Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes' (Band 1)


Kapitelinhalt 162. Kapitel: Der hohe Abedam im Kreise Seiner seligen Kinder. Das Ende des Unwetters.

01] Nach dieser warmen Dankrede aber wendete sich gar liebefreundlichen Angesichts der hohe Abedam zum Seth und sprach zu ihm: »Seth, Mein Sohn, hierher komme, da her, an diese Brust, die dich schon eher geliebt hat, als noch irgendeine Sonne einer Erde ihre Bahn erleuchtete!

02] Liebe Mich, liebe aus vollem Herzen den Vater, der aus ewiger Liebe zu dir den weiten Himmel über die Erde, Sonne, Mond und alle Sterne ausspannte, um dir zeigen zu können, ein wie überaus guter, heiliger Vater Er dir ist, ewig war und ewig bleiben will und wird!

03] Nicht wahr, Mein geliebter Seth, an des ewigen, heiligen Vaters Herzen ruht sich's sanft und wohl?! -

04] Auch du, Adam, komme her, und ihr alle drei, und empfindet es und verkostet es, wie süß die Liebe des heiligen Vaters schmeckt, und wie wohl sie tut dem müden Herzen der Kinder!«

05] Sie fielen aber alle vor Ihm nieder und riefen in der höchsten Entzückung: »O Du überguter, heiliger Vater", - und mehr vermochte keiner zu sprechen.

06] Der Abedam aber richtete sie auf und sagte ferner zu ihnen: »Meine geliebten Kinder! Ihr habt Mich oft gesucht, habt Mich lange mühsam gesucht, ja über allen Sternen habt ihr Mich gesucht, während Ich doch beständig unter euch wandelte; allein ihr habt Mich nicht finden und nicht erkennen können, weil eure Augen und so auch eure Herzen stets weithin gerichtet waren, um Den zu suchen und zu lieben, der euch allen doch stets so nahe war, ja näher als jeder sich selbst!

07] Doch ihr habt Mich jetzt gefunden und seid überglücklich, daß ihr Mich gefunden habt; so laßt uns denn nun auch aus der Hütte treten und sehen, wer alles unserer Hilfe harrt!

08] Dir, Seth, aber gebe Ich nun die Macht, zu stillen den noch stark tobenden Sturm, - und es wird sich dann bald zeigen, wer alles noch den nahen Vater erkennen wird! Amen.« (26.11.1841)

09] Und also gingen sie nun aus der Hütte ins Freie, allwo das Wetter, obschon scheinbar ein wenig nachlassend, noch mit großer Kraft wütete. Im Vorübergehen bei der Eva sagte aber Abedam, der hohe, den fünfen, welche die Eva umgaben und sie trösteten:

10] »Wo ihr seid, da bleibt auch derzeit solange, bis wir wiederkommen! Wer da übt Nächstenliebe, der wird wieder Nächstenliebe finden; wer aber wartet der schwachen Mutter, der wird auf der Erde mit Liebe belohnt sein; wer aber Liebe hat zum Lohne, der hat ein teures Pfand in seiner Hand, mit welchem er sich leicht das Allerkostbarste wird verschaffen können.

11] Ich sage euch aber: Wenn der Mensch wüßte, wie nahe er oft dem höchsten Glücke ist, so würde er alles verlassen und diesem nachgehen! Allein auch solches ist gut, daß er es nicht weiß; denn wüßte er es, so würde er dann träge und ließe unbearbeitet den eigenen Grund und Boden.

12] Darum bleibt auch ihr dahier und bearbeitet euer Erdreich; denn es hängt da nicht ab von einer langen Zeit, sondern manchmal kommt es auch auf eine Minute an. Wenn in derselben der Same ins Erdreich fällt, so geht er alsbald auf, und der schnell getriebene Keim wird dann bald seine neuen Zweiglein im Lichte des Tages ausbreiten!

13] Ich aber bin ein wohlerfahrener Sämann und kenne die rechte Zeit des Samenstreuens in das Erdreich. Laßt daher diesen Samen frühzeitig aufgehen, und treibt ihn mit der Wärme eures Herzens! Wahrlich, es soll auf seinen schnell erwachsenen Ästen keine gewöhnliche Alltagsfrucht zum Vorscheine kommen!

14] Daher bleibet, und beachtet wohl diese Worte!«

15] Nach diesen Worten aber traten sie alsbald aus der Hütte. Die fünf aber, nachdem die sechs aus der Hütte getreten waren, fingen an, sich untereinander zu befragen: »Wer ist denn dieser Fremdling? Woher ist er?

16] Ist das nicht derjenige, der am Abende mit dem Abedam, der da zurückkam, sich uns anschloß?!

17] Er sieht doch sonst einem ganz gewöhnlichen Menschen gleich! Woher ist ihm denn solche Weisheit gekommen, da wir ihn doch früher nie unter uns gesehen haben?

18] Seine Rede war ja eine der merkwürdigsten, die wir je vernommen haben! Er sagte von sich aus, daß er ein wohlerfahrener Sämann sei. Er habe jetzt einen Samen in uns gestreut; der solle bald aufgehen und, wie wir es verstehen, schon am nächsten, das ist somit am morgigen Sabbate Zweige, Blätter und gar ungewöhnliche vollreife Früchte tragen! Was sollen denn das für Früchte sein?

19] Das verstehe, wer es kann und mag; allein wir, die wir doch alle den Emanuel Abba gesehen und gehört haben und Zeugen waren von all Seinen Wundertaten und von Ihm geweckt und gesegnet worden sind, können dieser Worte Sinn nicht fassen!

20] Es ist zwar sonderbar, daß wir als Gesegnete solches nicht vermögen, - aber es ist denn schon einmal so!«

21] Dem Enos aber fiel endlich das Licht in der Hütte auf, daß er alsbald solches auch den übrigen zu erkennen gab.

22] Und der Kenan sagte dann zu dem Enos und auch zu den anderen: »Hört, das ist wahrhaft sonderbar, erst jetzt fällt es auch mir auf! Es ist nirgends etwas Leuchtendes zu ersehen, und doch herrscht volle Tageshelle hierinnen!

23] Wie ist das möglich? Wer von uns allen begreift dieses?« -

24] Die Eva aber richtete sich auf und bemerkte den fünfen, sagend: »Kinder, wie fragt ihr euch untereinander um Dinge, die keiner von euch versteht!

25] Höret, aller Sturm ist verstummt; Ruhe haucht nun wieder sanft über die hart geprüften Fluren der Erde; den Blättern der Bäume entfallen die letzten Tropfen ausgestandener großer Angst, und ein kühler Tau heilt schon so manche Wunde, welche sicher die Blitze den gesunden Stämmen geschlagen haben; und über die Augen der kleinen, furchtsamen Kinderchen möchte sich schon vielleicht ein erquickender Schlaf ergossen haben; und alle, welche diese lange Schreckensstunde vielleicht zur Verzweiflung trieb, werden auf ihren Angesichtern, zerknirschten Herzens und in Reutränen zerfließend, Gott für die Rettung danken.

26] Wie könnt ihr euch denn die Köpfe zerbrechen über eine gefundene Schafwollocke, - dabei aber unbeachtet lassen das lebendige Schaf?!

27] Der wohlerfahrene Sämann hat einen herrlichen Samen in euch gestreut; wenn ihr ihn aber zertretet, da werden wenige Zweige des Tages Licht erblicken!

28] Solches aber wisset ihr ja alle, daß der Same in der Erde Ruhe haben muß, so er fruchtbringend erkeimen und also gesegnet gedeihen soll! Warum wollt ihr denn eurem Samenkorne keine Ruhe gönnen und zerstampft es dafür mit eures Verstandes matter Schärfe?!

29] Nicht nur allein für diejenigen, die da draußen sind, hat der Sturm aufgehört, sondern auch für euch! Ja wir alle sind gerettet! Denket daher statt eures Kopfzerbrechens lieber in euren Herzen, wer uns gerettet hat, und dankt Ihm für solche große Erbarmung, so wird sicher eher Licht werden in euch denn durch euer Kopfsinnen!

30] Fraget euch nicht, wer der Fremde ist, da Ihn von euch noch keiner kennt, sondern beachtet dafür lieber Sein herrliches Wort im Herzen, damit es bald keime und aufgehe! Und so ihr dann am Tage die Frucht ersehen werdet, wird es euch sicher leichter sein, den fremden herrlichen Sämann zu erkennen aus der Frucht, als also, da ihr mit der Finsternis eurer Köpfe schon des Tages Licht schauen wollt oder vielleicht gar schon zu schauen wähnet!

31] Wenn auch das Weib nicht lehren soll, so steht es aber doch der Mutter zu, ihre törichten Kinder zurechtzuweisen, wenn sie Torheiten sieht bei ihren Kindern. Versteht solches wohl! Geht in eure Herzen, und suchet da Licht für eure Finsternis, und schweiget! Amen.«

32] Diese Worte Evas gingen den fünfen gewaltig zu Herzen, daß sie darum auch dankbar alsogleich taten, was hochrechtens Eva von ihnen mutterliebweise verlangte.

33] Was machten aber derzeit die sechs draußen? Wie fanden sie bei ihrem Austritt aus der Hütte die Erde und die Kinder auf der Erde?

34] Noch zerkreuzten tausend Blitze die glühenden Wolken; hundert Berge ringsherum standen noch in vollster vulkanischer Tätigkeit; das Meer war meilen- und meilenweit zurückgewichen; hie und da brannten noch von den Blitzen entzündete Wälder; dumpf noch rollten die Donner; nicht selten schlug noch ein Blitz gewaltig krachend in die noch stark bebende Erde, und der schon fernen Waldbewohner Geheul widerhallte noch schaurig aus den Tiefen!

35] So also war es noch draußen. Und tausend und abermals tausend Kinder lagen dabei in weiten Kreisen um die Hütte Adams und priesen Gott für die Errettung; und bebende Mütter lockten weinend ihre Kindlein, die nicht selten mitweinten; einige aber schliefen auch schon schreckensmüde auf den Schößen der schluchzenden Mütter ein.

36] Und die sechs gingen umher und besichtigten alles und trösteten die niedergedrückten Herzen der Väter und Mütter.


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