitelinhalt 209. Kapitel: Ein alter Dynast und Jesus. Erzählung vom Wunder-Merkur. Der Dynast bittet um ein echtes Wunderzeichen.

Originaltext 1. Auflage 1898 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text nach 2. Auflage 1929 Lorber-Verlag
Versnummerierung nach 3. Aufl. 1963, Lorber-Verlag

01] Hierauf tritt einer dieser noch (geistig) todten Dinasten vor Mich hin und sagt: „Du hast es vernommen, was jener Paulus und der alte R. von dir geredet haben. - Siehe, die Sache klinget selten und nahe unglaublich; aber ich will mich an alle dem nicht stoßen, und komme daher zu Dir, um von Dir Selbst zu vernehmen, ob vom Zeugnisse des Paulus über Dich etwas Wahres sei im Grunde des Grundes. Ich will jenen guten Mann, der sonst viel Weisheit besitzt, gerade nicht als einen Lügner ansehen, da er mir dazu viel zu ehrlich aussieht; aber gar leicht kann er für Dich zu sehr eingenommen sein, und Dich deßhalb in seiner zu starken Liebe zu Dir rein vergöttern; eine Erscheinung, die auf der Erde besonders bei den feurigeren Bewohnern des Südens, tausendfach vorgekommen ist.

02] Ich aber will ihn deßhalb weder loben noch tadeln, daß er solches von Dir aussagt, dieser gute Mann. Aber prüfen will ich die Geschichte denn doch, da es ja sogar geschrieben stehet, daß man Alles prüfen, und das Gute behalten solle. - Sage mir daher denn Du Selbst, was ich, und respektive wir Alle, von Dir halten sollen. - Kann Gott wohl in Deinem Anzuge Seinen Geschöpfen erscheinen? - oder kann Gott der Unendliche überhaupt von Seinen Geschöpfen gesehen und gesprochen werden?"

03] Sage Ich: „Freund, du verlangest von Mir nicht Worte, sondern Thaten! Handle Ich vor dir aber wie ein Mensch in seiner Ohnmacht, so wirst du sagen: Das kann Jedermann thun, ohne darum ein Gott zu sein; thue Ich vor dir aber Ungewöhnliches, so wirst du Mich entweder für einen Magier halten, oder für einen Naturgelehrten und sagen: Das geht ganz natürlich zu, so man von den dazu erforderlichen Vortheilen die rechte Kenntniß und Praxis hat; und man ist deßhalb noch lange kein Gott, so man auch anscheinende Wunder an's Tageslicht fördert. Würde Ich vor deinen Augen aber im Ernst eine That verrichten, deren ausschließend nur ein Gott fähig sein kann, so würde sie dir aber dennoch nichts nützen, sondern nur ungemein schaden; denn da wärest du gerichtet zum zweiten Male, und zwar sehr leicht zum ewigen Tode. Denn ein Gefesselter kann in Mein Reich, spricht der Herr, nicht eingehen. Glaube also den Worten Pauli, so wirst du leben. - Mehr von Mir sagen aber kann Ich vor dir auch nicht, indem du noch lange nicht reif dazu bist!"

04] Sagt darauf der Dinast: „Du hast wohl recht; aber das sehe ich gerade nicht ein, warum und wie mir ein wirklich's Wunder, als eine von Deiner sein sollenden Gottheit zeugende That, schädlich, ja sogar tödtlich sein oder werden solle. - Ist doch alles ein Wunder der Allmacht und Weisheit Gottes, was ich nur immer anschaue, und ich bin zunächst mir das größte; und siehe, das alles bringt mich nicht um's Leben. Also, ob nun von Gott zu den zahllosen Wundern eines hinzukommt, oder eines weniger wird, das solle bei Gott denn doch eins und dasselbe sein. Denn mich tuschirt das wohl gar nicht, in welcher Gestalt die Gottheit Sich ihren Geschöpfen zeigen wolle, und wirken vor ihren Augen ein außergewöhnliches Werk; ich werde dadurch in meinem Geiste dennoch ganz ungebunden bleiben, und denken und handeln wie jetzt, wo ich von Deiner Gottheit noch keine andere Ueberzeugung habe, als die: so ich daran glauben will oder kann.

05] Du kannst vor mir thun, was Du willst, und ich werde stets derselbe in meinem Thun und Lassen bleiben, der ich nun bin und allzeit war. Bist Du Gott, so bin ich Dein Geschöpf, und werde eine große Freude haben, meinen Schöpfer personaliter kennen zu lernen; und bist Du es aber nicht, nun, so würde ich Dich für keinen schlechten Menschen, wohl aber hie und da für einen überspannten halten, und das wird hoffentlich weder Dich noch mich tuschiren.

05a] Als ich noch Herrscher war, siehe, da kam einmal ein sonderbarer Mensch am Wege einer erbetenen besonderen Audienz zu mir; und als ich ihn in meiner gewöhnlichen jovialen Weise fragte: Was wollt Ihr von mir? Geld, Welt, Land, Sand, eine Ehrenstelle oder meine Seele; wollt ihr auf Erden ein Minister werden, oder gar ein Hofnarr? - Da sagte er: Ich bin der Gott Merkur, und leiste große Wunderdinge. Wollt ihr Gold? es steht in meinem Sold; wollt ihr Perlen und Edelgestein, wollt ihr Ambra und feinsten Wein? Wollt ihr den Mond auf Erden? es soll nach Wunsch euch werden; wollt eure Feind' ihr sehen? vor euch sie sollen stehen. Wollt Frieden oder Krieg? ich gebe euch den Sieg. - Darauf schwieg er, und ich sagte zu ihm: Vor allem, Freund, ich muß es euch gestehen, möcht ich allein nur meine Feinde sehen, und wissen auch nach altem Brauch, was ihr von mir verlangt dafür? Da sprach er: Ihr seid der Herr, und euer ist das Land; gebt bloß den Glauben mir zum Lohn und Pfand!

05b] Ich reichte ihm die Hand und sprach: Wird euch das Werk gelingen, und ich die Feind' bezwingen, dann soll an euch den Glauben kein Wesen mehr mir rauben. Und er bat mich darauf, daß ich in einen großen Spiegel hineinsehen möchte. Ich that es, und sieh! merkwürdig, übermerkwürdig! Ich ersah auf der Stelle ganz klar und deutlich eine große mir wohlbekannte Menge derselben Menschen, die mir bekanntermaßen abhold waren, und im Geheimen fortwährend gegen mich wühlten. Und ich sahe aber auch noch Andere, die ich sonst für meine besten Freunde hielt, unter Denen, die mich haßten; das war Mir etwas zu arg doch. Und ich sagte darauf in großer Erregtheit meines Gemüthes: Wenn dir, mein Freund Merkur, schon wirklich irgend ein göttlicher Funke innewohnt, und du im Ernste daraus deine Macht ziehest, so schaffe mir diese Feinde vom Halse; und was nur immer in meiner Macht stehet, will ich dir darum thun.

05c] Da sprach er: Das soll geschehen, doch nicht auf eine übernatürliche Weise, sondern auf die natürlichste und zugleich angenehmste Weise von der Welt. Ihr veranstaltet ein großes Fest, aber lasset am Plafond eures größten Speisesaales eine starke Oeffnung machen; und sehet, daß die Thüren und Fenster wohl zu versperren sind. Lasset die Tafeln mit Speisen und Getränken bester Art reichlichst besetzen, und vergesset nicht die Spieler, Gaukler und Pfeifer, so auch die Sänger und Harfner; so lange ihr an der Tafel bei diesen Gästen sein werdet, solle die vollste Heiterkeit herrschen; aber nach ein paar Stunden lasset ihr die Harfner, Spieler, Gaukler und Sänger abtreten; darauf entfernet auch ihr euch! Lasset darauf den Plafond öffnen, und vorerst einen Sfärensang durch die Oeffnung ertönen, darauf aber sogleich große Massen von den allerwohlriechendsten Blüthen, als Rosen und Hiazinthen, durch die Oeffnung über die Gäste ausschütten, dann diese Oeffnung wie alle Thüren wohl schließen; und in einer Stunde werden die Feinde im Dufte dieser Blumenblüthen ersticken.

05d] Und ich fragte den Merkur: Und was verlangst du für diesen Rath? - Und er sprach wieder: Nichts als deinen Glauben! Ich aber sagte: Was solle ich denn so ganz eigentlich von dir glauben? Und er erwiderte: Daß ich in aller Wahrheit der Gott Merkur bin, dem du einen Tempel bauen sollest in großer Pracht; an Gold und andern Schätzen sollest du keinen Mangel haben; denn ich verstehe mich darauf, Schätze der ganzen Erde auf einen Punkt znsammenzubringen. - Ich aber sagte: Du bist ein närrischer Kauz. Ziehe mir den Mond herab, wie du es sagtest, und ich will dir dein Verlangen erfüllen. - Da zog er einen runden Spiegel hervor, stellte ihn auf einen Tisch, der an einem offenen Fenster stand, durch das gerade der Mond hereinzuscheinen begann, indem es schon sehr Abend geworden war; er stellte mich in eine gewisse Entfernung vor den Spiegel, und bei Gott und allen Heiligen, - ich sah den Mond, wie er ist, freischwebend in meinem Audienzsaale so natürlich, wie er am Firmamente zu sehen ist.

05e] Und ich sagte darauf zu ihm: - Daß du etwas mehr bist denn ein gewöhnlicher Mensch, das sehe ich nun schon ein, und glaube fest, daß du so ein von Gott begabter Weiser bist, wie sie zu Zeiten die Erde getragen hat; aber für einen vollkommenen Gott kann ich dich darum nicht halten, weil du dich bisher, um etwas zu effektuiren, äußerer Mittel bedienet hast; sieh', ein Gott muß aus nichts eine Welt erschaffen können, ansonst er kein Gott ist. Du hast aber auch gesagt, daß du Gold und Edelsteine mir schaffen könntest, so viel dessen, als ich wollte. Also schaffe mir zum Beweise deiner Göttlichkeit aus nichts Gold und Edelgestein. Da sagte aber der Merkur: Meine Gottheit kannst du nicht schauen und danebst behalten dein Leben, darum darf ich vor dir denn auch kein unmittelbares Wunderwerk verrichten, da es dich tödten würde. Mit den leichten äußerlichen, sage, nur bloßen Scheinmitteln aber verhülle ich meine Gottheit vor deinen sterblichen Augen. Ich will dir Gold und Edelgestein geben in aller Hülle und Fülle; aber dafür schaffe du mir her Eisen, guten Kalk und viel Kohle.

05f] Ich ließ das alles sogleich herbeischaffen; er aber nahm dann aus einer Tasche ein Fläschchen, und benetzte das Eisen mit einigen Tropfen von der Flüssigkeit, die er im Fläschchen hatte; und siehe, das Eisen ward zu blankem Golde. Darauf legte er Kalk und Kohle in ein ziemlich großes Gefäß, und begoß es mit einer andern Flüssigkeit aus einer andern großen Flasche, und es fing an zu zischen und zu brausen im Gefässe; und ein sonderbarer Geruch erfüllte bald den großen Saal. Er aber sagte: Dieser Geruch sei unschädlich, und ich möge nur eine halbe Stunde Geduld zu Hülfe nehmen; - ich that seinem Verlangen Genüge, ging aber unterdessen dennoch in ein Nebenzimmer, da mir der Geruch doch etwas unangenehm war. Nach einer halben Stunde aber rief er mich; ich kam und sahe im Ernste die schönsten Diamanten im Gefässe, darin früher Kalk und Kohle gelegt ward, vom Kalke und von der Kohle aber war keine Spur mehr zu entdecken, und der Saal war vom besten Geruche erfüllt.

05g] Ich ließ sogleich meinen Hofjuwelier kommen und untersuchen das Gold und die Edelsteine, und der Juwelier fand zu seinem größten Erstaunen alles echt. Das machte mich stutzen, und ich sagte bei mir selbst: Wahrlich, so dieser Wundermann nicht mehr ist als ein gewöhnlicher Mensch nur, so wird das sehr viel sein; denn so was ist mir noch nie vorgekommen. Alle meine Hofchemiker und Apotheker machten große Augen, und wußten sich die Sache nicht zu erklären, und drangen in den Wundermann, daß er ihnen das Geheimniß kund thäte. Er aber sprach: Das Geheimniß besteht in Dem, daß ich ein Gott bin, ihr aber nur blinde, schwache und sterbliche Menschen. Da zuckten die Apotheker und die Chemiker mit den Achseln, und sagten: Ob du ein Gott oder ein Mensch seist, wäre so schwer zu entscheiden nicht; man solle ihn tödten, wie einen Verbrecher, und der Tod würde da ein ganz unpartheiischer Richter sein; stürbe er, so ist er auch ein ganz gewöhnlicher Mensch; und könnte man ihm aber den Tod nicht geben, dann wäre er offenbar ein Gott.

05h] Er aber sagte: "Ersparet euch diese Probe an mir! Bedenket, daß es mit Göttern nicht gut ist zu hadern oder zu scherzen! Denn ehe ihr euch's versehen möchtet, würdet ihr auch schon verwandelt sein in Asche und Staub." Da wollten ihn die Leute ergreifen. Er aber verstieß sie wie Mücklein von sich,und entschwand plötzlich aus dem Saale, und ward nachher nicht mehr gesehen.

05i] Freund, das war doch eine sehr seltene Erscheinung; und dennoch blieb ich, was ich war, und mein Glaube nahm keinen Zwang an. Ich dachte mir: Es ist wohl möglich, daß du etwas mehr bist als ein gewöhnlicher Mensch; aber es ist auch möglich, daß du auf Kosten irgend einer geheimen Wissenschaft, die uns fremd ist, dich als ein Gott uns aufdrängen willst, um auf diese Art dann ein Herrscher über die Herrscher zu werden, was dir dann freilich eine bessere Rechnung trüge, als so ich dich für deine Wunderthaten noch so kaiserlich belohnen möchte. Und so konnte ich diesen Gott recht gut ansehen samt seinen Wundern, und dennoch leben dabei; warum nicht auch bei Dir, mein geehrtester Freund?

06] Zeige mir denn auch Du etwas Wunderbares; erschaffe mir eine Welt vor den Augen, und ich werde dabei gerade so mich verhalten, wie ich mich bis jetzt verhalte; denn bei mir ist kein Wunder größer oder kleiner; und Gott ist und bleibt Gott, ob Er eine Mücke oder einen Elefanten erschaffet, und ob Er im endlosesten Lichtgewande der Sonnen oder in dem eines Bettlers Sich Seinen Geschöpfen offenbaret.

Was machte denn Christus mit all seinen Wunderwerken für einen Effekt bei den Juden? Sieh', nahe gar keinen, außer bei einigen für blind gehaltenen Fischern und Anverwandten, alle Uebrigen hielten ihn für einen Magier, Arzt und alles andere eher als für einen Gott; und doch war Er wirklich Gott Selbst."

01] Hierauf tritt einer dieser noch (geistig) toten Dynasten vor Mich und hin und sagt: "Du hast es vernommen, was jener Paulus und der alte R. von dir geredet haben. - Siehe, die Sache klingt selten und nahezu unglaublich; aber ich will mich an alledem nicht stoßen und komme daher zu dir, um von dir selbst zu vernehmen, ob am Zeugnisse des Paulus über dich im Grunde des Grundes etwas Wahres sei. - Ich will jenen guten Mann, der sonst viel Weisheit besitzt, gerade nicht als einen Lügner ansehen, da er mir dazu viel zu ehrlich aussieht. Aber gar leicht kann er für dich zu sehr eingenommen sein und dich deshalb in seiner zu starken Liebe zu dir rein vergöttern eine Erscheinung, die auf der Erde besonders bei den feurigeren Bewohnern des Südens tausendfach vorgekommen ist.

02] Ich aber will diesen guten Mann deshalb weder loben noch tadeln, daß er solches von dir aussagt; aber prüfen will ich die Geschichte denn doch, da es ja sogar geschrieben stehet, daß man alles prüfen und das Gute behalten solle. - Sage mir daher denn du selbst, was ich und wir alle von dir halten sollen! Kann Gott wohl in deinem Aufzuge Seinen Geschöpfen erscheinen? Und kann Gott, der Unendliche, überhaupt von Seinen Geschöpfen gesehen und gesprochen werden?"

03] Sage Ich: "Freund, du verlangest von Mir nicht Worte, sondern Taten! Handle Ich vor dir aber wie ein Mensch in seiner Ohnmacht, so wirst du sagen: »Das kann jedermann tun, ohne darum ein Gott zu sein!« - Tue Ich vor dir aber Ungewöhnliches, so wirst du Mich entweder für einen Magier oder für einen Naturgelehrten halten und sagen: »Das geht ganz natürlich zu, so man von den dazu erforderlichen Vorteilen die rechte Kenntnis und Praxis hat; und man ist deshalb noch lange kein Gott, so man auch anscheinende Wunder ans Tageslicht fördert!« - Würde Ich vor deinen Augen aber im Ernst eine Tat verrichten, deren ausschließlich nur ein Gott fähig sein kann, so würde sie dir aber dennoch nichts nützen, sondern nur ungemein schaden. Denn da wärest du zum zweiten Male gerichtet, und zwar sehr leicht zum ewigen Tode. Denn ein Gefesselter kann in Mein Reich, spricht der Herr, nicht eingehen! - Glaube also den Worten Pauli, so wirst du leben! Mehr von Mir sagen kann aber auch Ich vor dir nicht, da du noch lange nicht dazu reif bist!"

04] Sagt darauf der Dynast: "Du hast wohl recht; aber das sehe ich gerade nicht ein, warum und wie mir ein wirkliches Wunder, als eine von deiner sein-sollenden Gottheit zeugende Tat, schädlich, ja sogar tödlich sein oder werden soll! - Ist doch alles ein Wunder der Allmacht und Weisheit Gottes, was ich mur immer anschaue; und ich bin zunächst selber mir das größte. Und siehe, das alles bringt mich nicht ums Leben! Also, ob nun von Gott zu den zahllosen Wundern eines hinzukommt oder eines weniger wird, das sollte bei Gott denn doch eins und dasselbe sein. Denn mich berührt es wohl gar nicht, in welcher Gestalt die Gottheit Sich Ihren Geschöpfen zeigen und vor ihren Augen ein außergewöhnliches Werk wirken will. Ich werde dadurch in meinem Geiste dennoch ganz ungebunden bleiben und denken und handeln wie jetzt, wo ich von deiner Gottheit noch keine andere Überzeugung habe als die, daß ich daran glauben will oder kann.

05] Du kannst vor mir also tun, was du willst, und ich werde stets derselbe in meinem Tun und Lassen bleiben, der ich nun bin und allzeit war. Bist du Gott, so bin ich dein Geschöpf und werde eine große Freude haben, meinen Schöpfer persönlich kennenzulernen. - Bist du es aber nicht, nun, so werde ich dich für keinen schlechten Menschen, wohl aber für einen hie und da überspannten halten, und das wird hoffentlich weder dich noch mich bekümmern!

05a] Als ich noch Herrscher war, siehe, da kam einmal ein sonderbarer Mensch auf dem Wege einer erbetenen, besonderen Audienz zu mir. Und als ich ihn in meiner gewöhnlichen, jovialen (leutseligen) Weise fragte: »Was wollt Ihr von mir? Geld, Welt, Land, Sand, eine Ehrenstelle oder meine Seele? Wollt Ihr auf Erden ein Minister werden oder gar ein Hofnarr?« Da sagte er: »Ich bin der Gott Merkur und leiste große Wunderdinge! Wollt Ihr Gold? Es steht in meinem Sold! Wollt Ihr Perlen und Edelgestein, wollt Ihr Ambra und feinsten Wein? Wollt Ihr den Mond auf Erden? Es soll nach Wunsch Euch werden! Wollt Eure Feind Ihr sehen? Vor Euch sie sollen stehen! Wollt Frieden oder Krieg? Ich gebe Euch den Sieg!« - Daraus schwieg er, und ich sagte zu ihm: »Vor allem, Freund, ich muß es Euch gestehen, möcht ich allein nur meine Feinde sehen und wissen auch nach altem Brauch, was Ihr von mir verlangt dafür?« - Da sprach er: "Ihr seid der Herr, und Euer ist das Land! Gebt bloß den Glauben mir zum Lohn und Pfand!"

05b] Ich reichte ihm die Hand und sprach: »Wird Euch das Werk gelingen, und ich die Feinde bezwingen, dann soll an Euch den Glauben kein Wesen mir mehr rauben!« - Und er bat mich darauf, daß ich in einen großen Spiegel hineinsehen möchte. Ich tat es, und sieh, merkwürdig, übermerkwürdig! Ich ersah aus der Stelle ganz klar und deutlich eine große, mir wohlbekannte Menge derselben Menschen, die mir bekanntermaßen abhold waren und im geheimen fortwährend gegen mich wühlten. Und ich sah aber auch unter denen, die mich haßten, noch andere, die ich sonst für meine besten Freunde hielt! Das war mir doch etwas zu arg, und ich sagte darauf in großer Erregtheit meines Gemütes: »Wenn dir, mein Freund Merkur, schon wirklich irgendein göttlicher Funke innewohnt und du im Ernste daraus deine Macht ziehest, so schaffe mir diese Feinde vom Halse! Und was nur immer in meiner Macht steht, will ich dir darum tun.«

05c] Da sprach er: "Das soll geschehen, doch nicht auf eine übernatürliche Weise, sondern auf die natürlichste und zugleich angenehmste Weise von der Welt. Ihr veranstaltet ein großes Fest, aber lasset an der Decke Eures größten Speisesaales eine starke Öffnung machen und sehet, daß die Türen und Fenster wohl zu versperren sind. Lasset die Tafeln mit Speisen und Getränken bester Art reichlichst besetzen und vergesset nicht die Spieler, Gaukler und Pfeifer wie auch die Sänger und Harfner. Solange Ihr an der Tafel bei diesen Gästen sein werdet, soll die vollste Heiterkeit herrschen; aber nach ein paar Stunden lasset Ihr die Harfner, Spieler, Gaukler und Sänger abtreten. - Darauf entfernet auch Ihr Euch! - Lasset darauf die Saaldecke öffnen und vorerst einen Sphärengesang durch die Öffnung ertönen, darauf aber sogleich große Massen der allerwohlriechendsten Blüten wie Rosen und Hyazinthen durch die Öffnung über die Gäste ausschütten, dann diese Öffnung sowie alle Türen wohl schließen, und in einer Stunde werden die Feinde im Dufte dieser Blumenblüten ersticken.«

05d Darauf fragte ich den Merkur: »Und was verlangst du für diesen Rat?« - Und er sprach wieder: »Nichts als deinen Glauben!« - Ich aber sagte: »Was soll ich denn so ganz eigentlich von dir glauben?« - Und er erwiderte: »Daß ich in aller Wahrheit der Gott Merkur bin, dem du einen Tempel bauen sollst in großer Pracht! An Gold und andern Schätzen sollst du keinen Mangel haben; denn ich verstehe mich darauf, Schätze der ganzen Erde aus einen Punkt zusammenzubringen.« Ich aber sagte: »Du bist ein närrischer Kauz! Ziehe mir den Mond herab, wie du es sagtest, und ich will dir dein Verlangen erfüllen!« Da zog er einen runden Spiegel hervor, stellte ihn auf einen Tisch, der an einem offenen Fenster stand, durch das gerade der Mond hereinzuscheinen begann, da es schon sehr Abend geworden war. Er stellte mich in eine gewisse Entfernung vor den Spiegel, und - bei Gott und allen Heiligen! - ich sah den Mond, wie er ist, frei schwebend in meinem Audienzsaale, so natürlich wie er am Firmamente zu sehen ist.

5e] Und ich sagte darauf zu ihm: »Daß du etwas mehr bist als ein gewöhnlicher Mensch, das sehe ich nun schon ein und glaube fast, daß du so ein von Gott begabter Weiser bist, wie sie zu Zeiten die Erde getragen hatte; aber für einen vollkommenen Gott kann ich dich darum nicht halten, weil du dich bisher, um etwas zu bewirken, äußerer Mittel bedient hast. Sieh, ein Gott muß aus nichts eine Welt erschaffen können, ansonst er kein Gott ist! Du hast aber auch gesagt, daß du Gold und Edelsteine mir schaffen könnest, soviel als ich wolle. Also schaffe mir zum Beweise deiner Göttlichkeit aus nichts - Gold und Edelgestein!« - Da sagte aber der Merkur: »Meine Gottheit kannst du nicht schauen und danebst dein Leben behalten; darum darf ich vor dir denn auch kein unmittelbares Wunderwerk verrichten, da es dich töten würde. Mit den leichten äußerlichen, sozusagen nur bloßen Scheinmitteln aber verhülle ich meine Gottheit vor deinen sterblichen Augen. Ich will dir Gold und Edelgestein geben in aller Hülle und Fülle; aber dafür schaffe du mir her Eisen, guten Kalk und viel Kohle!"

05f] Ich ließ das alles sogleich herbeischaffen. - Er aber nahm alsdann aus einer Tasche ein Fläschchen und benetzte das Eisen mit einigen Tropfen von der Flüssigkeit, die er im Fläschchen hatte. Und siehe, das Eisen ward zu blankem Golde. Darauf legte er Kalk und Kohle in ein ziemlich großes Gefäß und begoß es mit einer andern Flüssigkeit aus einer andern großen Flasche; und es fing an zu zischen und zu brausen im Gefäße, und ein sonderbarer Geruch erfüllte bald den großen Saal. Er aber sagte: »Dieser Geruch sei unschädlich und ich möge nur eine halbe Stunde Geduld zu Hilfe nehmen.« - Ich tat seinem Verlangen Genüge, ging aber unterdessen dennoch in ein Nebenzimmer, da mir der Geruch doch etwas unangenehm war. Nach einer halben Stunde aber rief er mich; ich kam und sah im Ernste die schönsten Diamanten im Gefäße, darin früher Kalk und Kohle gelegt ward. Vom Kalke und von der Kohle aber war keine Spur mehr zu entdecken, und der Saal war vom besten Geruche erfüllt.

05g] Ich ließ sogleich meinen Hofjuwelier kommen und das Gold und die Edelsteine untersuchen. Und der Juwelier fand zu seinem größten Erstaunen alles echt. Das machte mich stutzen, und ich sagte bei mir selbst: Wahrlich, so dieser Wundermann nicht mehr ist als ein gewöhnlicher Mensch nur, so wird das sehr viel sein; denn so was ist mir noch nie vorgekommen! - Alle meine Hofchemiker und Apotheker machten große Augen und wußten sich die Sache nicht zu erklären und drangen in den Wundermann, daß er ihnen das Geheimnis kundtäte! Er aber sprach: »Das Geheimnis besteht in dem, daß ich ein Gott bin, ihr aber nur blinde, schwache und sterbliche Menschen!« - Da zuckten die Apotheker und die Chemiker mit den Achseln und sagten: »Ob du ein Gott oder ein Mensch seist, wäre nicht so schwer zu entscheiden. Man solle ihn töten wie einen Verbrecher, und der Tod würde da ein ganz unparteischer Richter sein. Stürbe er, so sei er auch (sicher) ein ganz gewöhnlicher Mensch; könnte man ihm aber den Tod nicht geben, dann wäre er offenbar ein Gott.«

05h] Er aber sagte: »Ersparet euch diese Probe an mir! Bedenket, daß es mit Göttern nicht gut ist, zu hadern oder zu scherzen! Denn ehe ihr es euch versehen möchtet, würdet ihr auch schon verwandelt sein in Asche und Staub!« - Da wollten ihn die Leute ergreifen; er aber verstieß sie wie Mücklein von sich und entschwand plötzlich aus dem Saale und ward nachher nicht mehr gesehen.

05i] Freund, das war doch eine sehr seltene Erscheinung! Und dennoch blieb ich, was ich war, und mein Glaube nahm keinen Zwang an. Ich dachte mir, es ist wohl möglich, daß du etwas mehr bist als ein gewöhnlicher Mensch; aber es ist auch möglich, daß du auf Kosten irgendeiner geheimen Wissenschaft, die uns fremd ist, dich als Gott uns aufdrängen willst, um auf diese Art dann ein Herrscher über die Herrscher zu werden - was dir dann freilich eine bessere Rechnung trüge, als so ich dich für deine Wundertaten noch so kaiserlich belohnen möchte. - Und so konnte ich diesen Gott recht gut ansehen samt seinen Wundern und dennoch dabei leben. - Warum nicht auch bei dir, mein geehrtester Freund?

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