Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes', Band 2


Kapitelinhalt 164. Kapitel: Der vollkommene Gottesbegriff der vier Zweifler. Weisheit als Frucht eines lebendigen Herzens.

01] Darauf führte die vier alsbald der Henoch selbst hin zum heiligsten Abba und sagte allda zu ihnen: »Brüder, sehet, dieser euch noch stark Fremde ist es, von dem ich euch ehedem gemeldet habe, daß Er euch erst die höhere Weihe über Jehova und dann auch über mich erteilen werde! - Also höret Ihn, und folgt Ihm! Amen.«

02] Und alsogleich trat der Abba zu ihnen hin und fragte sie: »Indem euch Jehovas Verlust durch die Rede Henochs also sehr beirrt hatte, daß darob eure Herzen sogar feindlich gegen den Oberpriester aufgeschwollen wurden, sagt Mir demnach, welche Vorstellung ihr in euch vom Jehova habt!«

03] Und der erste aus den vieren nahm alsogleich das Wort und sagte so ziemlich beherzt:

04] »Guter Mann, Freund und Bruder, darum du fragst, ist wohl überaus schwer, eine gültige Antwort zu finden, - doch nicht so schwer, dir unsere allgemeinen Begriffe über Jehova kundzugeben, das heißt also, wie sie bei uns und unter uns allgemein gang und gäbe sind; wolle sie denn vernehmen!

05] Unter Gott verstehen wir die die ganze Unendlichkeit erfüllende ewige, über alles vollkommene, sich ihrer selbst allenthalben allerklarst bewußte Urkraft.

06] Diese Kraft kann sich überall äußern, indem sie an und für sich im Grunde der vollkommenste, allerfreieste Wille ist, welcher da wirkt nach den eigenen, in ihm selbst zum Grunde liegenden Ideen, welche sich in eben diesem Willen und seinem eigenen, aus seiner beständigen Tätigkeit entspringenden Lichte in der endlosesten Fülle und in größter Klarheit entwickeln.

07] Siehe, das wäre unser allgemeiner Begriff über Gott; was übrigens die substantielle Wesenheit dieser endlosen, ewigen Urwillenskraft betrifft, so steht sie zu sehr außer dem Bereiche unserer Begriffsfähigkeit, als daß sich darüber irgendein gültiger Satz aufstellen ließe!

08] Mutmaßungen aber können und sollen nie als Lehrsätze aufgestellt werden!

09] Anderseits aber scheint es wenigstens mir und einigen anderen, daß diese endlose Willenskraft sich nahezu wie unsere Liebe aussprechen muß, indem alles, was wir nur immer betrachten mögen, dieses unleugbare Zeugnis in sich trägt.

10] Selbst der Stein, der leblose, schweigt in diesem Punkte nicht, sondern spricht gewisserart durch sein Wesen: ,Weil mir meine Teile lieb sind, so halte ich sie fest an mein mächtiges Zentrum!'

11] So aber solches schon ein Stein unleugbar dartut, da sind ja danach alle anderen Dinge noch sprechendere Zeugen davon - und wir unser selbst wohlbewußte Menschen am allermeisten, indem wir alle in der gegenseitigen Liebe gezeugt worden sind!

12] Nach dieser großen Mutmaßung getrauen wir uns dann auch zu behaupten, daß Gott in Sich Selbst die reinste und allerheiligste Liebe ist und kann Sich aus dieser Liebe heraus als Jehova oder als der gute, weise und allmächtige Schöpfer aller Dinge im Menschen, wie auch außer demselben als ebenfalls ein Mensch - freilich wohl nur allzeit im allervollkommensten Sinne - äußern, und zwar im Menschen als die reinste Liebe zu Seiner Göttlichkeit Selbst, und außer dem Menschen entweder als eine mächtig wirkende Kraft oder aber wohl sichtbar in einer ebenmäßig menschlichen Form, an welche Er aber freilich wohl nicht als etwa gebunden anzunehmen ist.

13] Siehe, lieber, guter Mann, Freund und Bruder, das ist im allgemeinen aber auch alles, was wir über das Wesen Gottes wissen! Nun steht es bei dir, diese unsere Meinung entweder gutzuheißen oder zu tadeln!«

14] Und der Abba sagte darauf zu den vieren: »Deine Antwort war vollkommen; denn es ist im Ernste also, wie du es hier kundgegeben hast!

15] Aber es ist euch dennoch völlig unnütze alle solche Weisheit, so sie ist entweder ein Werk des eigenen Nachdenkens oder auch ein Werk des mündlichen Unterrichtes!

16] Soll euch aber solche Weisheit zum lebendigen Nutzen sein, so muß sie entweder zu einem lebendigen, klaren Gefühle im Herzen werden, oder - was freilich wohl das Vorzüglichste ist - sie muß aus der Lebendigkeit des Herzens hervorgehen.

17] Ist eines oder das andere der Fall, so wird dann erst die dadurch geweckte eigene Lebenskraft als ein stetiger Zeuge auftreten und wird jedermann laut verkündigen, daß Gott die reinste und heiligste Liebe Selbst ist, in welcher kein Wesen und am allerwenigsten aber die wahren Kinder dieser Liebe je zugrunde gehen werden!

18] Wer demnach Gott nicht auf diese Weise gefunden hat, für den ist Gott so gut wie kein Gott, da Er kein Gott des Lebens, sondern nur ein Gott einer menschlichen Vernunftspekulation ist, welche so lange steht, bis sie nicht von einer andern verdrängt wird.

19] Wer aber Gott in und aus seinem: Lebensgrunde gefunden hat, der hat Ihn gefunden wesenhaft, und keine Macht wird Ihn je mehr zu verdrängen imstande sein!

20] Sehet, also verhält sich die Sache wahrhaftig! Nun aber gebet Mir eure Meinung über Abedam und über den Oberpriester Henoch kund, damit Ich euch auch darinnen berichtigen kann! Amen.«



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