Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes', Band 2


Kapitelinhalt 243. Kapitel: Lamechs Verwunderung über die Pracht des Tempels und sein Unvermögen, die geistige Entsprechung des Tempelbaues zu verstehen. Henochs Rede über die Notwendigkeit des Von-Gott-gelehrt-Seins des Tempeloberpriesters.

01] Auf diese Worte Henochs gaben alle Gott in ihrem Herzen die Ehre, begaben sich dann alsbald aus dem Tempel, und der Lamech schloß nun denselben.

02] Nun erst fing der Lamech an, den Bau des Tempels so recht zu betrachten; und als er von allen Seiten seine große Herrlichkeit ersah, da ward er wieder voll hoher Freuden und lobte darum Gott, daß Er dem Menschen solche Einsicht verliehen hatte, der zufolge er also Ehrfurcht erregend Erhabenes und Prachtvollstes zuwege hatte zu bringen vermocht.

03] Der Henoch aber nahm den Lamech bei der Hand und sagte zu Ihm: »Geliebter Bruder Lamech, dich spricht dieses Tempels Pracht außerordentlich an, wie ich es gar wohl merke; verstehst du aber auch diesen Tempel und seinen Bau?

04] Du sagst es mir in deinem Herzen: ,Nein, Bruder, woher sollte ich das verstehen?'

05] Gut, sage ich dir, du bist nun ehrlich und bist voll redlichen Herzens; darum auch mußt du mir solches eingestehen.

06] Siehe aber ein wenig tiefer, und du wirst in der gerechten Tiefe deines Herzens finden, allda es wird geschrieben stehen mit einer glühenden Schrift:

07] »Du, ein Oberpriester im Heiligtume des Herrn, mußt das Werk im Geiste der Wahrheit erkennen, darüber dich der Herr gesetzt hat, sonst bist du ein blinder Frevler im selben!

08] Wehe dir, so du deinen Bruder willst etwas lehren, das du nicht verstehest; denn der Herr spricht da und sagt:

09] »Da will Ich den Meister und den Jünger züchtigen und will ehedem weder den einen noch den andern ansehen! - Lamech, verstehst du solches?

10] Siehe, wer da über Gott und Seine Werke reden will und will seinen Bruder darinnen unterrichten, der muß zuvor selbst von Gott es gelernt haben!

11] Warum denn? - Weil Gott und Seine Werke niemand kennt als nur Gott allein!

12] Alles dieses ist dir jetzt noch fremd, und du weißt es nicht, wie Gott den Menschen lehrt und zieht.

13] Ich sage dir aber: Heute noch, bevor die völlige Nacht kommen wird, sollst du die ersten Elemente kennenlernen, und dann so fort, bis du als ein völliger Gottesgelehrter dastehen wirst!«

14] Hier fing der Lamech wieder gar gewaltig zu stutzen an und fragte den Henoch ganz eifriger Rede: »Bruder Henoch! Was redest du denn für Dinge zu mir, die mein Herz nicht zu fassen vermag?

15] Ich bitte dich darum und sage dir: erkläre dich verständig, sonst taugt deine Rede nicht für mich!

16] Du sagtest ehedem: ,Wehe dem Lehrer, der da seinen Bruder etwas lehren will, das er selbst nicht versteht!'

17] Was soll denn aber nun ich sagen, so du Dinge vor mir redest, die mir fremder sind denn das Ende der Welt, wenn es irgendwo ist?!

18] Hier nahm wieder der Henoch das Wort und sagte zum Lamech: »Bruder Lamech, ereifere dich nicht vergeblich; denn so der Schüler schon vorher wüßte, was er von seinem Lehrer erst erfahren sollte, sage mir, wäre da ein Lehrer nicht das allerentbehrlichste Wesen auf der Welt!

19] Das aber ist ja der große Unterschied zwischen dem Lehrer und dem Schüler, daß da kein Schüler gleich anfangs so vollkommen ist wie sein Lehrer!

20] Wenn er aber wird wie sein Lehrer, so ist er vollkommen, und es ist dann kein Unterschied mehr zwischen dem Lehrer und dem Schüler!

21] Siehe, mich hat der Herr dir zu einem Vorlehrer herabgesandt von der Höhe; also hast du mich auch zu hören!

22] Wie töricht aber müßte da ein Lehrer zu Werke gehen, so er seinem Schüler zuvor möchte über einen Stoff die Erklärung geben und eine völlige Zerlegung des Stoffes, bevor er demselben noch gezeigt hat den zu behandelnden Stoff selbst?!

23] Siehe, ich habe aber dir nun zuvor den rohen Stoff nach der göttlichen Ordnung gegeben; also bin ich ja ein rechter Lehrer nach der Ordnung Gottes!

24] Daher also ereifere dich nicht vor der Zeit; habe ich dir den Stoff gegeben, so werde ich dir auch die Erklärung geben!

25] Aber es braucht alles seine Zeit und seine Geduld.

26] In deinem Hause sollst du erst mehreres erfahren; und so laß uns denn nun dahin ziehen! Amen.«



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