Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes', Band 2


Kapitelinhalt 31. Kapitel: Hored und Naeme im Kreise der Erzväter mit dem unerkannten Abedam. Horeds Strafe für seine Eifersucht auf Abedam.

01] Nach diesen Worten begab sich die Gesellschaft wieder fürbaß an den Ort und an die Stelle, welche uns schon bekannt ist.

02] Als Sich der hohe Abedam aber jenen Vätern nahte, da fielen diese alsbald, von der tiefsten Liebe und Ehrfurcht ergriffen, vor Ihm nieder, und es lobten und priesen Ihn einige laut, andere wieder mehr stille seufzend in ihrem Herzen.

03] Diese ehrfurchtsvollste Niederlage auf der Höhe sowohl, als um den ziemlich weit im Umkreise gedehnten Berg war diesmal also allgemein, daß da außer den fünf Angekommenen sich niemand aufrecht stehend vorfand.

04] Es wären da auch der Henoch und der Lamel dem Beispiele der Allgemeinheit gefolgt, so es ihnen der Abedam insgeheim nicht ausdrücklich untersagt hätte der zwei Neuangekommenen wegen.

05] Das aber kam dem Hored auch höchst sonderbar vor, und nicht minder der erstaunten Naeme, daß sich nun alles auf die Angesichter zur Erde legte aus der höchsten Ehrfurcht, und sie sahen doch ringsum außer ihrer eigenen Gesellschaft niemanden, dem diese große Ehrfurchtsbezeigung zukommen sollte.

06] Darum auch nahte sich alsbald die Naeme dem Abedam und fragte ihn ganz zutraulich, sagend nämlich: »Höre, du vielgeachteter, mächtiger, guter Freund! Möchtest du mir denn nicht angeben und sagen, was dieses allgemeine Niederliegen und dieses Seufzen zu bedeuten hat? Wen geht denn das an?

07] Naht sich nun etwa gar mir unsichtbar von irgend woher der heilige, große Jehova? - - Oder was soll das?

08] Warum solche allgemeine Demütigung? -Ja, ja, es wird sicher der heilige, große, erhabene Jehova sein!

09] O lieber Freund, siehe, von meiner Kindheit an habe ich in mir den stets verborgenen Wunsch getragen, den erhabenen, heiligen Jehova in meinem Leben nur einmal zu erblicken, da meine Mutter mich ganz heimlich von Ihm unterrichtet hatte nach der Lehre eines gewissen Farak, der da ein Bruder Hanochs soll gewesen sein und hatte mit Jehova, wie es mir gesagt wurde, viel Umgang gepflogen.

10] Siehe, lieber Freund, ich hatte das Unglück, die schönste Tochter der Tiefe zu sein, und wurde darum von meinem unglücklichen Vater gar oftmals an Wollüstlinge verkauft!

11] Vermöge meiner großen, mir von Jehova verliehenen Üppigkeit aber konnte es doch wieder zu meinem Glücke niemand länger denn höchstens zwei bis drei Augenblicke in meiner leiblichen Berührung vertragen; ja, es ging selbst meinem Bruder Thubalkain aus der Mutter Zilla nicht besser, darum er als ein Gemahl zu mir nicht vermögend war, in mir eine rechte Frucht zu zeugen.

12] Kurz, ich brauche dir nichts mehr davon zu sagen, als daß da alle möglichen Mißhandlungen von Seite meines unglücklichen Vaters Lamech nicht vermögend waren, mich von meinem Jehova zu trennen.

13] Der Hored, mein erster redlicher Retter, muß es mir bezeugen, daß ich mich mit ihm die ganze Zeit unseres Alleinbeisammenseins von nichts als nur immer von Jehova unterhalten wollte und ihn mir auch noch nicht einmal darob habe beiwohnen lassen, da wir von niemandem gesegnet waren, obschon er mich deshalb zu öfteren Malen angegangen hat, - was er als mein redlicher Retter auch nie leugnen wird, und was ihm aber in meiner unglücklichen Nähe auch ganz vollkommen zu verzeihen ist!

14] Siehe sonach, du guter, edler, mächtiger Freund, es ist gewiß doch möglichst viel von mir, einem Kinde der Welt und der Schlange, daß ich das wenige von Jehova Vernommene mochte in meiner gewiß unglücklichsten Lage in meinem Herzen verwahrt haben, - daß ich trotz aller der weltlichen Stürme, die sich alle um mich her stets mehr und mehr drängten und mich zu begraben drohten, dennoch so viel Kraft hatte und mein Herz stets für den mir geoffenbarten Jehova (das heißt von meiner Mutter Zilla aus ganz heimlich) möglichst rein erhielt!

15] Du kannst es mir sicher glauben: trotz dem, daß ich eine wahrhaft armselige, unglückliche Tochter des unglücklichsten Vaters bin, dessen Irrsinn gößer ist, als daß selben je ein Mensch begreifen möchte, so habe ich aber doch in meinem Herzen nie etwas anderes geliebt als den mir bekannt gemachten Jehova, den heiligen Schöpfer aller Dinge, aller Tiere und aller Menschen!

16] O lieber, herrlicher Freund, du kannst es mir sicher glauben: jetzt, wo ich zum ersten Male auf dieser heiligen Höhe eine so herrliche, große und weitgedehnte Anschauung der unbeschreiblichen Wunderwerke dieses Jehova genieße - und das noch dazu in meiner allerniedrigsten Ünwürdigkeit-, jetzt ist's völlig aus mit meinem Herzen!

17] Ja, - ich möchte nun gerade sterben aus Liebe zu diesem meinem unaussprechlich wunderbar himmlisch heiligen Jehova

18] O du lieber, herrlicher Freund, siehe, ich möchte dir so etwas recht Gescheites sagen über das, wie sehr ich den Jehova liebe; aber wo soll ich das hernehmen? Ich habe ja nie etwas lernen dürfen, - damit meine unglückliche Schönheit des Leibes darunter ja nicht etwa verkümmerte!

19] Hätte ich die Mutter Zilla nicht an meiner Seite gehabt, ich glaube, mein harter Vater hätte mich nicht einmal reden lernen lassen!

20] Daher habe nur Geduld mit mir bin ich auch nicht mehr ebenso jung als jung zu sein ich noch aussehe, so ist aber doch mein Herz noch also empfänglich, als wäre ich noch kaum einige dreißig Jahre Alters!

21] O lieber, herrlicher Freund! So nun von irgendwoher der heilige Jehova erscheinen wird, lasse mir - so es dir möglich ist - Ihn nur auf einen Augenblick ansehen!

22] O wenn ich solcher Gnade doch auch im geringsten würdig wäre!«

23] Hier konnte sie nicht mehr reden, und große Tränen rollten über ihre schönsten Wangen, und aus ihren Augen strahlte die heißeste Liebe, die lebendigste Sehnsucht; Freude und Furcht kämpften gewaltig in ihrer Brust, daß sie darob am ganzen Leibe bebte.

24] Der Abedam aber berief alsbald den Hored zu Sich und sagte zu ihm: »Hored, du Sohn des lichten Morgens siehe, hier ist ein verlassenes Weltkind aus der Tiefe! Dieses zittert vor großer Liebe und Sehnsucht, Furcht und Freude nach Jehova, - du aber hast dich noch nicht einmal gerührt als Sohn des Morgens und warfst dafür nur einige eifersüchtige Blicke auf Mich her!

25] Ich sage dir aber darum, daß Ich ein Herr bin und diese edle weibliche Pflanze dir jetzt nehmen und sie verpflanzen werde in einen andern Garten, und du wirst sie fürder nicht mehr zu Gesichte bekommen, da du zufolge deiner eigenliebigen Eifersucht dich gegen Mich vergessen mochtest, der Ich dich erretten ließ vom Untergange durch deine große wollüstige Torheit.

26] Du kennst das alte Gesetz der Väter, warst selbst zu einem Lehrer gemacht von den Vätern, - sage Mir: Ist das die Frucht deines Amtes? Welch giftiges Insekt hat dich also verletzt, daß sich dein Herz zu einem Tigerherzen umgewandelt hat?

27] Kennest du Mich, kennest du Gott?! - Siehe, die Naeme, sie ahnt hier vor Mir, in wessen Nähe sie sich befindet!

28] Du aber stehst hier vor deinem Gott und Schöpfer - und bist stummer denn ein Baumklotz!

29] Gehe hin zur Grotte dort, und suche, ob dein Herz einer Reue fähig; denn Ich, - der Ich jetzt Selbst mit dir solches rede, bin der sichtbare Jehova, Gott von Ewigkeit Selbst.«

30] Hier fiel der Hored, wie von einem Blitz getroffen, zusammen.

31] Die Naeme aber fiel alsbald auf ihre Knie nieder, zitterte und weinte und sprach endlich mit zitternder Stimme:

32] »O Jehova, sei mir armen Sünderin gnädig und barmherzig!«



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