Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes', Band 2


Kapitelinhalt 162. Kapitel: Beratung der vier Zweifler untereinander.

01] Und die vier verneigten sich vor den Vätern und begaben sich sodann alsogleich von unserer Morgenhöhe hinab auf einen kleinen Vorsprung, ließen sich da nieder und fingen an, sich untereinander also zu beraten:

02] »Brüder, begann der erste, »was dünkt euch nun: sollen wir den Worten Henochs trauen oder sollen wir ihnen nicht trauen?

03] Ich meinesteiles bin der Meinung daß diesmal der Henoch sich allergewaltigst geirrt hat!

04] Ein Mensch ist er ja, wie wir es sind, - und das ist genug zur vollkommenen Befähigung für allerlei Verirrungen; mehr brauchen wir nicht.

05] Denn hat ihm der Allmächtige auch größere Vollkommenheiten verliehen und hat ihn gesetzt zu einem Oberpriester, so hat Er ihm aber dennoch alles Menschliche rein belassen, daß er noch immer derselbe Henoch ist, wie er es zuvor war, und kann somit auch irren.

06] Daß er sich aber diesmal allergewaltigst geirrt hat, das könnte ich ihm ja alsogleich auf den Fingern nachweisen!

07] Ich begreife jetzt nur nicht, wie ich in seiner Gegenwart gar so vernagelt habe sein können!

08] Zum Beispiel: Was hätte er mir darauf sagen können, wenn ich ihm bei seiner Gottesleugnung gesagt hätte: Bruder, wenn es also wäre, wie du nun weislich behauptet hast, so brauchen wir uns fürder ja keine Häuser mehr zu erbauen!

09] Denn haben wir können ohne einen Schöpfer von höchster Weisheit entstehen und sind doch sicher in allem vollkommener denn unsere Häuser, indem wir denken, reden und weislich handeln können, warum sollen da nicht auch unsere ums unaussprechliche viel dümmeren Häuser ebenfalls aus nichts und von sich selbst ohne unser Hinzutun entstehen?!'

10] Ich will aber den guten Henoch eine ganze Ewigkeit warten lassen und gebe ihm mein Leben noch obendarauf zum Pfande, daß er sicher nie das Glück haben wird, ein wohlgeordnetes Wohnhaus dem stummen Boden der Erde entwachsen zu sehen!

11] Wir sollen Werke blinder Kräfte sein, die da vor uns sich nicht einmal ihrer selbst bewußt sind!?

12] Nein, Brüder, ehe mir der Henoch das glauben macht, eher glaube und beweise ich ihm, daß er als Oberpriester samt aller seiner Weisheit ein vollkommener Narr ist! - Was sagt ihr dazu? Habe ich recht oder nicht?«

13] Und ein zweiter nahm das Wort und sagte: »Und ob du recht hast?! Ich muß dir sagen, Bruder, mich hat es schon im Innersten ganz sonderbar gewurmt! Wenn ich nicht die hohen Väter geschont hätte, wahrlich, es hätte mich nur ein Wort gekostet, und des Henoch Zunge wäre gelähmt worden wie ein Tautropfen im strengsten Winter!

14] Ich hätte gern die Antwort vernommen, so ich ihn nur, weißt du, so ganz leichtweg gefragt hätte: ,Henoch, wenn es also ist, wie du uns jetzt weise berichtet hast, da möchte ich denn doch von dir erfahren, wie da zu erklären ist die Liebe zu Gott!'

15] Brüder, wenn mir auf diese Frage, ohne sich zu widersprechen, der Henoch nur eine Silbe hätte sagen können, so verschlucke ich vor euch und ihm jeden Berg, den ihr nur immer wollt!

16] Denn so da der Jehova ein Trug und gewisserart eine Salbe für die Trägheit unseres Geistes ist, so ist auch alle unsere Liebe ein barster Trug; und ist diese ein Trug, so sind wir uns selbst ein Trug - und der Henoch nicht im geringsten ausgenommen!

17] Sind wir aber uns selbst ein Trug, da frage ich dann: ,Bruder, welches Vorrecht hat dann deine Weisheit vor unserer Torheit?!

18] Daher magst du so gut schweigen wie wir!' - Sagt ihr mir frei heraus: Was hätte mir darauf der ganze Henoch erwidern können?

19] Nichts; denn da wäre er ja wie in einer Tausendfalle und könnte mit seiner Zunge nicht einmal stumm über seine Zähne fahren!«

20] »Er hat vielleicht geglaubt",sagte ein dritter, »wir sind so einige recht gemütliche Hausnarren, die sich da sogleich mit allerlei Dreck anstreichen lassen!

21] Aber unser nächster Zusammentritt soll vor ihm die vier Toren auf eine Art beleuchten, daß ihm darob sein Oberpriestertum gerade also vorkommen wird, als stecke er in einem unreifen Wildapfel; denn ich bin geladen wie eine wetterschwere Wolke!

22] Nur ein wenig Wind, und der gute Henoch soll für seine Gottesleugnung noch ums Zehnfache ärger bedient werden, als wir alle am Vorsabbate bedient wurden! Er soll so recht derb empfinden und bezahlt werden für den offenbaren Spaß, den er sich mit uns erlaubt hat!

23] Daß der Henoch nicht an einen Gott glauben solle, glaube ich so wenig, als so da mit mir jemand streiten möchte und behaupten, daß ich nicht sei!

24] Aber zum besten hat er uns gehabt und hat uns allesamt anrennen lassen; das ist es und nichts anderes!

25] Aber ich will ihn dafür auch anlehnen, daß er allda soll picken (kleben) bleiben wie ein Stein, so er gefallen ist in des Meeres tiefsten Grund!

26] Was wird er mir wohl für eine Antwort geben, so ich vor ihm geradeheraus sagen werde: ,Henoch, du schnöder Oberpriester, du hast jetzt doppelt gelogen aus deiner großen Blindheit heraus! Denn gibt es von Ewigkeit her zum voraus keinen Jehova, so hast du ja ohnehin in den Wind gesprochen.

27] Denn der blinde Zufall hat dich sicher nicht weiser gestaltet denn uns; und warum solltest gerade du mehr sein denn wir, die wir ja doch nicht minder uns selbst eine barste Torheit sind, wie du es dir bist und auch uns allen notwendig darum!

28] Gibt es aber einen alten Jehova, so bist du ohnehin ein Lügner vor uns allen offenbar und handgreiflich!'

29] Brüder, was kann er mir darauf erwidern?! ««

30] Und ein vierter sagte mit den zwei ersten: »Nichts - als höchstens: Also stehe ich als ein Esel vor euch, und meine Oberpriesterschaft ist ein leerer Wind!'

31] Was aber da den Abedam betrifft, da denke ich, wir sollten uns in dem Punkte vereinen und dem weisen Oberpriester ins Gesicht beweisen, daß Er unfehlbar Jehova Selbst war, welches ja klar aus Seinen Worten und Taten hervorgeht, so wir sie nur einigermaßen beachten wollen!

32] Und leugnet er hernach solches, so werde ich ihn ganz einfach fragen:;Bruder, wer hat dich denn hernach zum Oberpriester gemacht?

33] Ist Er nichts, so bist es auch du, - und tue daher das Beste, und lege die Oberpriesterschaft weg; denn solch ein Amt gebührt keinem Gottesleugner!'

34] Was kann er oder jemand anders uns da entgegnen?'

35] Auf diesen Vorschlag wurden alle vier einer Stimme, und der erste erhob sich und sagte: »Brüder, so wir einig sind auch in dem Punkte, so gehen wir und schlichten unsere Sache!

36] Wahrlich, ich brenne vor Neugierde, was da am Ende herauskommen wird! Mit dem Henoch sind wir so gut wie völlig fertig! Also gehen wir! Amen.«



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