Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes', Band 2


Kapitelinhalt 279. Kapitel: Uranions gute Antwort an die schreienden Weiber. Ghemela und der fremde Mann, der sich schließlich als der Herr zu erkennen gibt. Die Liebesszene auf dem Hügel und das Zetergeschrei der andern Weiber. Henoch und der Herr.

01] Nach längerem Rufen der Weiber vor der Hütte der Purista kam endlich der Uranion heraus und fragte etwas ärgerlich dieselben, was es denn also Gefahrvollstes gebe, dessentwegen sie also gar sehr unsinnig plärreten, und ob ihnen etwa jemand das Leben nehmen wolle.

02] Die Weiber aber zeigten mit den Fingern hin auf die Rasenhöhe und sprachen: »Da siehe nur an die große Schande! Und das gerade heute, da der Herr von euch erwartet wird! Ein kräftiger, stämmiger, junger Mann, der Gott weiß woher gekommen ist - hat gerade die drei jüngsten Weiber aufgekapert, führte sie auf den geheiligten Hügel und hat dort wahrscheinlich seine Sache mit ihnen!

03] Da! Sieh nur hin, wie ihn die drei umarmen und sich an ihn schmiegen, daß es nur eine Freude anzusehen ist!

04] Nein, diese Schande am heutigen Tage, da die Boten des Herrn mit dem erhabenen Henoch hier angelangt sind, und, wie schon bemerkt, an dem der Herr unserer Purista verheißen hatte, uns allen zu erscheinen!

05] Gehe doch hin, und treibe die Ehr' und alle Achtung Vergessenden von der Stelle wenigstens hinweg!«

06] Uranion aber erwiderte ihnen: »Wißt ihr was? Wenn euch diese Sache gar so in die Augen sticht, da sehet nicht hin, und es wird sogleich besser gehen mit euch! Für was soll ich denn die geladenen Gäste auseinandertreiben, so sie uns nichts zuleide tun?!

07] Was aber da die geheiligte Rasenhöhe betrifft, so hat sie in der gewissen Hinsicht ja nur unter uns eine Bedeutung; für Fremde aber, die das nicht wissen, ist sie gleich wie jeder andere Platz!

08] Daher begebet euch nur wieder zur Ruhe, und störet uns nicht mehr in der Hütte, da wir des Herrn harren! Wenn der Herr aber erscheinen wird, so wird dann schon Er derlei Vergehungen zu rügen wissen; ihr aber bleibet so hübsch stille und in der Ruhe! Amen.«

09] Nach diesen Worten verschloß der Uranion wieder die Tür der Hütte und ließ die Weiber gehen.

10] Als aber die Weiber sahen, daß sie mit ihrem Geklage nichts ausgerichtet hatten, da gaben sie sich ärgerlich zufrieden und schmähten nun nur ganz in der Stille über die drei Weiber und nicht minder auch den Mann; aber nur ganz vorzüglich waren sie auf die Weiber erbost.

11] Die Ghemela aber fragte den Mann, ob er wohl auch zugegen gewesen sei, als der Herr auf der Höhe mehrere Tage verweilt habe und habe sie gelehrt die wahren Wege des Heils.

12] Der Mann aber erwiderte der Ghemela: »Höre, du Geliebte des Herrn, - ob Ich damals zugegen war? Sei versichert, Mir ist da nicht das Geringste entgangen! Ich weiß sogar, wie dich der Herr auf den Händen trug, wie Er die Naeme tröstete und stärkte, und wie Er diese Pura aufnahm, sie an Sein Herz drückte und ihr eine gar große Verheißung gemacht hat! Aus dem wirst du wohl entnehmen können, daß Ich damals sicher auch zugegen war!«

13] Hier errötete die Ghemela und sagte, so ganz sehnsüchtigst seufzend, zu sich selbst: »Ach! Solch eines unendlich allerseligsten Augenblickes werde ich mich auf der Erde wohl sicher nimmer zu erfreuen haben!«

14] Der Mann aber sprach zu ihr: »Wer weiß, was heute noch alles vor sich gehen wird, so der Herr kommen wird, - wo Er nicht etwa schon gekommen ist!

15] Ghemela, sieh Mich so recht an Gefiele es dir denn nicht auch, dich auf Meine Arme zu setzen?«

16] Hier blickte die Ghemela den Mann, so ganz entbrannt vor geheimer Liebe zu ihm, etwas verstohlen an und entdeckte in ihm eine starke Ähnlichkeit mit dem ihr ewig allergeliebtesten Abedam, dem Herrn und Vater Himmels und der Erde, und sagte dann nach einigem Stillschweigen:

17] »Höre, du überaus weiser und eben also auch aller Liebe würdigster Mann, deine Erzählung über den Stand der Tiefe, welche doch so lebendig war, daß ich gerade glaubte, selbst von allem dem eine Zeugin gewesen zu sein - wie solches auch soeben die Naeme und die Pura, dich liebkosend und über dich jauchzend, versicherten und noch an deinen Lenden schmachtend versichern -, war mehr als menschlich nur!

18] Wenn ich nun dich dazu noch näher betrachte und in dir noch dazu eine große Ähnlichkeit zwischen dir und dem Abedam bemerke - und dazu noch deiner Einladung süßeste Stimme mich gar so mächtig ergreift, - siehe, da möchte ich wohl mich sogleich auf deinen Arm hinwerfen, wenn die anderen Mütter nur nicht gar so schlimm wären, die dort immer gar emsig herspionieren, was wir da machen!

19] Oh, wenn es auf mich ankäme da wäre ich schon lange auf deinen Händen! Aber die schlimmen Mütter dort! Nein, - ich getraue mich denn doch nicht! Und wenn dann - etwa gar der Herr dazu käme - und der Lamech! - ach, da könnte es dann mit mir wohl recht schlimm aussehen!

20] Ich habe dich freilich nur deswegen so lieb, weil du gar so viel Ähnlichkeit mit dem Herrn hast und auch gerade also redest wie Er und deine Stimme auch ganz der Seinigen gleicht; das müßte mich aber auch entschuldigen! Ja, ja, das müßte mich ganz vollkommen entschuldigen!

21] Ach, ich möchte daher wohl auf deinen Arm mich setzen! Es müßte wohl gar selig sein, auf deinem Arme zu sitzen! Wenn ich nur wüßte, daß sich deshalb niemand ärgern würde, und ganz besonders aber: wenn es mir der Herr nicht übel nähme, da möchte ich wohl deiner Einladung folgen!«

22] Der Mann aber sprach zur Ghemela: »Höre, du Meine Tochter, sei des Herrn wegen unbesorgt! Wenn dich der Vater auf Seine Arme nimmt, da wird der Herr dich darob nicht zornig ansehen; daher komme zu Mir, dem Vater, getrost!«

23] Hier erkannte die Ghemela vollends, wer der Mann war, tat einen Schrei höchster Entzückung und warf sich etwas ungebührlich Ihm an die Brust. Und der Vater drückte sie ebenfalls mit Seinen Händen auf Sein Herz und sagte zu ihr und den andern zweien:

24] »O Meine liebsten Töchterlein, liebt nun euren Vater nach aller Kraft eures Herzens! Denn ihr waret die Letzten und seid aus der Hütte ausgeschlossen worden; dafür aber seid ihr nun auch die Ersten, zu denen Ich kam! Genießet denn aber nun auch die Fülle Meiner Liebe! - Aber noch müsset ihr Mich nicht verraten; denn die anderen müssen Mich aus sich erkennen!«

25] Als aber diese Szene die anderen Weiber erschauten, da war es aus bei ihnen; sie fingen alsbald an, ein Zetergeschrei zu erheben, rannten abermals zu der Hütte der Purista und machten dort einen so gewaltigen Lärm, daß darob alle Gäste samt der Purista aus der Hütte geschreckt wurden.

26] Als sich alles draußen befand, da machten die Weiber sie auf die Szene auf dem Rasenhügel aufmerksam.

27] Der Henoch aber deutete, zu schweigen, und sprach dann: »Wenn es nichts anderes als das nur ist, da ist dieser Lärm im Ernste ganz unnötig gewesen; doch des Friedens wegen will ich hingehen und den vieren bedeuten, daß sie sich von dieser dummen Stelle entfernen sollen!«

28] Und der Henoch ging hin und erkannte alsbald den Herrn.

29] Der Herr aber sagte zum Henoch: »Henoch, sende Mir zur Heilung der großen Torheit dieser Weiber noch die Purista her, damit die Torheit in der Wurzel erstickt werde! Verrate Mich aber noch nicht; nur dem Sehel zeige an, daß Ich hier bin, und bescheide ihn nach einer Zeit zu Mir! Amen.«



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