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Kapitelinhalt 113. Kapitel: Rede des Grobians über die Entstellung der Religion durch das Priestertum.

Originaltext 1. Auflage 1898 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text nach 2. Aufl. 1929 Lorber-Verlag

01] „Daß wir Menschen nun aber so ganz unmenschlich dumm sind, besonders in den Dingen der Religion Christi, das kann uns kein Gott für übel nehmen. Denn die frühere Metternich'sche Regierung, die mit tausend mal tausend Spitzelaugen best versehene Polizei als rechter Arm der Camerilla, und endlich das mit ihr in bester Harmonie stehende hohe und niedere Pfaffenthum haben mit der lieben Lehre Christi ja doch so gewirthschaftet, daß es am Ende doch schon sogar dem letzten Sauhalter auf den Pußten Ungarns auffallen mußte, wie die vom größten Wohlleben strotzenden Diener der hl. Religion den andern Gläubigen und ditto getauften Bekennern der allein seligmachenden römisch-katholischen Kirche nichts so sehr an's Herz legten, als die liebe himmlische Armuth, Liebe, Geduld und den unbedingtesten Gehorsam, vorerst gegenüber der Kirche und ihren göttlichen (oder was?) Dienern, und dann aber auch gegen den Staat, in so ferne natürlich dieser die Sache der allein seligmachenden Kirche begünstige!

02] bin ich doch selbst zu öftern Malen mit den allereinfachsten Leutchen darüber zu reden gekommen, die solche Lumpereien ebenso gut wie Unsereiner beurtheilten, und daraus den Schluß machten und sagten: Die Religion sei nichts anderes, als ein schon in alten Zeiten fein ausgedachtes Mittel, die armen Menschen zu blenden, und sie durch höllische und himmlische Vorspieglungen, und durch allerlei auf diese beiden Bezug habenden Lügen und glänzenden Betrügereien dahin zu verhalten, daß diese dann aus Furcht vor der Hölle, oder aus großem Wunsche nach dem Himmel, für die arbeitsscheue Priesterkaste arbeiten, ihr die besten Bissen zubringen, und selbst aber schlechter leben sollen als der gemeinste Kettenhund, natürlich alles zur größeren Ehre Gottes (oder was?), woraus denn dann doch allerdeutlichst hervorginge, daß es entweder nie einen Jesus gegeben habe, oder so es schon einen gegeben habe, da kann Er doch unmöglich Gottes Sohn gewesen sein! Denn wenn man die erschaffene Einrichtung der Welt, die unendlich weise ist, betrachtet und erforschet, und daneben aber dann die löblichen Grundsätze der römisch-katholischen allein seligmachenden Religion, wo man so zu sagen ganz ohne Gedanken, so als schon ein quasi Vieh, alles glauben muß, wenn es auch noch so dumm und widersinnig wäre, wenn es nur vom Papste ausgehe, und wenn man dazu noch bekennen muß, daß nur sogestaltig die römische Lehre die allein rein christliche sei (?) - so muß man ja doch mit sogar verbundenen Augen sehen, daß derselbe Gott, Der die Erde mit allem, was auf ihr ist, und Sonne, Mond und alle die Sterne so höchst weise erschaffen hat, auf der andern Seite zur Erweckung und Belebung des Geistes der Menschen denn doch unmöglich eine Lehre könne gegeben haben, die sogar einem Sauhalter keine Ehre gemacht haben würde, so er sie erfunden und der Menschheit zu ihrer Beseligung gegeben hätte.

03] Siehe, Bruno, so filosofiren nun ganz einfache Leutchen, und das mit gutem Grunde; frage, wie sollen dann erst wir Gebildetere filosofiren und urtheilen, gegenüber den uns nur zu aufgedeckten Dummheiten, Lügen und schreiendsten Betrügereien der römisch-katholischen Kirche?! und in welch' einem Ansehen muß da erst der Stifter einer solchen Lehre stehen, die sich wie Wachs oder Gyps in alle erdenklichen Miß-Formen umwandeln läßt?!

04] Man sagt freilich: Das Papstthum sehe der reinen Christuslehre ebenso ähnlich als ein schmutziger Courir-Stiefel einer medizeischen Venus; aber das ändert mein Urtheil über's Christenthum und dessen Stifter nicht; denn was von Gott ausgeht, das kann keine menschliche Selbstsucht, und stellete sie sich darob auch auf den Kopf, nur im geringsten ändern; sie kann wohl Fruchtbäume veredeln, aber ihnen eine andere Form zu geben vermag sie nimmer, wie sie auch keinen Baum schlechter zu machen im Stande ist, als wie er als wild der Natur entstammt. Wäre sonach die Lehre Christi göttlich, da solle es doch mit allen Teufeln hergehen, daß daran die elende Menschheit etwas nach ihrem selbstsüchtigen Belieben zu ändern im Stande sein solle! Und solle es der Gottheit wirklich nur daran gelegen sein, durch eine Lehre von der vollsten Freiheit der Menschen eben den Menschen auch jene Conzession mit der Lehre gegeben zu haben, daß sie auch mit ihr nach ihrem Belieben Schindluder treiben mögen, wie sie wollen!? Dann Freund, adieu Gottheit! Denn dann muß es sogar ein Blinder einsehen, daß der Menschheit solch eine Lehre noch viel weniger nützt, als gar keine.

05] Ich meine aber: Vor einer rein göttlichen Lehre solle doch ein jeder Mensch, wie vor einer ausgehenden Sonne, die höchste Achtung und Ehrfurcht haben, und am allermeisten der Verkündiger und Ausbreiter solcher einzigen Lehre. So aber eben die Pfaffen gerade diejenigen es sind, die in der Wahrheit die reine Lehre Christi, die doch eine Gotteslehre sein solle, am wenigsten respektiren, sondern sie als ein reines Menschenwerk zu ihren herrsch- und selbstsüchtigsten Zwecken ummodeln, wie sie dieselbe am besten brauchen können, ja, man kann es sagen, nachgerade nur das schroffste Gegentheil von dem sind, als was die ursprüngliche Lehre gebietet, muß da nicht ein jeder nur einigermaßen hellerdenkende Mensch bei sich selbst also zu denken und zu schließen anfangen: Eine Lehre, die sogar von den Priestern keine Achtung in der That genießet, sondern blos nur durch äußere nichtssagende, die arme Menschheit mit aller Blindheit zu schlagen beflissene Ceremonie, kann nicht göttlich sein. Denn vor rein göttlichen Dingen hat sogar das Vieh eine Achtung; um wie viel mehr der mit Vernunft begabte Mensch.

06] Wer kann beim Anblicke der aufgehenden Sonne ohne Achtung vor der großen Gottheit dastehen, wen ergreift der Anblick hoher majestätischer Gebirge nicht? Wer kann ohne Achtung gleichgültig das Meer ansehen, und höhnisch lachen bei einem gewaltigsten Meeressturme? Wessen Brust wird nicht mächtig erschüttert beim mächtigen Rollen der Donner Gottes? Siehe, das sind göttliche Dinge, vor denen der stupideste und eigennützigste Pfaffe eben so vor Ehrfurcht bebet wie der gemeinste Sauhirte. Aber das seinsollende Wort Gottes ist ihm Pomade. Wie sieht es dann da mit der Göttlichkeit aus? Wenn das seinsollende Gotteswort aber den Pfaffen tatsächlich nichts als eine verkäufliche schlechte Pomade ist, was solle es dann uns Laien sein, die wir keine Doktoren der Gottesgelahrtheit sind, besonders so wir nur zu oft und zu klar zu der Einsicht durch die Thaten der Pfaffen ordentlich bei Haaren hingerissen werden, daß die Gotteslehre von Christo noch weniger als eine schlechte Pomade sein muß, ansonst sie doch unmöglich mit ihr solchen Mißbrauch treiben könnten.

07] So der Mensch auf diese Weise aber doch nothwendig vor solch einer Lehre einen Degout (Abscheu) bekommen muß, ist es dann etwa zu wundern, daß sich hernach ein jeder nur etwas über's gemeinste Leben erhebende Mensch aus den soliden Bedürfnissen seiner Natur Lebensregeln formet, und nach denselben vernünftig lebt, und alles mit Ziel und Maß genießet, was ihm die liebe und wahrhaftige Gottheit auf dem natürlichsten Wege zum Genusse darstellet.

08] Ich habe gegen die Grundsätze der reinen Urlehre Christi nichts einzuwenden; sie sind gut, und den gegenseitigen Bedürfnissen der Menschheit ganz naturgerecht angepasset; aber was nützt das, so man sie, um ein guter Katholik zu sein, sogar nicht einmal in ihrer Echtheit erkennen, geschweige denn erst anwenden kann und darf. Da die Gottheit aber doch sonst alles leitet, ordnet und erhält, was sie einmal geschaffen hat, sollte es Ihr denn nicht auch möglich sein, ihre eigne Lehre vor solchen Verwüstungen zu verwahren, wie es deren besonders in der römisch-katholischen Kirche nur leider - zu ungeheuer viele giebt (?!) wenn die Lehre wirklich aus ihrem Munde gleich der ganzen Schöpfung gekommen wäre? Wo aber ist eine solche Verwahrung ersichtlich? Freund! auf der ganzen Erde mir bekanntermaßen nirgends!

09] Wenn die Sache sich aber - sage - tatsächlich so und nicht anders verhält, da bitte ich, und wir Alle dich, zeige uns, wo es dann stecken mag, so die Lehre Christi etwa dennoch göttlich sein solle, daß sie vorerst gerade von Jenen, die ihre Göttlichkeit am tiefsten fühlen sollten, als eine barste Nullität betrachtet, und dann auf alle nur erdenklich mögliche Weise gemißbraucht wird, und darauf, als nothwendige Folge, dann natürlich auch bei allen ein wenig nur hellersehenden Menschen in Mißkredit kommt.

10] Rede! und erweise uns die Göttlichkeit der Lehre Christi; alsdann wollen wir dir aber auch Alles aufs Wort glauben, was du uns nur immer von den Pflichten, die Gott durch Seine Lehre von den Menschen zu ihrem eignen Besten fordert, versagen wirst; und haben wir je dawider gesündiget, so wollen wir gerne unsere Sünden bereuen, und womöglich abbüßen - sogar mehr als alle Ignatius von Lojola, wenn es sein müßte!

11] Aber natürlich müßtest du uns auch beweisen, daß der Mensch ohne Gesetze auch sündigen kann. Wir aber hatten als hellerdenkende Menschen aus übersichtlichen Gründen nothwendig kein, und am wenigsten ein positives göttliches Gesetz, außer das in unserer Natur, das wir auch stets beobachtet haben, und konnten daher auch keines befolgen. Bitte nun, Freund, so du Lust hast zu reden, so rede! sonst aber lasse uns gehen, dahin uns unsere Sinne den geraden Weg weisen werden!"

01] Spricht der Grobian weiter: "Daß wir Menschen nun aber so ganz unmenschlich dumm sind, besonders in den Dingen der Religion Christi, das kann uns kein Gott für übel nehmen! Denn die frühere Metternichsche Regierung, die mit tausendmal tausend Spitzelaugen best versehene Polizei als rechter Arm der Kamarilla (einflußreiche Hofpartie) und endlich das mit ihr in bester Harmonie stehende hohe und niedere Pfaffentum haben mit der lieben Lehre Christi ja doch so gewirtschaftet, daß es am Ende sogar dem letzten Sauhalter auf den Pußten Ungarns auffallen mußte, wie die vom größten Wohlleben strotzenden Diener der hl. Religion den anderen Gläubigen und getauften Bekennern der alleinseligmachenden römisch-katholischen Kirche nichts so sehr ans Herz legten als die liebe himmlische Armut, Liebe, Geduld und den unbedingtesten Gehorsam, vorerst gegenüber der Kirche und ihren göttlichen (oder was?) Dienern, und dann aber auch gegen den Staat, insoferne natürlich dieser die Sache der alleinseligmachenden Kirche begünstigt!

02] Bin ich doch selbst zu öfteren Malen mit den allereinfachsten Leutchen darüber zu reden gekommen, die solche Lumpereien ebenso gut wie unsereiner beurteilten und daraus den Schluß machten und sagten: die Religion sei nichts anderes, als ein schon in alten Zeiten fein ausgedachtes Mittel, die armen Menschen zu blenden und sie durch höllische und himmlische Vorspiegelungen und durch allerlei auf diese beiden Bezug habende Lügen und glänzende Betrügereien dahin zu verhalten, daß diese dann aus Furcht vor der Hölle oder aus großem Wunsche nach dem Himmel für die arbeitsscheue Priesterkaste arbeiten, ihr die besten Bissen zubringen und selbst aber schlechter leben sollen als der gemeinste Kettenhund - natürlich alles zur größeren Ehre Gottes (oder was?)? - woraus denn dann doch allerdeutlichst hervorgehe, daß es entweder nie einen Jesus gegeben habe, oder, so es schon einen gegeben habe, daß er doch unmöglich Gottes Sohn gewesen sein kann! Denn wenn man die erschaffene Einrichtung der Welt, die unendlich weise ist, betrachtet und erforscht und daneben aber dann die löblichen Grundsätze der alleinseligmachenden römisch-katholischen Religion sich vorstellt, wonach man sozusagen ganz ohne Gedanken als schon ein quasi Vieh alles glauben muß, wenn es auch noch so dumm und widersinnig wäre, aber nur vom Papste ausgehe - und wenn man dazu noch bekennen muß, daß nur sogestaltig die römische Lehre die rein christliche sei - so muß man ja doch sogar mit verbundenen Augen sehen, daß derselbe Gott, der die Erde mit allem was auf ihr ist und Sonne, Mond und alle die Sterne so höchst weise erschaffen hat, auf der andern Seite zur Erweckung und Belebung des Geistes der Menschen denn doch unmöglich eine Lehre gegeben haben kann, die sogar einem Sauhalter keine Ehre gemacht haben würde, so er sie erfunden und der Menschheit zu ihrer Beseligung gegeben hätte.

03] Siehe, Bruno, so philosophieren nun ganz einfache Leutchen, und das mit gutem Grunde! Frage, wie sollen dann erst wir Gebildetere philosophieren und urteilen gegenüber den uns nur allzu aufgedeckten Dummheiten, Lügen und schreiendsten Betrügereien der römisch-katholischen Kirche?! Und in welch einem Ansehen muß da erst der Stifter einer solchen Lehre stehen, die sich wie Wachs oder Gips in alle erdenklichen Mißformen umwandeln läßt?!

04] Man sagt freilich: Das Papsttum sehe der reinen Christuslehre ebenso ähnlich wie ein schmutziger Kurierstiefel einer mediceischen Venus. Aber das ändert mein Urteil übers Christentum und dessen Stifter nicht. Denn was von Gott ausgeht, das kann keine menschliche Selbstsucht, und stellete sie sich darob auch auf den Kopf, nur im geringsten ändern; sie kann wohl Fruchtbäume veredeln, aber ihnen eine andere Form zu geben, vermag sie nimmer, wie sie auch keinen Baum schlechter zu machen imstande ist, als wie er als wild der Natur entstammt. Wäre sonach die Lehre Christi göttlich, da müßte es doch mit allen Teufeln hergehen, daß daran die elende Menschheit etwas nach ihrem selbstsüchtigen Belieben zu ändern imstande sein sollte! Und sollte es der Gottheit wirklich nur daran gelegen sein, mit der Lehre von der vollsten Freiheit der Menschen, den Menschen auch die Erlaubnis zu geben, nach ihrem Belieben mit der Lehre Schindluder zu treiben!? Dann Freund, adieu Gottheit! Denn dann muß es sogar ein Blinder einsehen, daß der Menschheit solch eine Lehre noch viel weniger nützt als gar keine!

05] Ich meine aber, vor einer rein göttlichen Lehre sollte doch ein jeder Mensch wie vor einer aufgehenden Sonne die höchste Achtung und Ehrfurcht haben, und am allermeisten der Verkündiger und Ausbreiter solcher einzigen Lehre. So aber eben die Pfaffen gerade diejenigen sind, die in der Wahrheit die reine Lehre Christi, die doch eine Gotteslehre sein soll, am wenigsten respektieren, sondern sie als ein reines Menschenwerk zu ihren herrsch- und selbstsüchtigsten Zwecken, wie sie dieselbe am besten brauchen können ummodeln - ja, (wenn die Priester) man kann es (ruhig) sagen, nachgerade nur das schroffste Gegenteil von dem sind, was die ursprüngliche Lehre gebietet - muß da nicht ein jeder nur einigermaßen hellerdenkeude Mensch bei sich selbst also zu denken und zu schließen anfangen: Eine Lehre, die sogar von den Priestern keine Achtung in der Tat genießt, sondern bloß nur durch äußere, nichtssagende, die arme Menschheit geflissentlich mit aller Blindheit schlagende Zeremonie betätigt wird - kann nicht göttlich sein! Denn vor rein göttlichen Dingen hat sogar das Vieh eine Achtung; um wieviel mehr der mit Vernunft begabte Mensch.

06] Wer kann beim Anblicke der aufgehenden Sonne ohne Achtung vor der großen Gottheit dastehen!? Wen ergreift der Anblick hoher majestätischer Gebirge nicht!? Wer kann ohne Achtung gleichgültig das Meer ansehen und höhnisch lachen bei einem gewaltigsten Meeressturme!? Wessen Brust wird nicht erschüttert beim mächtigen Rollen der Donner Gottes!? Siehe, das sind göttliche Dinge, vor denen der stupideste und eigennützigste Pfaffe ebenso vor Ehrfurcht bebet wie der gemeinste Sauhirte! Aber das seinsollende Wort Gottes ist ihm Pomade! Wie sieht es denn da mit der Göttlichkeit aus? - Wenn das seinsollende Gotteswort aber den Pfaffen tatsächlich nichts als eine verkäufliche schlechte Pomade ist, was soll es dann uns Laien sein, die wir keine Doktoren der Gottesgelehrtheit sind, besonders so wir nur zu oft und zu klar durch die Taten der Pfaffen ordentlich bei den Haaren zu der Einsicht hingerissen werden, daß die Gotteslehre von Christo noch weniger als eine schlechte Pomade sein muß, ansonst sie doch unmöglich mit ihr solchen Mißbrauch treiben könnten.

07] So der Mensch auf diese Weise aber doch notwendig vor solch einer Lehre einen Degout (Abscheu) bekommen muß, ist es dann etwa zu wundern, daß sich hernach ein jeder nur etwas übers gemeinste Leben erhabene Mensch aus den soliden Bedürfnissen seiner Natur Lebensregeln formt, nach denselben vernünftig lebt und alles mit Ziel und Maß genießt, was ihm die liebe und wahrhaftige Gottheit auf dem natürlichsten Wege zum Genusse darstellt.

08] Ich habe gegen die Grundsätze der reinen Urlehre Christi nichts einzuwenden; sie sind gut und den gegenseitigen Bedürfnissen der Menschheit ganz naturgerecht angepaßt. Aber was nützt das, so man sie, um ein guter Katholik zu sein, sogar nicht einmal in ihrer Echtheit erkennen, geschweige denn erst anwenden kann und darf. Da die Gottheit aber doch sonst alles leitet, ordnet und erhält, was Sie einmal geschaffen hat, sollte es Ihr denn nicht auch möglich sein, Ihre eigene Lehre, wenn sie wirklich gleich der ganzen Schöpfung aus Ihrem Munde gekommen wäre, vor solchen Verwüstungen zu bewahren, wie es deren besonders in der römisch-katholischen Kirche nur leider zu ungeheuer viele gibt? Wo aber ist eine solche Verwahrung ersichtlich? Freund, auf der ganzen Erde mir bekanntermaßen nirgends!

09] Wenn die Sache sich aber tatsächlich so und nicht anders, verhält, da bitten wir alle dich, zeige uns, wo es dann stecken mag, so die Lehre Christi etwa dennoch göttlich sein sollte, daß sie zuerst gerade von jenen, die ihre Göttlichkeit am tiesten fühlen sollten, als eine barste Nullität betrachtet und auf alle nur erdenkliche Weise gemißbraucht wird und daraus natürlich auch bei allen etwas hellersehenden Menschen in Mißkredit kommt.

10] Rede und erweise uns die Göttlichkeit der Lehre Christi; alsdann wollen wir dir aber auch alles aufs Wort glauben, was du uns nur immer von den Pflichten vorsagen wirst, die Gott durch Seine Lehre von den Menschen zu ihrem eigenen Besten fordert. Und haben wir je dawider gesündigt, so wollen wir gerne unsere Sünden bereuen und womöglich abbüßen - sogar wie Ignatius von Lojola, wenn es sein müßte!

11] Aber natürlich müßtest du uns auch beweisen, daß der Mensch auch ohne Gesetze sündigen kann. Wir aber hatten als hellerdenkende Menschen aus obenersichtlichen Gründen notwendig kein, und am wenigsten ein positives, göttliches Gesetz außer das in unserer Natur, das wir auch stets beachtet haben - und konnten daher auch keines befolgen. Bitte nun, Freund, so du Lust hast zu reden, so rede! Sonst aber laß uns gehen, wohin uns unsere Sinne den geraden Weg weisen werden!"

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