Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes' (Band 1)


Kapitelinhalt 150. Kapitel: Ein Evangelium der Liebe.

01] Und der Henoch erwiderte darauf noch folgendes: »Ja, also ist es! A1so empfand es tief mein Geist; nur hätte es meine Zunge nicht auszusprechen gewagt. Denn auch hier sagte mir mein Geist: ,Laß ruhen deine matte Zunge; denn solches auszusprechen, auf daß es segenwirkend werde, hat sich eines Mächtigeren Zunge vorbehalten!

02] O großer Abedam, höre mich in der Stille meines Herzens; denn hier ruft es: ,Jehova, wie groß und heilig muß Deine Liebe sein! So Du jemandem bescheidest eine Gnade auf den morgigen Tag, dann gibst Du, guter, heiliger Vater, ohne daß es der blinde Beschiedene merkt, die beschiedene Gnade schon mit dem Bescheide selbst!

03] Daher auch, o bester, heiliger Vater, je mehr ich in meinem Herzen Deiner unendlichen Güte nachforsche, findet mein Herz fast gar keine Worte mehr, Dich, o Vater, gebührend zu loben, zu preisen und anzubeten; und mein Herz wird für die mächtige Liebe zu Dir zu enge, und so muß Dich endlich die im Herzen nicht mehr Platz habende Liebe in allen Teilen und Gliedern, in welche sie übergeströmt ist, heiß erfassen und über alles lieben!'

04] Aber wenn ich wieder meinen Geist frage: ,Kann ich denn nicht heftiger noch, nicht unendlich mehr noch lieben den guten, heiligen Vater?', da tönt's im Geiste mir wieder: ,Wer, dessen Herz mit Liebe erfüllt ist, kann lieben, wie er möchte?! Siehe, die Liebe ist ein Nimmersatt und kann daher auch nimmer irgend Sättigung finden denn allein in der unendlichen Liebe des heiligen Vaters!'

05] Und so, o Vater, liebe ich Dich mit der Liebe stets größerem Heißhunger; und wäre es möglich, o wie sehnsüchtig möchte ich mich an Dir, o Vater, zu Tode lieben!

06] O Vater, mein heiliger, lieber Vater, nimm den Tautropfen meiner Liebe also an, als wäre er etwas vor Dir! Amen.

07] Und du, mein geliebter Bruder Abedam, sage mir: Wie ist dir jetzt ums Herz, ja ums liebende Herz, nachdem du jetzt doch sicher erkannt haben wirst, um welche Stunde der Nacht es ist?«

08] Und der bekannte Abedam entgegnete dem Henoch: »Geliebtester Bruder, siehe, du bist in deiner Liebe eher noch glücklicher denn ich, da du doch noch reden kannst im Feuer deines Herzens! Siehe, da bin ich schon wieder ganz entsetzlich dumm! Wenn mich, wie jetzt, die Liebe so recht fest packt, da bringe ich nur mit der genauesten Not von der Welt so viel Worte zuwege, als du sie eben jetzt von mir vernimmst, - darf aber den Gegenstand meiner Liebe nicht nennen, sonst ist's plötzlich gar mit der spottschlechten Kunst meiner Zunge!

09] Doch soviel kann ich dir jetzt noch sagen, daß meine unendliche Dummheit endlich doch erkannt hat, daß sie früher nicht erkannt hat, wie spät oder um welche Zeit der Nacht es sei, wenn sie es auch zu erkennen wähnte. Jetzt aber erkenne ich es wohl auf ein Haar, sage ich dir, um die wievielte Stunde es nun ist! Aber nun weißt du's auch, daß wir schweigen müssen bis morgen - Siehe, ich bin schon stille!«

10] Abedam, der andere, aber gab beiden Sein Wohlgefallen zu erkennen und sagte darauf: »Höret, also ist es: Die rechte Liebe muß sich auch zu Tode lieben, entweder im Geiste oder in der Tat des Fleisches, und dieser Tod ist erst die wahre Auferstehung zum wahren ewigen Leben, in welchem dann diese Liebe ganz allein leben wird in der allerhöchsten, sich stets und ewig steigernden Wonne und in wahrer, allermächtigster Wollust des eigenen Lebens. Es harrt aber einer jeden Liebe ein gleiches Lösungslos. Wer da liebt die Welt, der wird sterben in der stets wachsenden Weltliebe; weil aber die Welt kein Leben hat, sondern nur den Tod, so wird der in der Weltliebe Gestorbene auch nimmerdar erstehen zu einem neuen Leben, sondern zum neuen Tode nur.

11] Wer da liebt das Fleisch, der wird durch diese Liebe auch dem Fleische sterben; da aber auch das Fleisch tot ist, so wird er auch nimmerdar erstehen zum neuen Leben, sondern gleich den Weltliebenden zum neuen Tode des Fleisches.

12] Wer da liebt sich selbst, der wird auch sterben in seiner eigenen Liebe; und da jeder Mensch bei und für sich tot ist, so wird der sich selbst Sterbende auch nimmerdar erstehen zum neuen Leben, sondern eben auch in sich zum neuen Tode. Wer aber da ist ohne alle Liebe und ist erfüllt mit Haß aller Dinge, bei dem hat schon der zweite Tod seine Wohnung aufgerichtet; wer aber da hat ein zornmütiges Herz, an dessen Herz pocht schon der zweite Tod; und wer da ist geizig und voll Neid, den hat der zweite Tod schon mit beiden Armen umfangen.

13] Und wer endlich sich wird Schätze und Reichtümer der Welt sammeln, der ist es, der da dem zweiten Tod erbaut eine bleibende Stätte; und wer da liebt dieser Erde Leben, welches da ist ein vorübergehender Tod oder ein teilweises fortwährendes Sterben, der wird zu sterben nimmerdar aufhören.

14] Es tötet zwar jede Liebe, auch die Liebe zu Gott; aber in keiner getöteten Liebe wird sich das Leben je wiederfinden denn allein in der Liebe zu Gott, weil Er allein das ewige Leben Selbst ist.

15] Es wird zwar jede Liebe sich wiederfinden ihrer selbst bewußt; allein, Freunde, es wird in dem Wiederfinden ein undenklicher Unterschied sein, nämlich: ob im Leben, oder ob im Tode!

16] Also aber, Henoch, ist deine Liebe schon gestorben allem und hat sich wiedergefunden in Gott; daher auch bist du schon neu lebend für alle Ewigkeiten der Ewigkeiten. Doch wie du das zweite Leben gefunden, so werden fürder es nur wenige finden; denn nur der inneren Liebe zu Gott mächtigstes Feuer mag solche Gnade bewirken. Verstehet dieses Gesagte wohl, und schweiget bis morgen!«

17] Nach dieser Rede aber waren auch alle glücklich bei der Hütte Adams angelangt, allwo sie sich ein wenig zur Erde niederließen und alle von Adam den altgebräuchlichen guten Vatersegen empfingen.

18] Nach dem aber erhoben sie sich alle, verneigten sich ehrerbietigst gegen Adam und dankten ihm für den Segen und wurden nach dem entlassen zur Ruhe. Den Henoch, die beiden Abedame und den Lamech aber bat der Adam, bei ihm einzukehren und dazubleiben; und den Seth aber erinnerte er, zu sorgen für ein Abendmahl. Und alsbald ging der Seth in seine Hütte, allwo ihn sein Weib und viele seiner Kinder sehnsüchtigst erwarteten, welche er alle sogleich zur Hütte Adams beschied, um da den Segen zu empfangen also wie all die vielen anderen Weiber und Kinder, die schon lange auf die Ankunft Adams und der anderen Väter mit großer Sehnsucht harrten.

19] Und nachdem sie alle den Segen von Adam empfangen hatten und wieder ehrerbietig und dankbar die Hütte Adams verließen, kam auch schon der Seth und bald nach ihm sein Weib, reichlich mit Speise und Trank beladen, in die Hütte.

20] Es war aber schon sehr dunkel geworden, und zugleich kam auch ein starkes Ungewitter herangezogen, darum der Abend noch finsterer wurde.

21] Und der Adam erbat sich denn darum auch einen tüchtigen Pechstock beim Seth, dessen Fabrikant der Henoch war, um damit die finstere Hütte zu erleuchten.

22] Abedam, der fremde, aber sprach zum Adam und Seth: »Höret, Freunde, lasset das gut sein. Seht, wozu zu viele überflüssige Mühe für den müden Seth, der auch kein Jüngling mehr ist?!

23] Was die Erleuchtung der Hütte betrifft, da überlaßt nur Mir die Sorge, - es soll sogleich Licht werden hierinnen; denn Ich verstehe Mich aufs Lichtmachen noch besser denn Henoch mit seinen Pechstöcken!

24] Und Ich brauche nur zu sagen: Es werde Licht!, und wie ihr alle seht, wir alle haben des Lichtes in gerechter Menge in der Hütte!«

25] Und es ward auch augenblicklich - niemand wußte woher, denn es war nirgends ein leuchtender Körper zu erspähen - tageshell in der Hütte.

26] Henoch und der Abedam wußten zwar wohl, woher das Licht kam, und kannten den Urheber des Lichtes; aber wie, das wurde ihnen verborgen. Und so dankten alle dem Herrn nach der langen Verwunderung und ließen sich endlich nieder und aßen und tranken alle wohlgemut. Und selbst der andere Abedam ließ nichts merken von Sich und aß und trank mit allen heiter mit.


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