Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes', Band 2


Kapitelinhalt 250. Kapitel: Henoch und der Herr als Armer. Vom Wesen der allmächtigen Gottheit und von der Armut des Vaters.

01] Diese Worte des Armen drangen wie tausend Blitze durch die Herzen aller Anwesenden. Selbst der Henoch war nicht gefaßt auf diese Erscheinung, darum er auch schon früher weise dem Lamech des Herrn Wohlgefallen aus der wunderbaren Fruchterscheinung bezeugte.

02] Darum auch wandte sich der Henoch selbst alsbald an den Armen und sagte zu Ihm: »Wenn ich mein Herz frage, so sagt es mir wohl ganz geheim: Du bist es! -, aber wenn ich dann in des Geistes Auge blicke aus des Herzens Tiefe, so vermag ich's allda nicht zu entdecken, wie der allmächtige, heilige Vater, Gott, der Schöpfer aller Dinge, auch ein Armer sein kann! Darum bitte ich Dich darüber um ein Wort, auf daß ich Dich erkennen möchte!«

03] Der Arme aber sah den Henoch nur an; und als der Henoch das Auge des Armen sah, eilte er hin zu Ihm und sagte: »Ja, ja! Du bist es! Du, guter Vater Du, Du bist es wahrlich; denn solche Milde, solche Sanftmut, solche Liebe, solche Treue und dabei dennoch eine solch göttliche Erhabenheit strahlt aus keines Menschen Auge!«

04] Nach solchem Ausrufe erst begann der Vater in der Gestalt des Armen folgende Worte an unsere Gesellschaft zu richten und sagte wie zum Henoch:

05] »Henoch, und auch du, Lamech, höret! Was euch der Arme sagt, das behaltet tiefst! Wenn der Arme zu dir kommt, und du nimmst ihn auf in Meinem Namen, so hast du Mich aufgenommen.

06] Du sagst: ,Wie ist solches möglich? Dir, o Gott, ist ja nur das Erhabene, das Mächtige, das Kräftige verwandt!'

07] Ich sage aber: Wahrlich, wahrlich, du kannst Mich weder in Meiner Erhabenheit, noch in Meiner Macht und Kraft ewig je erkennen, wohl aber in Meiner Erbarmung und wahrhaftigsten Vaterliebe!

08] Die Liebe aber zieht alles an sich und will alles im engsten Kreise um sich versammeln! Und siehe, solches tut der Vater!

09] Wenn du aber alles willst nach Meiner Göttlichkeit bemessen, so liebst du den Vater nicht, sondern willst dich nur der Gottheit nahen, welche unendlich ist in Ihrem Wesen zerstreust dich dadurch und tötest dich am Ende.

10] Begreife aber ferner die Tiefe des Geistes Gottes! - Du bist ein geschaffener Mensch; als solcher bestehst du aus einem Leibe und aus einer lebendigen Seele, in welcher da wohnt der Geist der Liebe.

11] Aus der Gottheit ist dein Leib; sein Gesetz ist ein unabänderliches Muß, also: also sein - und anders nicht sein! Du kannst tun, was du willst, und du kannst die Form nicht ändern!

12] Da aber dein Leib ein Werk der unwandelbaren göttlichen Macht ist, also bestehend aus dem allmächtigen Muß aus Gott, darum ist er auch sterblich und zerstörbar.

13] Du fragst: ,Wie ist solches möglich?' - Siehe, weil in Gott die endloseste Freiheit waltet und Er somit nimmer ein Muß halten kann!

14] Wäre Gott allein Gott, so wäre ewig nie etwas erschaffen worden, sondern alles wäre noch ein nur für Ihn schaubarer unendlicher Gedanke, aber kein Wesen erfreute sich des freien Daseins in Gott!

15] Gott aber ist nicht allein Gott in und aus Sich, sondern Er ist Gott aus der Liebe in Sich.

16] Gott geht hervor aus Seiner Liebe, und die Unendlichkeit ist Sein Wesen; dieses Wesen aber kehrt allzeit wieder in Seine Liebe zurück und sättigt Sich da mit der unendlichen Kraft und Macht.

17] Nun höre weiter: Deine Seele ist gezeugt vom Vater, welcher ist die Liebe in Gott.

18] Wie aber diese Liebe das eigentliche Grundwesen in Gott ist, also ist auch demnach diese deine Seele ein Grundwesen deines Seins und ist ein Aufnahmegefäß fürs ewige Leben, und es kann in ihr alles zum ewigen Leben verkehrt werden, auch der Leib, welcher ist ein Werk oder ein Tempel des Geistes Gottes durch das göttliche Muß.

19] Du fragst: ,Warum durch ein Muß?' - Siehe, solange du einen Stein in deiner Hand hältst, so lange auch befindet er sich in deiner freien Gewalt und du kannst mit ihm tun, was du willst!

20] So du aber einmal den Stein von dir geschleudert hast, so hast du ihn zwar deiner Willkür entbunden, aber dennoch muß da der Stein nach der Richtung hinfliegen, welche du ihm mit der Macht deiner Hand gabst, und du vermagst aber dann dem freigewordenen Steine während seines Fluges dennoch kein Richter mehr zu sein.

21] Wenn aber der Stein wieder zurückfällt, da er für sich keine Kraft hat, so kannst du ihn wieder richten nach deiner Willkür.

22] Wer nun Ohren hat, der höre! Siehe, der Vater hat als die ewig unendlich große Liebe in Gott oder in Seiner Auswirkung alles von Sich gegeben!

23] Durch die große Wurfschleuder Seiner unendlichen Macht hat Er mit allen Seinen endlos großen Gedanken alle Unendlichkeit ewighin erfüllt. Er behielt nichts für Sich, sondern alles, was Er hatte, gab Er her.

24] Also ist der Vater in Sich arm und die Armut ist nun Seine Liebe; Sein Reichtum aber ist nun die freie Liebe und Sein alleiniges ewiges Leben, in dem allein alle Macht und Kraft daheim ist.

25] Diese Armut aber ist nun des Vaters größte Seligkeit, indem Er nun wieder alles zu Sich zurückkehren sieht und Er alles wieder, endlos vervollkommnet, in Seiner Liebe ergreifen kann.

26] Siehe, - Sonne, Mond und alle Sterne, kurz alles, was du erschauen und ergreifen kannst, entspricht demnach Meiner Gottheit oder Macht! Mein Muß bindet es.

27] Aber es kann nicht also bleiben, wie es ist; denn alles ist da des Vaters wegen, damit Er Sich bereichere ewig, ewig, weil Er wollte aus Sich arm sein auf eine Zeit.

28] Also seid auch ihr aus euch heraus Meine getreuen Ebenmaße. Seid wahrhaftig Meine Kinder! Gebet, Mir gleich, alles her, macht frei eure Liebe und euer Leben aus Mir, so werdet ihr mit Mir reich werden ewig, ewig! Werdet arm, damit ihr reich werden möget! Amen.«



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