Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes', Band 2


Kapitelinhalt 23. Kapitel: Die überirdische Schönheit der Ghemela und Purista.

01] Es waren aber einige der Väter in ihren Herzen begierig zu erfahren, welche von den beiden weiblichen Lieblingen Abedams wohl die Schönere wäre. Daher trat der Sänger Kenan hin zum Abedam und wollte Ihn fragen darum im Namen mehrerer.

02] Der Abedam aber kam ihm zuvor, und fragte ihn: »Kenan, bist du in deinem Herzen zufrieden, so Ich dir's bloß nur sage?«

03] Und der Kenan erwiderte Ihm: »Herr und Vater, - was soll ich Dir - nun für eine Antwort geben? Du siehest ja mein Herz! So viel weiß ich, daß mein und unser Verlangen von zweifacher Art ist: wir möchten das Angesicht der Purista auch sehen, wie wir wennschon von ferne nur - das der Ghemela sahen, daneben aber auch ein Wort Deines Wohlgefallens vernehmen; denn sonst wissen wir nicht, wie wir daran sind, - welche von beiden doch wohl größer ist vor Dir?!

04] Siehe, wir haben uns schon darüber die Köpfe nahe zerbrochen und die Herzen zerstoßen und mögen darin zu keinem richtigen Urteile gelangen!

05] Es liegt freilich wohl nicht das Heil der Menschheit daran, aber das Dir Wohlgefälligere zu erkennen, dürfte ja doch auch kein geringer Neben zweck dieses Erdenlebens sein! So also Dein heiliger Wille es wäre, möchtest Du uns ja gnädigst gewähren diese Bitte!«

06] Und der Abedam sagte darauf zum Kenan: »So lasse denn alle die Neugierigen hierher kommen, und wir wollen sehen, wo hinaus sich ihr Urteil erstrecken wird! Amen.«

07] Und der Kenan berief alsbald diejenigen, die da seines Wunsches waren, daß sie alsbald herbeikämen; und der Abedam aber berief die Ghemala und die Purista zu Sich und nahm die Ghemela auf Seinen linken Arm und die Purista auf Seinen rechten und hieß ihnen mit sanfter Stimme sich zu enthüllen vor den Vätern.

08] Beide taten sogleich ihr reiches Haar aus dem Gesichte und blickten all die Väter ehrfurchtsvoll und liebfreundlichst an.

09] Als die neugierigen Väter aber diese zwei überirdischen Schönheiten erschauten, wurden sie, wie von einem Blitze getroffen, zur Erde geworfen, und keiner getraute sich mehr, seine Augen zu erheben, um die beiden Schönheiten noch einmal anzusehen und zu urteilen über sie!

10] Der Abedam aber fragte den Kenan: »Nun, du alter Sänger Meiner Ehre, was deucht dir nun: diewelche von diesen beiden ist denn schöner und diewelche mir näher? Da du sie nun beide gesehen, da wirst du doch ein Urteil Mir geben nun können?

11] Und der Kenan sagte ganz zitternd: »O heiligster Vater, Du mächtiger Gott! O jetzt laß in die Haut eines Esels mich kriechen, mich größesten Toren, mich Narren! Was habe ich getan, und was hab ich begangen«!

12] Ich wollte unsinnigster Weise als Blinder den Richter gar machen, ja einen schandelenden Richter hier zwischen zwei leuchtendsten, himmlischen Sonnen, von denen die eine so nahe und hehr als die andre vom heiligsten himmlischen Vater auf Händen getragen nun werden!

13] Ob links oder rechts, oder Sonne am Morgen und Sonne am Mittag und Abend, - diewelche ist schöner, diewelche mehr Sonne?

14] O Unsinn, o Unsinn, - wer hat dich genährt so lange verborgen in meiner doch sonsten durchleuchteten Brust!

15] O Du heiliger Vater, Du ewige Liebe, vergebe mir elendem Tropfe, mir Toren, mir Narren, mir Ochsen, mir Esel, mir Wurme im Staube, mir blindem Maulwurfe, - und wolle nicht künden uns Schweinen vorher von mir Schweine so töricht von Dir uns erbetenes heiliges Wort; denn wir sind es nicht würdig, zu hören die Stimme vom heiligsten Munde, nicht würdig zu hören ein Urteil, ein heiliges über die Engel der Engel der reinsten Himmel!

16] O welch eine Glorie, und was für ein Glanz! - O Du ewige Milde, Du Demut, Du Treue, Du Liebe der Liebe Du heilige, - was schaffst Du aus Dir doch für Wesen, für herrliche Kinder!

17] Verstumme, du läppische Zunge, du finstre, du kalte; denn heilig zu heilig ist Der, vor dem schales Geschwätz du entbindest, als möchtest oder könntest du im Ernste was Weises bezeichnen. Drum schweige nur, schweige, du schmutziges Werkzeug des Unsinns, der Narrheit, der größesten Torheit!

18] O heiliger Vater, vergebe, vergebe uns blinden, uns elenden Toren, Dein heiliger Wille geschehe, Dein Amen, Dein Amen, Dein Amen

19] Und der Abedam ließ wieder verhüllen den beiden das Antlitz vor den Vätern und sagte zu ihnen: »Ihr seid Mir beide gleich teuer, und es ist keine minder denn die andere und keine mehr denn die andere; daher bleibt auch also, wie ihr nun seid, so werdet ihr Mir auch stets also nahe sein, wie Ihr Mir jetzt seid Amen.

20] Nach diesen Worten setzte sie der Abedam wieder übersanft auf die Erde. Die beiden aber ließen sich sogleich zu den Füßen Abedams nieder und fingen an, einstimmigen Herzens den Abedam mit folgenden kurzen, inneren Worten, welche sie nicht auszusprechen vermochten, zu danken, zu loben und zu preisen:

21] »Heiliger, liebevollster Vater voll der höchsten Milde, Sanftmut, Geduld und Erbarmung, wie sind wir, wie können wir solcher Gnaden von Dir aus, Du überheiliger Vater, denn würdig sein?!

22] Du würdigst uns freilich; aber sind wir dieser Würdigung würdig?!

23] Die erhabenen Väter sind unsertwegen zuschanden geworden vor Dir und vor allen Kindern; wir haben und tragen allein die Schuld auf unseren Angesichtern, darum Deine heilige Gnade uns wahrscheinlich schöner gestaltet hat als vielleicht irgendein anderes, uns gleich schwächliches Weib!

24] Doch Dir, o Du überheiliger, allerbester, allerweisester, liebevollster Vater, sei ewiger Dank und alle unsere Liebe, Lob und Preis für alles, wie und warum Du uns also gestaltet hast; denn jegliche Gabe von Dir ist ja allzeit eine höchst weise und übergute Gabe!

25] Nur dauert uns hier der erhabenen Väter, darum sie unsertwegen hier also auf der Erde nun schmachten, trauern - und gar weinen!

26] O Du liebster, Du von uns aus allein allergeliebtester Vater, erbarme Dich ihrer und stärke sie wieder mit Deiner allein über alles heiligen Liebe, und vergib aber auch uns, so wir doch sicher schuld daran sind, darum es den erhabenen Vätern nun also kläglich vor Dir geht! Dein heiliger Wille geschehe jetzt, wie in alle Ewigkeit der Ewigkeiten!«

27] Und der Abedam sagte zu ihnen: »Meine lieben Töchterchen, sorgt euch nicht ohne Not! Sehet, die vor Mir sich also gerechtermaßen demütigen, denen geht es durchaus nicht also kläglich, wie ihr es meinet, sondern gerade im Gegenteile nur; denn näher ist Mir niemand und Ich nie jemandem näher irgendwann als gerade im Zustande seiner größten Demütigung vor Mir. Solches ist aber nun auch der Fall bei diesen Vätern, die ihr in euren zartesten Herzen bedauert vor Mir und euch selbst beschuldigt ohne Not und die allergeringste Schuld.

28] Oder möchtet ihr wohl glauben, daß der auch einer Sünde fähig ist trotz seines freiesten Willens, den Ich auf Meinen Armen trage?!

29] O seid darum nur frohen und heiteren Mutes; denn solches habe Ich schon von Ewigkeit her vorgesehen! Darum habt ihr keine Schuld; geht aber hin zu den Vätern und heißet sie von Mir aus erstehen! Amen.«

30] Und die beiden sprangen alsbald hin zu den Vätern und richteten an sie des Herrn Willen.

31] Und alsbald erhoben sich die Väter und priesen und lobten Gott mit lauter Stimme.

32] Der Abedam aber beschied zuerst die beiden zu den Ihrigen zurück und fragte darauf den Kenan:

33] »Nun, - welcher erkennst du nun den Preis zu?«

34] Der Kenan aber legte die Hand auf seinen Mund.

35] Und der Abedam sagte zu ihm: »So du quitt bist mit deinem Urteile, so bin es auch Ich; denn aus zwei Liebsten wird wohl keine die liebere sein!

36] Doch aber ist ein Unterschied zwischen ihnen; aber die Erde hat kein Auge für derlei Unterschiede!

37] Und also kehret wieder auf eure vorige Stätte zurück! Amen.«



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