Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes', Band 3


Kapitelinhalt 70. Kapitel: Lamechs Verlegenheit wegen der für ihn unlösbaren Frage und das Bekenntnis seiner Torheit. Die Demut als die wahre Weisheit. (04.07.1843)

01] Bei dieser Frage fing der Lamech gar gewaltig zu stutzen an und wußte nicht, wie er daran sei. Sollte er auf diese nur für den Schöpfer möglich zu beantwortende Frage in sich im Ernste eine Antwort zu suchen anfangen, oder sollte er diese so überhoch gestellte Frage nur als eine gute Demütigung ansehen, die ihm der Herr etwa darum habe zukommen lassen, weil er sich vor Ihm in der früheren Erörterung vielleicht etwas zu hoch ausgelassen habe?

02] Zwischen diesen zwei Ideen schwärmte der Lamech eine geraume Zeit herum und blieb darum völlig stumm und somit auch mit der verlangten Antwort im Hintergrunde.

03] Aber der Herr merkte gar wohl, warum der Lamech schwieg, und sagte darum zu ihm: »Höre, du mein lieber Sohn Lamech! Wie lange wirst du Mich denn lassen auf eine Antwort warten?

04] Du hast doch in deiner früheren Erörterung wahrhaft tief weise gesprochen, also zwar, daß solch eine Rede auch einem allertiefsinnigsten Cherub nicht zur Unehre gereicht hätte; und doch habe Ich vorher solches nicht verlangt von dir, sondern gab dir nur das unbedingte Recht, zu fragen.

05] Nun aber, da Ich dir durch Meine Frage eine rechte Gelegenheit gab, deiner tiefen Weisheit einen vollkommen freien Lauf zu lassen, schweigst du wie eine Maus, so sie die Katze wittert, und magst nicht reden, was dir zu einer großen Ehre gereichen möchte!

06] Was ist es denn? Hat dich denn dein Scharfsinn auf einmal im Stiche gelassen, oder getraust du dich nicht mit der gefundenen Antwort heraus, da du etwa ihre Tüchtigkeit für dich selbst noch nicht so recht fest verbürgen kannst?

07] Also rede doch, damit wir aus dir erfahren, wie es dir dünkt, daß du nun daran bist!«

08] Und der Lamech raffte sich auf diese sehr bedingende Vorrede des Herrn in seinem Geiste zusammen und sprach mit einer sehr verlegenen Stimme:

09] »O Herr, nun ist es mir so klar wie die Sonne, daß Du durch Deine entsetzliche Frage eigentlich keine zu beantwortende Frage, sondern nur einen gar mächtigen Stein zum Anstoße für meine weise schimmern wollende Torheit hast legen wollen!

10] Ich kann Dir aber, o Herr und allerliebevollster Vater, jetzt nur danken aus dem tiefsten Grunde meines Dich nun über alles, alles, alles liebenden Herzens dafür; denn ich ersah es nun und ersehe es stets klarer, daß ich so gewisserart mit meiner Torheit vor Dir und dem Henoch habe ein wenig glänzen wollen also, als wäre ich auch ein Weiser, von dem wenigstens der Henoch sagen müßte, daß er ein ganz gediegener Weiser sei!

11] Aber diese Deine heilige Frage hat mir meiner Torheit Fülle gezeigt, und ich bitte Dich darum um Vergebung dieser meiner großen Torheit wegen und bitte Dich auch, daß Du, o lieber, heiliger Vater, da Du schon solch eine heilige Frage gestellt hast, sie auch allergnädigst beantworten möchtest, so die Antwort uns frommen sollte nach Deinem heiligen Willen; und sollte sie uns in ihrer Tiefe nach Deiner allerhöchst weisesten Einsicht das nicht, so werde ich Dir auch für die Nichtantwort aus der Tiefe meines Herzens zu danken auf das lebendigste bemüht sein!«

12] Der Herr aber erwiderte darauf dem Lamech und sagte: »Höre, Mein lieber Sohn Lamech, diese Erörterung deiner Schwäche gefällt Mir ums unvergleichbare besser denn deine frühere über das lebenshomogene Verhältnis zwischen Schöpfer und Geschöpf, obschon sie an und für sich richtig war, da Ich es dir eingab, also zu reden, um zu bearbeiten dein Herz und dir zu zeigen, worin die wahre Weisheit besteht, nämlich in der Demut, derzufolge der Mensch ersieht, daß er aus sich völlig nichts vermag, aus Mir aber alles.

13] Nun aber, um dich davon zu überzeugen, werde Ich dir die große Antwort in dein Herz legen, und du wirst daraus klar werden, wie der Mensch aus Mir vor Mir und aller Welt also wie aus sich zu reden vermag!

14] Und so sei es denn, und du magst nun schon zu reden anfangen! Amen.«



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