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Kapitelinhalt 54. Kapitel: Jellinek beweist seinen Freunden das Dasein und Walten Gottes aus dem Buche der Natur. Näheres über die Gottheit könne der Mensch aber niemals fassen und begreifen. (Am 3. März 1849)

Originaltext 1. Auflage 1898 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text nach 2. Auflage 1929 Lorber-Verlag

Versnummerierung nach 3. Aufl. 1963, Lorber-Verlag

01] Spricht Jell.: „Bis auf dein Fatum, ganz vollkommen einverstanden, in Allem! Aber mit deinem Fatum scheint es, weißt du, wie es die Wiener sagen, einen Faden zu haben, und das einen sehr bedeutenden!"

02] Spricht Mess. fragend: „Wie so? erkläre dich darüber deutlicher!"

03] Spricht Jell.: „Nur eine kleine Geduld, mein lieber Bruder M.; denn weißt du, so was läßt sich nicht so gleich wie mir und dir nichts aus dem Aermel herausbeuteln! aber ich will es dennoch versuchen, dir dein leidiges Fatum ein wenig aus deinem Kopfe herauszutreiben.

04] Siehe, du warst dein ganzes Leben lang nur ein Mensch, der sich nie viel mit der höheren Sfäre der Wissenschaften abgegeben hat; du warst so zu sagen schon mit dem Ein-mal-Eins zufrieden, und kümmertest dich wenig oder nie um die höhere Mathematik! - du weißt schon, was ich mit dieser Anspielung sagen will? - kurz und gut, du warst ein Schalen- oder Hülsengelehrter, als Belletrist, und hast dich wenig um den Kern der Wissenschaften bekümmert; daher kam es denn auch, daß dir das innere Wesen der Dinge verschlossen bleiben mußte; weil dir aber dieses Wesen verschlossen blieb, so konntest du auch nie jene wohlbegründete Einsicht bekommen, in der sich dir eine gar wunderbar wohl berechnete Ordnung in all den Dingen und ihren Wirkungen und Gegenwirkungen beschaulich dargestellet hätte, - und so bliebst du nur an der äußeren Rinde kleben, die freilich wohl dem ersten Anscheine nach das Aussehen hat, als wäre sie blos nur des leidigen Zufalles Werk. Aber es ist dem nicht also, sondern ganz anders!

05] Sage mir Bruder, hast du schon einmal erlebt, daß so irgendwo aus bloßem Zufall ein Haus mit allen seinen Einrichtungen entstanden ist? Du sprichst: Nein, so was sei noch nie geschehen! - Gut, sage ich; wenn der Zufall aber nicht einmal ein dummes Haus zuwege bringen kann, wie solle er eine ganze Erde erschaffen können, auf der wir doch der wohlberechnetsten Wunderdinge in einer Unzahl antreffen, von denen das allereinfachste schon eine viel zu tief durchdachte und weiseste Konstruktion aufweiset, als daß man nur von ferne hin sogar mit verbundenen Augen auf die Muthmaßung kommen könnte, zu behaupten und zu sagen: Das ist ein Werk des stummen und so zu sagen des blindesten Fatums! - Bruder, du giebst mir recht, und das freut mich; aber höre mich nur noch ein wenig weiter an!

06] Betrachte du nun aber erst die wunderbarsten Einrichtungen der Pflanzen! Wie strenge und genau sie in ihrer einmal gestellten Form durch Jahrtausende als stets dieselben vorkommen, und ihr Geschlecht und ihre Tauglichkeit auch nicht um ein Atom ändern. Wie unberechenbar kunstvoll muß schon die blos nur mechanische Konstruktion eines Samenkornes sein, der zufolge es aus der Erde nur die ihm zusagenden Theile an sich zieht, durch die es sich dann wieder und zwar allzeit vervielfältigt regenerirt! - Von dem übersinnlichen Wesen eines Samenkornes will ich eigentlich gar nichts reden; denn wer begreift jene rein göttliche Berechnung, der zufolge ein einziges Samenkörnchen zahllose Myriaden seines Gleichen in sich faßt, und das nicht nur in der Form des Samenkornes, sondern auch in der Form der Pflanze, auf der das Samenkorn reift.

07] Nehme an nur eine Eichelnuß! setze sie ins Erdreich, so wird in Kürze ein ganzer Eichbaum zum Vorscheine kommen, und dieser wird dir dann durch viele Jahre hindurch eine unzählbare Menge Eichelnüsse abgeben; wenn du alle diese Nüsse wieder in die Erde legst, so wirst du schon einen Wald von vielen Millionen Eichbäumen haben, die dir alle die gleichen Früchte erzeugen werden, in einer dir nimmer berechenbaren Vielheit! Und siehe, das alles liegt wunderbarst in einer jeden Eichelnuß vor unseren Blicken verborgen, und ist doch unleugbar da! Wenn aber so, o sage mir dann, ob ein Fatum eine Eichelnuß wohl also einzurichten vermag?"

08] Spricht Mess.: „Bruder J., wahrlich, ich muß es dir sagen, daß du ein ganzer Theosof bist! Dein ganz schlichter Beweis mit der Eichelnuß hat mir mehr gesagt, als alle die gelehrten Frasen, mit denen ich je auf der Erde meinen Gehirnkasten belästiget habe! - Von der totalen Nichtigkeit eines Fatums bin ich nun total und geläutertsten Erkenntnisses überzeugt, und ich brauche wahrlich weiter gar nichts mehr; denn dein Beweis war ein schlagender für mich; aber nun kommt was Anderes.

09] Einen Gott voll der höchsten Urmacht und Weisheit muß es sonach geben; das kann mein Gemüth und all mein Verstand ewig nimmer in eine Abrede stellen! - aber wo und Wer ist dieses Gottwesen? Kann es von einem Geschöpfe je erschauet und begriffen werden?! - Ich kann mich noch gar wohl entsinnen, wie ich noch als Studirender in der fünften Gymnasialklasse die sogenannte biblische Geschichte habe zu studiren gehabt, und da einen Text gefunden habe, und so ich mich nicht irre, etwa wohl in einem der fünf Bücher Mosis; dieser Text lautete: Gott kann Niemand sehen, und leben zugleich! - Dieser ominöse Text solle dem Moses aus einer Feuerwolke zugerufen worden sein, als er an die mit ihm redende Gottheit das heißeste Verlangen stellte, Selbe nicht nur zu hören, sondern auch zu schauen. Ich muß dir aufrichtig bekennen, daß ich eben zufolge dieses Textes wohl noch immer einerseits so einen gewissen halben Glauben an die Gottheit behielt; aber was dann den Glauben betrifft, daß der gewisse Jesus die Fülle der Gottheit in sich fassen solle? da muß ich euch, meinen beiden liebsten Freunden, ganz offen bekennen, daß ich darin ein reinster Atheist war, und respektive es noch bin.

10] Es hat zwar die reine Lehre Jesu, natürlich getrennt von den ihr beigemischten Wundermärchen, wahrhaftig die alleredelsten und allerrichtigsten, mit der Natur der Menschen vollkommen übereinstimmenden Grundsätze, gegen die sich gar nichts einwenden läßt; es setzt wahrlich einen vollkommensten Antropologen (Menschenkenner und Lehrer) voraus, um solche allgemeinst praktiktable Grundsätze aufstellen zu können; aber daß der Erfinder solcher Grundsätze darum auch ein Gott sein solle, weil er aus dem klar vorliegenden Bedürfnisse der Menschen moralische Grundsätze, die sich mit der allgemeinen Natur der Menschheit am besten vertragen, abstrahirt, zusammengestellt, und endlich gelehret hat, das geht über allen Horizont meines Wissens und Glaubens! -

11] Die Lehre für sich kann also ganz gut blos nur menschlichen Ursprunges sein, und benöthigt keines Gottwesens; denn so jeder richtigen Lehre Urheber ein Gott sein müßte, da müßte es nun schon beinahe wimmeln vor lauter Göttern auf der Erde! Euklides, als der Erfinder der geometrischen Figuren, eine der wichtigsten Erfindungen, wäre ein Gott; der Erfinder der Ackergeräthschaften, die von unberechenbarer Wichtigkeit sind, wäre schon eine Art Gott Vater; der Erfinder der Zahlen ditto; der Erfinder der Schiffe ebenfalls ein Gott; und so noch zehntausend und mehr andere allerartige Erfinder von den verschiedensten nützlichsten Dingen! Wie aber das ganze Heer von allerlei Erfindern von gleich großen wichtigen und nützlichen Dingen nie noch auf eine Vergötterung Anspruch machten, also glaube ich, daß der Erfinder der besten und einfachsten Moral wohl auch darauf hatte Verzicht leisten können. Meines Wissens hat er auf die lächerliche Vergöttlichung wohl nie einen Anspruch gemacht; so aber in jener Zeit kurzsichtige und sehr abergläubige Menschen aus ihm einen Gott machten, weil er 1000 Male gescheidter war als sie, so solle uns das nun nicht mehr beirren, Jesum nicht mehr lächerlicherweise für einen Gott, sondern nur als das, was er wirklich war, zu halten! - denn ich glaube, daß die gegenwärtige Menschheit es endlich doch einmal einsehen solle, daß das Unendliche niemals endlich werden kann; daß Gott ewig Gott bleibt, und der beschränkte Mensch nur ein beschränkter Mensch.

12] Doch es lohnt sich hier wahrlich nicht der Mühe, viele Worte darüber zu machen, was gegenwärtig bei allen Grundgelehrten als eine ausgemachte Sache betrachtet wird; aber was ich früher bemerkt habe, nehmlich das: wo und wer (?) so ganz eigentlich die Gottheit ist, Deren Dasein ich nun durchaus nimmer bezweifeln kann, darüber saget mir etwas, ihr meine beiden lieben Freunde!"

13] Spricht Jell.: „Ja, du mein liebster Bruder M., das ist eine ganz verzweifelt kitzliche Sache! Das Wo und das Wer werden wir wohl wahrscheinlich eben so wenig herausbringen, als wie du soeben selbst recht trefflich als Gegenbeweis für die Gottheit Jesu gesagt hast, daß nehmlich das Unendliche niemals endlich werden kann! - denn so wir endliche Wesen das unendliche Wesen der Gottheit begreifen wollten, da müßten wir es zuvor endlich machen können, was natürlich ganz vollkommen unmöglich ist; und ebenso scheint es mir auch vollkommen unmöglich zu sein, von dem unendlichen Gottwesen mehr zu wissen und zu begreifen, als was ich dir früher durch das Beispiel der Eichelnuß gezeiget habe! - Ich bin nun der Meinung, wir sollen uns nun mit etwas Anderem abzugeben anfangen; denn im Punkte der Gottheit werden wir alle Drei ganz verzweifelt wenig herausbringen! - ?"

14] Spricht Becher: „Ja, ja, du hast ganz vollkommen recht; denn die Gottheit ergründen wollen, heißt wahrlich, wie eine alte aber recht gelungene Kirchenfabel sagt, das Meer in eine hohle Nuß einfassen wollen! Lassen wir daher dieses Feld, das kein Ende und kein Absehen hat, und fangen wir von etwas Anderem zu parliren an; z. B. was etwa unser Freund, der Blum, in dieser Welt, oder was etwa unser Erzfeind, der Windischgrätz, auf der Erde nun macht? und ob er nicht etwa auch bald zu uns herüber kommen wird? wo wir ihn ganz gebührend empfangen würden!"

15] Spricht Jell.: „Brüder, was unsern Freund, den samt uns armen Blum betrifft, ja, da bin ich gleich dabei; aber mit dem Alfredius W. verschonet mich; denn diesen Tiger wünsche ich wohl ewig nimmer zu Gesichte zu bekommen! Aber horchet! horchet! mir kommt es vor, als vernehme ich noch mehrere Menschenstimmen außer der Thüre, die nun offen stehet! Erheben wir uns einmal von diesem unserem Disputir-Tische, und begeben uns zur Thüre, um zu sehen, was es etwa außer derselben giebt."

01] Spricht Jellinek: "Bis auf dein Fatum ganz vollkommen einverstanden in allem! Aber mit deinem Fatum, weißt du, scheint es, wie die Wiener sagen, einen Faden zu haben, und das einen sehr bedeutenden!"

02] Spricht Messenhauser fragend: "Wieso? erkläre dich darüber deutlicher!"

03] Spricht Jellinek: "Nur eine kleine Geduld, mein lieber Bruder Messenhauser! Denn weißt du, so was läßt sich nicht sogleich wie mir nichts, dir nichts aus dem Ärmel herausbeuteln! Aber ich will es dennoch versuchen, dir dein leidiges Fatum ein wenig aus deinem Kopfe herauszutreiben.

04] Siehe, du warst dein ganzes Leben lang nur ein Mensch, der sich nie viel mit der höheren Sphäre der Wissenschaften abgegeben hat. Du warst sozusagen schon mit dem Einmaleins zufrieden und kümmertest dich wenig oder nie um die "höhere Mathematik!" - Du weißt schon, was ich mit dieser Anspielung sagen will? Kurz und gut, du warst als Belletrist (Unterhaltungsschriftsteller, Schöngeist) ein Schalen- oder Hülsengelehrter und hast dich wenig um den Kern der Wissenschaften bekümmert. Daher kam es denn auch, daß dir das innere Wesen der Dinge verschlossen bleiben mußte. Weil dir aber dieses Wesen verschlossen blieb, so konntest du auch nie jene wohlbegründete Einsicht bekommen, in der sich dir eine gar wunderbar wohlberechnete Ordnung in all den Dingen und ihren Wirkungen und Gegenwirkungen beschaulich dargestellt hätte. Und so bliebst du nur an der äußern Rinde kleben, die freilich wohl dem ersten Anscheine nach das Aussehen hat, als wäre sie bloß nur des leidigen Zufalles Werk. Aber es ist dem nicht also, sondern ganz anders!

05] Sage mir, Bruder, hast du schon einmal erlebt, daß irgendwo ein Haus mit allen seinen Einrichtungen aus bloßem Zufall entanden ist? - Du sprichst: "Nein, so was ist noch nie geschehen!« - Gut, sage ich! Wenn der Zufall aber nicht einmal ein dummes Haus zuwege bringen kann, wie soll er eine ganze Erde erschaffen können, aus der wir doch die wohlberechnetsten Wunderdinge in einer Unzahl antreffen, von denen das allereinfachste schon eine viel zu tief durchdachte und weiseste Konstruktion ausweist, als daß man nur von ferne hin, sogar mit verbundenen Augen, aus die Mutmaßung kommen könnte, zu behaupten und zu sagen: Das ist ein Werk des stummen und sozusagen blindesten Fatums! Bruder, du gibst mir recht, und das freut mich! Aber höre mich nur noch ein wenig weiter an!

06] Betrachte du nun erst die wunderbarsten Einrichtungen der Pflanzen! Wie strenge und genau sie in ihrer einmal gestellten Form durch Jahrtausende als stets dieselben vorkommen und ihr Geschlecht! und ihre Tauglichkeit auch nicht um ein Atom ändern. Wie unberechenbar kunstvoll muß schon die bloß nur mechanische Gestaltung eines Samenkornes sein, derzufolge es aus der Erde nur die ihm zusagenden Teile an sich zieht, durch die es sich dann wieder, und zwar allzeit vervielfältigt, fortpflanzt! Von dem übersinnlichen Wesen eines Samenkornes will ich gar nichts reden! Denn wer begreift jene rein göttliche Berechnung, derzufolge ein einziges Samenkörnchen zahllose Myriaden seinesgleichen in sich faßt, und das nicht nur in der Form des Samenkornes, sondern auch in der Form der Pflanze, aus der das Samenkorn reift!

07] Nehme nur eine Eichelnuß an! Setze sie ins Erdreich, so wird in Kürze ein ganzer Eichbaum zum Vorscheine kommen, und dieser wird dir dann viele Jahre hindurch eine unzählbare Menge Eichelnüsse abgeben. Wenn du alle diese Nüsse wieder in die Erde legst, so wirst du schon einen Wald von vielen Millionen Eichbäumen haben, die dir alle die gleichen Früchte in einer dir nimmer berechenbaren Vielheit erzeugen werden! Und siehe, das alles liegt wunderbarst in einer jeden Eichelnuß vor unseren Blicken verborgen und ist doch unleugbar da! Wenn aber so, o sage mir dann, ob ein Fatum eine Eichelnuß wohl also einzurichten vermag?"


08] Spricht Messenhauser: "Bruder Jellinek, wahrlich, ich muß es dir sagen, daß du ein ganzer Theosoph bist! Dein ganz schlichter Beweis mit der Eichelnuß hat mir mehr gesagt als alle die gelehrten Redensarten, mit denen ich je auf der Erde meinen Gehirnkasten belästigt habe! Von der völligen Nichtigkeit eines Fatums bin ich nun gänzlich und mit geläutertster Erkenntnis überzeugt, und ich brauche weiter gar nichts mehr. Denn dein Beweis war ein schlagender für mich, aber nun kommt etwas anderes:

09] Einen Gott voll der höchsten Urmacht und Weisheit muß es sonach (zwar) geben - das kann mein Gemüt und all mein Verstand ewig nimmer in Abrede stellen! Aber wo und wer ist dieses Gottwesen? Kann es von einem Geschöpfe je erschaut und begriffen werden?! - Ich kann mich noch gar wohl entsinnen, wie ich noch als Studierender in der fünsten Gymnasialklasse die sogenannte biblische Geschichte habe zu studieren gehabt und da - so ich mich nicht irre, etwa wohl in einem der fünf Bücher Mosis einen Text gefunden habe. Dieser Text lautete: Gott kann niemand sehen und leben zugleich! Dieser bedeutsame Text soll dem Moses aus einer Feuerwolke zugerufen worden sein, als er an die mit ihm redende Gottheit das heißeste Verlangen stellte, dieselbe nicht nur zu hören, sondern auch zu schauen. Ich muß dir aufrichtig bekennen, daß ich eben zufolge dieses Textes wohl noch immer einerseits so einen gewissen halben Glauben an die Gottheit behielt. Aber was dann den Glauben betrifft, daß der gewisse Jesus die Fülle der Gottheit in sich fassen solle da muß ich euch, meinen beiden liebsten Freunden, ganz offen bekennen, daß ich darin ein reinster Atheist war und noch bin.

10] Es hat zwar die reine Lehre Jesu, natürlich getrennt von den ihr beigemischten Wundermärchen, wahrhaftig die alleredelsten und allerrichtigsten mit der Natur der Menschen vollkommen übereinstimmenden Grundsätze, gegen die sich gar nichts einwenden läßt. Es setzt wahrlich einen vollkommensten Anthropologen (Menschenkenner) voraus, um solche allgemeinst praktikable (brauchbare) Grundsätze aufstellen zu können! Aber daß der Erfinder solcher Grundsätze darum auch ein Gott sein solle, weil er aus dem klar vorliegenden Bedürfnisse der Menschen moralische Grundsätze, die sich mit der allgemeinen Natur der Menschheit am besten vertragen, abstrahiert, zusammengestellt und endlich gelehret hat - das geht über allen Horizont meines Wissens und Glaubens!

11] Die Lehre für sich kann also ganz gut bloß nur menschlichen Ursprunges sein und benötigt keines Gottwesens. Denn so jeder richtigen Lehre Urheber ein Gott sein müßte, da müßte es nun schon beinahe wimmeln vor lauter Göttern auf der Erde! Euklides, als der Erfinder der geometrischen Figuren (einer der wichtigsten Erfindungen), wäre ein Gott! Der Erfinder der Ackergerätschaften, die von unberechenbarer Wichtigkeit sind, wäre schon eine Art Gott-Vater! Der Erfinder der Zahlen ditto! Der Erfinder der Schiffe ebenfalls ein Gott! Und so noch zehntausend und mehr andere allerartige Erfinder von den verschiedensten nützlichsten Dingen! Wie aber das ganze Heer von allerlei Erfindern von gleich großen, wichtigen und nützlichen Dingen nie noch auf eine Vergötterung Anspruch machte, also glaube ich, daß auch der Erfinder der besten und einfachsten Moral wohl darauf hat Verzicht leisten können. Meines Wissens hat er aus die lächerliche Vergöttlichung wohl nie einen Anspruch gemacht. So aber in jener Zeit kurzsichtige und sehr abergläubige Menschen aus ihm einen Gott machten, weil er tausendmal gescheiter war als sie, so soll uns das nun nicht mehr beirren, Jesus nicht mehr lächerlicherweise für einen Gott, sondern nur als das, was er wirklich war, zu halten! Denn ich glaube, daß die gegenwärtige Menschheit es endlich doch einmal einsehen sollte, daß das Unendliche niemals emdlich werden kann; daß Gott ewig Gott bleibt, und der beschränkte Mensch nur ein beschränkter Mensch.

12] Doch es lohnt sich hier wahrlich nicht der Mühe, viele Worte darüber zu machen, was gegenwärtig bei allen Grundgelehrten als eine ausgemachte Sache betrachtet wird. - Aber, was ich früher bemerkt habe, nämlich das: Wo und wer so ganz eigentlich die Gottheit ist, deren Dasein ich nun durchaus nimmer bezweifeln kann darüber saget mir etwas, ihr meine beiden lieben Freunde!"

13] Spricht Jellinek: "Ja, du mein liebster Bruder Messenhauser, das ist eine ganz verzweifelt kitzliche Sache! Das Wo und das Wer werden wir wohl wahrscheinlich ebensowenig herausbringen, als wie du soeben selbst recht trefflich als Gegenbeweis für die Gottheit Jesu gesagt hast, daß nämlich das Unendliche niemals endlich werden kann! Denn so wir endliche Wesen das unendliche Wesen der Gottheit begreifen wollten, da müßten wir es zuvor endlich machen können, was natürlich ganz Vollkommen unmöglich ist, und ebenso scheint es mir auch vollkommen unmöglich zu sein, von dem unendlichen Gottwesen mehr zu wissen und zu begreifen, als was ich dir früher durch das Beispiel der Eichelnuß gezeigt habe! Ich bin der Meinung, wir sollten uns nun mit etwas anderem abzugeben anfangen. Denn im Punkte der Gottheit werden wir alle drei ganz verzweifelt wenig herausbringen."

14] Spricht Becher: "Ja, ja, du hast ganz vollkommen recht! Denn die Gottheit ergünden wollen, heißt wahrlich, wie eine alte, aber recht gelungene Kirchenfabel sagt: das Meer in eine hohle Nuß einfassen wollen! - Lassen wir daher dieses Feld, das kein Ende und kein Absehen hat, und fangen wir von etwas anderem zu parlieren an, z.B. Was etwa unser Freund, der Blum, in dieser Welt, oder was etwa unser Erzfeind, der Windischgrätz, auf der Erde nun macht, und ob er nicht etwa auch bald zu uns herüberkommen wird, wo wir ihn ganz gebührend empfangen würden!

15] Spricht Jellinek: "Brüder, was unsern Freund, den samt uns armen Blum betrifft, ja, da bin ich gleich dabei! Aber mit dem Alfredius Windischgrätz verschonet mich; denn diesen Tiger wünsche ich wohl ewig nimmer zu Gesichte zu bekommen! Aber horchet, horchet! Mir kommt es vor, als vernehme ich noch mehrere Menschenstimmen außerhalb der Türe, die nun offenstehet! - Erheben wir uns einmal von diesem unserem Disputiertische und begeben uns zur Türe, um zu sehen, was es etwa außerhalb derselben gibt."

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