Jakob Lorber: 'Die geistige Sonne' (Band 2)


Kapitelinhalt 119. Kapitel: Der Geist als Schöpfer seiner eigenen Welt.

(Am 4. Dezember 1843 von 4 1/4 - 5 3/4 Uhr Abends.)

Originaltext 1. Auflage 1870 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text nach 6. Auflage 1976 Lorber-Verlag

01] Ein guter Landschaftsmaler und zugleich großer Freund von schönen Landpartien kommt von solch' einer Landpartie nach Hause; die Gegend aber, die er bei dieser Landpartie gesehen hat, gefällt ihm so überaus wohl, daß er für immer in derselben sich aufhalten möchte. Seine Geschäfte aber lassen ihm Solches nicht zu; was bleibt ihm daher übrig, um sich doch wenigstens dem Scheine nach in dieser für ihn so herrlichen Gegend zu befinden? - Er malt diese Gegend auf die zwei leeren bedeutend großen Wände seines Wohnzimmers, und das nach seiner großen Kunstfertigkeit so vortrefflich, daß ein Jeder, der ihn besucht, sich hoch verwundernd augenblicklich die herrliche, allgemein bekannte schöne Gegend erkennt.

02] Frage: Wo hat denn unser Maler das Vorbild für diese Gegend hergenommen? - Hat er etwa irgend Kupferstiche vor sich gehabt? Oder hat er selbst an Ort und Stelle früher die Gegend contourmäßig aufgenommen? - Nein, weder Eins, noch das Andere, sondern er hat die lebendige Contour der Gegend in seiner Phantasie festbehalten und sie hier auf die Wand getreu wiedergegeben.

03] Das ist ganz richtig, und ein jeder Mensch sieht davon die Möglichkeit ein; aber sicher sieht es nicht ein jeder Mensch ein, auf welche Weise unser Maler die schöne Gegend in seiner Phantasie auf diese Wand gebracht hat. - Hier fragt es sich also: wie und auf welche Weise hat denn dieser Maler die Gegend in seiner Phantasie auf die Wand gebracht? - Sehet, das ist ein gar wichtiger Lebensproceß, und besagt gar viel; daher wollen wir ihn auch ein wenig näher beleuchten. - Wir haben bei der Gelegenheit der Beschauung unserer Centralsonne so klar als möglich kennen und einsehen gelernt, was Alles in dem Geiste des Menschen vorhanden ist; denn wäre es nicht in dem menschlichen Geiste vorhanden, woher wohl könnte er von Dem je eine Idee fassen, und sich irgend eine Vorstellung machen, was noch nie ein sterbliches Auge geschaut hat?

04] Nun aber kann der Mensch in sich selbst zu unbegreiflich hohen und übersinnlich geistigen Anschauungen gelangen; und so muß er dann ja alles das in sich haben, was je seine Phantasie hervorbringen kann.

05] Die Phantasie eines Menschen aber kann rein und unrein sein; rein ist sie dann, wenn freilich wohl selteneren Falles der unsterbliche Geist des Menschen in seinem Leibe schon so absolut dasteht, daß seine reinen Bilder nicht durch die Bilder der Außenwelt getrübt und verunreiniget werden. Also kann auch die Phantasie durch die Auffassung bloß äußerer Bilder rein sein, wenn sie durch die Kraft der Seele die geschauten Bilder festhält und sie dann bei Gelegenheit naturgetreu wiedergiebt. - Unrein aber ist die Phantasie, wenn für's Erste sich der Geist noch zu sehr passiv in seinem Leibe sowohl zu seinen inneren Bildern, wie zu denen der Außenwelt verhält, allwo sich dann Alles durcheinander mengt, Geistiges und Naturmäßiges, und wenn er ein Phantasiebild aufstellt, Niemand daraus klug werden kann, was es so ganz eigentlich vorstellt, ob Geistiges oder Naturmäßiges; zu welcher Classe von unreinen Phantasiebildern alle jene mittelalterlichen mystischen Obscönitäten gehören, laut welcher der Himmel seine wunderliche Gestalt erhalten hatte, die Hölle und das sogenannte Fegfeuer zu einem Bratofen ward, und dergleichen Thorheiten mehr.

06] Daraus aber geht hervor, daß im Geiste, der das ganze Leben seiner Seele wie seines Leibes ausmacht, vorerst schon Alles vorhanden sein muß vom Kleinsten bis zum Größten, was die ganze Unendlichkeit faßt, also Himmel und Hölle, und inzwischen diesen beiden Extremen die ganze naturmäßige Welt; - und dieses endlos lebendig reiche Vermögen des Geistes ist dann das, was ihr im allgemeinen Sinne die Phantasie nennet.

07] Wenn dann Jemand aus dieser reichen Kammer Etwas hervorholen will, so darf er dafür nur seine Liebe erwecken; je stärker die Liebe wird, desto heftiger ihre Flamme und desto heftiger ihre Wärme und ihr Licht.

08] Durch diese Eigenschaft der Liebe wird das von ihr erfaßte Bild selbst lebendig, prägt sich durch das Licht der Liebe immer deutlicher und deutlicher aus, bis es endlich, wie die Gegend unseres Malers, die Vollreife erlangt hat; - und dieses durch die Eigenschaft der Liebe ausgereifte Bild im Menschen selbst ist die eigentliche innere Welt des Geistes.

09] Nun wissen wir, woher der Maler das Bild genommen hat. Allein das ist das Wenigere; wir wissen noch etwas mehr, und das besteht darin, daß der Geist auf diese Weise der Schöpfer seiner eigenen Welt ist.

10] Wir wissen aber auch, daß jedes Ding in der Welt entsprechend gut oder schlecht sein kann, und dazu wird es von der Liebe gemacht. Ist die Liebe nach der Ordnung Gottes, so wird durch sie Alles gut; ist diese wider die Ordnung Gottes, so wird durch sie Alles schlecht. - Auf diese Weise entwickelt dann in sich ein jeder Mensch entweder den Himmel oder die Hölle.

11] Eine jede That und Handlung muß eine Ortsunterlage und an und für sich selbst eine gewisse Form haben, oder besser Harmonie, unter welcher sie geschieht.

12] Wie kommt euch aber eine Gegend vor auf der Erde, in welcher ihr Denkmäler von vielen Gräuelthaten findet? - Sicher wird euch bei ihrem Anblicke ein geheimer Schauder befallen. Sehet, das ist schon die Form des Höllischen; denn im Geiste bildet sich hernach ebenfalls eine solche Welt aus, die voll Denkmäler von Gräuelthaten ist. - In dieser Welt erschaut der Geist unendliche Tiefen zurück, und in ihnen sein unverbesserliches böses Verhalten; aber ganz anders verhält es sich, wenn ihr in eine Gegend kommt, in der von jeher edle Menschen gewohnt haben, die überaus viel Gutes und Edles thaten. - Gar heimlich wird es euch da vorkommen, und ihr werdet ein verklärendes Gefühl in euch überkommen, als befändet ihr euch etwa im Schooße Abrahams, und das ist ein Vorgefühl des Himmels. - Im absolut geistigen Zustande prägt sich dann eben dieses Gefühl sammt der Form auf das Lebendigste aus, und diese Form ist des Himmels geistige Oertlichkeit und, wie ihr leicht einsehet, ebenfalls ein Werk des Geistes.

13] Aus Dem aber geht dann klar hervor, daß ein jeder Mensch durch die Art seiner Liebe der Schöpfer seiner eigenen inneren Welt wird, und daß er nie in irgend einen Himmel oder in irgend eine Hölle kommen kann, sondern nur in das Werk seiner Liebe; - darum es auch heißt: „Und euere Werke folgen euch." - Und auf eben diese Weise, wie wir jetzt die Erscheinlichkeit der Hölle durchgemacht haben, auf eben diese Weise machen es unsere bekannten Sonnenschüler durch. Was aber mit ihnen nachher geschieht, wollen wir nächstens betrachten.

01] Ein guter Landschaftsmaler und zugleich ein großer Freund schöner Landpartien kommt von einer Landpartie nach Hause. Die Gegend, die er bei dieser Landpartie gesehen hat, gefällt ihm so überaus, daß er sich für immer in derselben aufhalten möchte. Seine Geschäfte aber lassen solches nicht zu. Was bleibt ihm daher übrig, um sich wenigstens dem Scheine nach in dieser für ihn so herrlichen Gegend zu befinden? Er malt diese Gegend mit großer Kunstfertigkeit auf zwei leere, große Wände seines Wohnzimmers so vortrefflich, daß ein jeder Besucher sich hoch verwundernd augenblicklich die herrliche, allgemein bekannte Gegend erkennt.


02] Frage: Wo hat denn unser Maler das Vorbild für diese Gegend hergenommm? Hat er etwa Kupferstiche vor sich gehabt? Oder hat er selbst an Ort und stelle früher die Gegend konturmäßig aufgenommen? Nein, weder eins noch das andere, sondern er hat die lebendige Kontur der Gegend in seiner Phantasie festgehalten und sie hier auf der Wand getreu wiedergegeben.

03] Das ist richtig, und ein jeder Mensch sieht davon die Möglichkeit ein; aber sicher sieht es nicht ein jeder Mensch ein, auf welche Weise unser Maler die schöne Gegend in seiner Phantasie auf die Wand gebracht hat. Hier fragt es sich also: Wie und auf welche Weise hat dieser Maler die Gegend in seiner Phantasie auf die Wand gebracht? Seht, das ist ein wichtiger Lebensprozeß und besagt gar viel; daher wollen wir ihn auch ein wenig näher Beleuchten. Wir haben bei der Gelegenheit der Beschauung unserer Zentralsonne so klar als möglich kennen und einsehen gelernt, was alles in dem Geiste des Menschen vorhanden ist. Wäre es nicht in dem menschlichen Geiste vorhanden, woher wohl könnte er von dem je eine Idee fassen und sich irgendeine Vorstellung machen, was noch nie ein sterbliches Auge geschaut hat?

04] Nun aber kann der Mensch in sich selbst zu unbegreiflich hohen und übersinnlich geistigen Anschauungen gelangen, und so muß er ja alles das in sich haben, was je eine Phantasie hervorbringen kann.

05] Die Phantasie eines Menschen aber kann rein und unrein sein. Rein ist sie dann, wenn, freilich selteneren Falles, der unsterbliche Geist des Menschen in seinem Leibe schon so absolut dasteht, daß seine reinen Bilder durch die Bilder der Außenwelt nicht getrübt und verunreinigt werden. So kann auch die Phantasie durch Auffassung bloß äußerer Bilder rein sein, wenn sie durch die Kraft der Seele die geschauten Bilder festhält und sie dann bei Gelegenheit naturgetreu wiedergibt. Unrein aber ist die Phantasie, wenn sich der Geist noch zu sehr passiv in seinem Leibe sowohl zu seinen inneren Bildern wie zu denen der Außenwelt verhält, wo sich dann alles durcheinandermengt, Geistiges und Naturmäßiges, und niemand daraus klug werden kann, wenn er ein Phantasiebild aufstellt, was es so ganz eigentlich vorstellt, ob Geistiges oder Naturmäßiges. Zu dieser Klasse unreiner Phantasiebilder gehören alle jene mittelalterlichen mystischen Obszönitäten (Unanständigkeiten), laut welcher der Himmel seine wunderliche Gestalt erhalten hatte, die Hölle und das sogenannte Fegfeuer zu einem Bratofen wurde und dergleichen Torheiten mehr.

06] Daraus aber geht hervor, daß im Geiste, der das ganze Leben seiner Seele wie seines Lebes ausmacht, vorerst schon alles vorrhanden sein muß, vom Kleinsten bis zum Größten, was die ganze Unendlichkeit faßt, also Himmel und Hölle, und zwischen diesen beiden Extremen die ganze naturmäßige Welt. Und dieses endlos lebendigreiche Vermögen des Geistes ist das, was ihr im allgemeinen Sinne die »Phantasie« nennt.

07] Wenn dann jemand aus dieser reichen Kammer etwas hervorholen will, so darf er nur seine Liebe erwecken. Je stärker die Liebe wird, desto heftiger ihre Flamme und desto heftiger ihre Wärme und ihr Licht.

08] Durch diese Eigenschaft der Liebe wird das von ihr erfaßte Bild selbst lebendig, prägt sich durch das Licht der Liebe immer deutlicher aus, bis es endlich wie die Gegend unseres Malers die Vollreife erlangt hat. Und dieses durch die Eigenschaft der Liebe ausgereifte Bild im Menschen selbst ist die eigentliche innere Welt des Geistes.

09] Nun wissen wir, woher der Maler das Bild genommen hat. Allein das ist das geringere, wir wissen noch etwas mehr, und das besteht darin, daß der Geist auf diese Weise der Schöpfer seiner eigenen Welt ist. -

10] Wir wissen aber auch, daß jedes Ding in der Welt entsprechend gut oder schlecht sein kann, und dazu wird es von der Liebe gemacht. Ist die Liebe nach der Ordnung Gottes, so wird durch sie alles gut; ist diese gegen die Ordnung Gottes, so wird durch sie alles schlecht. - Auf diese Weise entwickelt dann ein jeder Mensch in sich entweder den Himmel oder die Hölle.

11] Eine jede Tat und Handlung muß eine Ortsunterlage und an und für sich selbst eine gewisse Form oder besser Zeremonie haben, unter welcher sie geschieht.

12] Wie kommt euch aber eine Gegend auf der Erde vor, in welcher ihr Denkmäler vieler Greueltaten findet? Sicher wird euch bei ihrem Anblicke ein Geheimer Schauder befallen. Seht, das ist schon die Form des Höllischen; denn im Geiste bildet sich hernach ebenfalls eine solche Welt aus, die voll Denkmäler von Greueltaten ist. In dieser Welt erschaut der Geist unendliche Tiefen zurück und in ihnen sein unverbesserliches böses Verhalten. Aber ganz anders verhält es sich, wenn ihr in eine Gegend kommt, in der von jeher edle Menschen gewohnt haben, die viel Gutes und Edles taten. Gar anheimelnd wird es euch da vorkommen, und es wird euch ein verklärendes Gefühl überkommen, als befändet ihr euch etwa im Schoße Abrahams. Das ist ein Vorgefühl des Himmels. - Im absolut geistigen Zustande prägt sich dann eben dieses Gefühl samt der Form auf das Lebendigste aus. Diese Form ist des Himmels geistige Örtlichkeit und ist, wie ihr leicht einseht, ebenfalls ein Werk des Geistes.


13] Aus dem aber geht dann klar hervor, daß ein jeder Mensch durch die Art seiner Liebe der Schöpfer seiner eigenen inneren Welt wird, und daß er nie in irgendeinen Himmel oder in irgendeine Hölle kommen kann, sondern nur in das Werk seiner Liebe. Darum heißt es auch: 'Und eure Werke folgen euch.'- Und auf eben diese Weise, wie wir jetzt die Erscheinlichkeit der Hölle durchgemacht haben, machen es unsere bekannten Sonnenschüler durch. Was aber mit ihnen hernach geschieht, wollen wir nächstens betrachten.

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