Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes' (Band 1)


Kapitelinhalt 77. Kapitel: Aufbruch der Patriarchen zu den Kindern des Abends.

01] Und alsbald ordneten sie sich nach dem Willen Adams und machten sich auf die Reise zu den Kindern, die da im Abende wohnten.

02] Es opferte Mir jeder sein Herz und lobte Mich in der Stille, so die Fortreisenden und so auch die noch dableibenden Kinder des Mittags.

03] Und die dableibenden Kinder des Mittags verneigten sich vor den Hauptstammeltern und dankten ihnen für solche frohe Botschaft und priesen Meinen Namen und lobten Meine Liebe über die Maßen und wurden voll Freuden über Meine große Erbarmung.

04] Und siehe, unter solchen guten Verhältnissen schieden hier die ersten Menschen der Erde von ihren Kindern.

05] Der Weg war hier von Mittag an bis gen Abend ein sehr großartiger - es versteht sich, nur von menschlichen Augen betrachtet! -; er war das im höchsten Grade, was ihr unter dem Ausdrucke,romantisch' versteht.

06] Der großen, jetzt nirgends mehr anzutreffenden Seltenheit wegen will Ich ihn euch ein wenig näher vor die Augen rücken; und so merket und malet es euch im Herzen aus!

07] So aber hat die Gegend ausgesehen, durch welche der Weg gen Abend führte: Stellt euch vor sieben in einer Linie aufgestellte Kegel von graulichblauer Farbe, einen jeden siebentausend Fuß hoch, zuunterst ein siebentel Meile im Durchmesser! Denkt, daß ein Kegel sich an den andern schloß, wie wenn jemand solche Kegel so aneinanderstellen möchte, daß sich dieselben an den Füßen berühren möchten!

08] Wie aber die sieben Kegel in einer Front nebeneinander stehen, so - bildet es euch ein! - stehen hinter einem jeden Kegel noch zehn in stets abnehmenden Dimensionen und in den verschiedensten Färbungen. Aus der Spitze eines jeden Kegels springt eine reine Wasserquelle hervor. Vor der Hauptfront, ungefähr in einer Entfernung von hundert Klaftern, ist ein gerader Weg, der sich um tausend Fuß höher denn die Füße der Kegel über einen schnurgeraden Gebirgsrücken hinzieht, dessen nördliche Seite mit den schönsten Zedern und Palmen, Pappeln und Platanen bewachsen ist; aber auf der südlichen Seite ist außer den erwähnten Steinkegelgruppen mit ihren großen Winden gleich rauschenden Wasserfällen nichts zu sehen denn kahler, nur hie und da mit kleinem Grase und Moose überwachsener Steinboden.

09] Nun, da ist eine kurze Beschreibung des Weges von Mittag gen Abend! Denket euch noch die unbeschreibliche Wirkung, welche durch die Strahlen der Sonne hervorgebracht wird, so sich diese in den zahllosen Wasserbogen brechen und obendrauf noch durch die Kegelspalten die allerbunteste Farbenpracht der hinteren, kleineren Kegelreihen schimmert, so habt ihr in aller Kürze alles, woraus ihr; euch ein ziemlich deutliches Bild dieser Wegpartie gen Abend machen könnt!

10] Auch dieser Weg war ein Liebingsweg des Adam. Er wandelte allhier besonders an sehr warmen Tagen gern, weil da stets kühle Lüfte wehten, und überdies diente ihm dieser Anblick auch stets zu großen Begeisterungen in den früheren Zeiten. Wenn er von da zurückkam, sprach er mit seinen Kindern in sehr erhabenen Worten über Meine Liebe, Gnade, Weisheit, Erbarmung, Heiligkeit, Größe und Macht; er nannte daher auch diesen Weg: ,Die Beschauung der sieben Mächte aus der Ewigkeit des großen Gottes Jehova'.

11] Als nun die Väter zu diesem Wege gelangten und nach und nach bis zum mittleren Kegel vor gelangt waren, ließ der Adam den Marsch ein wenig innehalten, um sich ein wenig an der großartigen Naturszene weiden zu können.

12] Und alsbald ließen sich alle Kinder nieder und ergötzten sich an dem stummen, mächtigen Walten der laut tobenden toten Natur.

13] Nach einer kurzen Pause aber, in welcher Meiner wohl gedacht wurde, wandte sich Adam zum Asmahael und fragte ihn: »Asmahael, sage uns, was du an dieser Szene findest, und wie sie dir gefällt!«

14] Asmahael aber wandte sich ehrfurchtsvoll zu Adam und sprach: »O Vater der Väter der Erde! Du fragst hier den Schwachen, allwo für den Stärksten zu groß und zu viel wird geboten; doch, wenn ich betrachte die hohen und steilen, bewässerten, spitzigen Säulen aus bläulichtem Steine, gestaltet vom mächtigen Finger des ewigen Gottes, da denk ich im Herzen: Für Große ist Großes nicht groß, und für Kleine ist Großes unnütze! Was soll denn die Mücke aus Bergen wohl machen?! Was nützen der Fliege die Finger von unseren Händen?!

15] Und so ich betrachte allhier diese mächtige Szene, o Vater der Väter der Erde, gewahr' ich gar klärlich, daß Großen nur Großes mag frommen; der Fliege jedoch soll zufrieden genügen ein sumsendes Paar leichter Flügel!

16] Ihr Väter, ihr großen und mächtigen Kinder des Höchsten! Für euch sind so große, so herrliche Dinge vom mächtigen Finger der Gottheit gestaltet, - ihr könnt sie nützen, begreifen und loben; für mich sind die Berge am Rücken der Fliege gelagert.

17] O Väter der Väter der Erde, was nun ich gesagt, ist alles, was ich euch zu sagen vermochte; o lehrt mich anders, wo möglich, solch Größe der Dinge im Geiste begreifen. Amen.

18] Als aber der Adam solche demütige Bescheidenheit vernommen hatte, freute er sich überaus und sagte, zu den übrigen sich wendend:

19] »O liebe Kinder, höret. Der Asmahael kommt mir vor wie ein längere Zeit hindurch brachgelegenes Feld welches zwar während der Brachzeit keine Früchte getragen hat - denn es war nur ein brachliegendes Feld wenn aber ein guter Same auf seine Erde gesät wird und dann eingefurcht in die Tiefe, so wird aus einem solchen Acker in kurzer Zeit hundertfältige Frucht zum erfreulichen Vorscheine kommen.

20] So auch kommt es mir mit Asmahael vor; denn er ist noch nicht zwei volle Schattenwenden in unserer Mitte aber wahrlich, mit unserer alleinigen Ausnahme möchte er wohl alle anderen Kinder auf den Höhen beschämen!

21] Höret, liebe Kinder! Wenn die Armen der Tiefe allesamt nur dem Asmahael irgend nahekommen in seiner Fruchtbarkeit, wahrlich, es wäre ewig jammer und schade, daß wir ihnen nicht zu Hilfe kämen!

22] Daher wollen wir uns heute in meiner Hütte beraten unter dem mächtigen Beistande Gottes, was in dieser Hinsicht zu tun sein soll.

23] Der Herr aber möge uns bewahren vor jeglicher Eigenmächtigkeit! Amen.«


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