Jakob Lorber: 'Die geistige Sonne' (Band 2)


Kapitelinhalt 107. Kapitel: In der zweiten Hölle.

(Am 15. November 1843, von 4 1/4 - 5 3/4 Uhr Abends.)

Originaltext 1. Auflage 1870 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text nach 6. Auflage 1976 Lorber-Verlag

01] Wisset ihr, warum die Menschen auf der Erde den Gehorsam leisten? Die Antwort ist sehr leicht; etwa aus großer Achtung vor der Person des Herrschers? - O nein! - Denn was man hochachtet, über das schimpft man im Geheimen nicht; noch weniger verflucht und verwünscht man es. Desgleichen aber geschieht von Seite der Unterthanen nicht selten gegenüber ihrem Monarchen. Dem man aber nicht aus Achtung gehorcht, dem gehorcht man noch weniger aus Liebe. Also können wir hier keinen andern Grund des Gehorsams auffinden, als die Furcht.

02] Worauf gründet sich die Furcht? Diese gründet sich Nro. 1 auf die eigene Ohnmacht, Nro. 2 auf die Uebermacht des Herrschers und Nro. 3 auch darauf, weil man weiß, daß ein Monarch mit dem Leben seiner Unterthanen bei Gelegenheiten niemals schonend umgeht. - Denn einem Menschen, der mit nicht selten mehr als einer Million Mordwerkzeugen versehen ist, und für die Tödtung eines wie vieler Menschen Niemanden eine Rechenschaft schuldig ist, ist in keinem Falle über's Maß zu trauen; denn der Zorn eines Herrschers kann der Tod von vielen Tausenden sein.

03] Wenn wir die Sache betrachten, wie sie ist, so streicht sich das immer mehr heraus, daß die Todesfurcht das Hauptmotiv des Gehorsams ist.

04] Nehmen wir aber an, in einem Staate wären lauter vollkommen wiedergeborne geistesgeweckte Menschen, so hätte es mit der Furcht vor der Todesstrafe seine geweisten Wege, und der Herrscher müßte da ganz andere Maßregeln ergreifen, wenn er noch ein Volksleiter verbleiben wollte.

05] Worauf gründet sich aber die Todesfurcht bei den Menschen? - Ich sage euch: auf lediglich nichts Anderes, als auf die Ungewißheit, ob nach dem Verluste dieses Lebens es noch ein anderes giebt. Wer von euch fürchtet sich wohl vor dem Schlafengehen, obschon der Schlaf nichts Anderes, als ein periodischer Tod des Leibes ist? - Warum fürchtet man sich vor dem Schlafe nicht? - Weil man die erfahrungsmäßige Sicherheit hat, daß man nach dem Schlafe wieder zu eben demselben, wenn schon gewisserart neuen Leben erwacht. Könnte man diese Erfahrung hinwegnehmen, so würde sich ein jeder Mensch vor dem Schlafe ebenso fürchten, wie vor dem Leibestode, wie es auch wirklich ähnliche Menschen auf der Erde giebt, die da glauben, sie haben ein ephemeres Leben, welches alle Tage vergeht, und am nächsten Tage stecke ganz Jemand Anderer in ihrer Haut, als am vorhergehenden.

06] Dieser Glaube ist so ein Zweig einer außerordentlich an die Seelenwanderung glaubenden Volksclasse in einem Theile Asiens, die da der Meinung ist, ihre Seele fahre von Tag zu Tag von einem Thiere zum andern, und wohne höchstens nur einen Tag in dem Leibe eines Menschen. Wenn sich des andern Tages eine andere Seele in demselben Menschen der Vergangenheit erinnert, so rühre das von der Einrichtung des Leibes her, durch die eine jede nachkommende Seele nothwendig in dasjenige Bewußtsein versetzt werden müsse, wie Solches von der Einrichtung des Leibes bewirkt werde. - Das ist also ihre Philosophie, der zufolge sich dann ein jeder Mensch ganz entsetzlich vor dem Schlafe fürchtet, indem er diesen für nichts Anderes ansieht, als für das Mittel nur, durch das die alte Seele aus dem Leibe hinausgeschafft wird, um einer andern Platz machen zu müssen. - Aus dem Grunde suchen sich diese Menschen auch so viel als möglich den Schlaf durch allerlei Mittel zu vertreiben; und dieses hat sehr viele Aehnlichkeit mit dem Sichfürchten vor dem Leibestode bei den gewöhnlichen Erdmenschen.

07] Würde der Mensch eines geweckten Geistes gewärtig sein, dem von einem Tode nie etwas träumen kann, so würde er sich um den Abfall des Leibes eben so wenig kümmern und denselben fürchten, als sich ein gewöhnlicher Mensch um den Schlaf kümmert und denselben fürchtet; denn des Geistes Erfahrung ist das ewige Leben, welches unmöglich zerstörbar ist, - so wie der Seele Erfahrung es ist, daß der eingeschlafene Leib des andern Tages sicher wieder erwacht, darum sie denn auch vor dem Schlafe keine Furcht hat.

08] Die Furcht vor dem Tode, als vor einer möglichen Vernichtung des Daseins liegt demnach in der Seele so lange, als der Geist in ihr nicht erwacht, und in ihr sonach auch ein ganz anderes Bewußtsein erzeugt.

09] Also gehen wir nun mit dieser Vorkenntniß wieder in unsere erste Hölle; - in der ist die Seele nichts als ein Genuß- oder Freßpolyp, und das aus lauter stummer Selbstsucht und Selbstliebe aus dem Grunde, weil sie in der Nichtrealisirung ihrer Genußsucht die Vernichtungsmöglichkeit fortwährend vor Augen hat.

10] In der zweiten Hölle ist durch die starke Fastenbehandlung, wie uns bekannt, die begierliche Seele mehr und mehr eingeschrumpft, und dem mit ihr amalgamirten Geiste ist dadurch mehr Freiheit durch diese Absonderungsmethode geworden. In selten besserem Falle kehrt so mancher Geist hier um, kräftiget sich und erhebt dann seine Seele stets mehr und mehr. Im gewöhnlich schlimmen Falle erwacht der Geist zwar auch; da er aber in diesem Erwachen in solcher Vernachlässigung seiner Seele sich überaus gekränkt und beleidigt und auch mit vernachlässiget zu fühlen anfängt, so wird er zornig und läßt in diesem seinem Zorne stets mehr und mehr die Idee in sich aufkeimen, der zufolge ihm für solche Unbill von Seite der Gottheit eine kaum zu berechnende große Genugthuung zu Gute kommen sollte.

11] Allein je mehr der Geist mit dieser Idee groß wächst, desto stärker setzt er seine Rechnung an, und auch desto unzufriedener wird er mit jeder ihm vorgeschlagenen Maßgabe der ewigen Genugthuung.

12] Aus dieser immer größeren Forderung, welche in der stets größeren Unzufriedenheit ihren Grund hat, geht dann der also stets mehr und mehr wach werdende Geist in ein sich rächenwollendes Selbstgenugthuungsgefühl über; - in diesem Gefühle wird er stets mehr zum vollkommeneren Verächter Gottes. - Er ersieht auch zugleich stets mehr und mehr seine Unzerstörbarkeit und stärkt sich mit der Idee, daß der Geist sich durch die Erhöhung seiner Begriffe und Forderungen in's Unendliche stärken kann; und aus diesem Gefühle erwächst dann auch sogar diese Idee, daß die Gottheit sich fürchte vor der stets wachsenden Macht solcher Geister, Sich darum verberge und diese Ihre mächtigen Feinde durch gewisse furchtsame und schwache Spitzelgeister heimlich beobachten lasse, was die mächtigen Geister thun. Sieht es bedenklich aus, so retirirt Sich die Gottheit dann wieder tiefer, und sucht Sich auf alle mögliche Weise vor einem zu mächtigen Angriffe solcher Kraftgeister zu verwahren.

13] Durch diese Idee wird das übermächtige Selbstgefühl des Geistes immer stärker, das Rachegefühl gegen eine vermeintliche Verschmitztheit der Gottheit stets größer. Die Gottheit wird dann natürlich stets ohnmächtiger; der Geist geht dann in den allerförmlichsten Abscheu vor der Gottheit über, fängt Sie allerbitterst an zu verachten und zu hassen, und dabei aber sich selbst als ein Numen supremum anzusehen!

14] Tritt dieser Fall ein, dann ist die dritte Hölle auch schon fertig. Wie diese so sich hervorbildet, müssen unsere Schüler Alles auf dem Wege der göttlichen schützenden Vorsehung ganz geheim mitbeobachten und dann in der untersten Hölle bis zum eigentlichen Grund des Lasters Alles auf dem Wege der Erfahrung erkennen lernen. Wie sich aber am Ende in dieser untersten und bösesten aller Höllen des eigentlichen Lasters Grund beurkundet, wird die Folge zeigen.

01] Wißt ihr, warum die Menschen auf der Erde den Gehorsam leisten? Die Antwort ist sehr leicht. Etwa aus großer Achtung vor der Person des Herrschers? O nein! Denn was man hochachtet, über das schimpft man im geheimen nicht, noch weniger verflucht und verwünscht man es. Dergleichen aber geschieht nicht selten von seiten der Untertanen gegenüber ihrem Monarchen. Dem man aber nicht aus Achtung gehorcht, dem gehorcht man noch weniger aus Liebe. Also können wir hier keinen andern Grund des Gehorsams auffinden als die Furcht.

02] Worauf gündet sich die Furcht? Diese gründet sich erstens auf die eigene Ohnmacht, zweitens auf die Übermacht des Herrschers und drittens auch darauf, daß man weiß, daß ein Monarch mit dem Leben seiner Untertanen bei gewissen Gelegenheiten nicht schonend umgeht. Einem Menschen, der nicht selten mit mehr als einer Million Mordwerkzeugen versehen ist und für die Tötung eines wie vieler Menschen niemandem eine Rechenschaft schuldig ist, dem ist in keinem Falle übers Maß zu trauen; denn der Zorn eines Herrschers kann der Tod von vielen Tausenden sein.

03] Wenn wir die Sache betrachten, wie sie ist, so stellt sich immer mehr heraus, daß die Todesfurcht das Hauptmotiv des Gehorsams ist.

04] Nehmen wir an, in einem Staate wären lauter vollkommen wiedergeborene geistesgeweckte Menschen, so hätte es mit der Furcht vor der Todesstrafe seine geweisten Wege. Der Herrscher müßte da ganz andere Maßregeln ergreifen, wenn er ein Volksleiter verbleiben wollte.

05] Worauf gründet sich aber die Todesfurcht bei den Menschen? Ich sage euch: Auf nichts anderes, als lediglich auf die Ungewißheit, ob es nach dem Verluste dieses Lebens noch ein anderes gibt (Unglaube). Wer von euch fürchtet sich wohl vor dem Schlafengehen, obschon der Schaf nichts anderes als ein periodischer Tod des Leibes ist? Warum fürchtet man sich vor dem Schlafe nicht? Weil man die erfahrungsmäßige Sicherheit hat, daß man nach dem Schlafe wieder zu ebendemselben, wenn schon gewisserart neuen Leben erwacht. Könnte man diese Erfahrung hinwegnehmen, so würde sich ein jeder Mensch vor dem Schlafe ebenso fürchten wie vor dem Leibestode. So gibt es auch tatsächlich Menschen auf der Erde, die glauben, sie haben ein ephemeres Leben, welches alle Tage vergeht, und am nächsten Tage stecke ein ganz anderer in ihrer Haut als am vorhergehenden. -

06] Dieser Glaube ist ein Zweig einer an die Seelenwanderung glaubenden Vollksklasse in einem Teile Asiens, die der Meinung ist, ihre Seele fahre von Tag zu Tag von einem Tiere in ein anderes und wohne höchstens einen Tag im Leibe eines Menschen. Wenn sich in demselben Menschen anderntags eine andere Seele der Vergangenheit erinnert, so ruhre das von der Einrichtung des Leibes her. Eine jede nachkommende Seele müsse notwendig in dasjenige Bewußtsein versezzt werden, das von der Einrichtung des Leibes bewirkt werde. Das ist also ihre Philosophie, derzufolge sich ein solcher Mensch vor dem Schlafe entsetzlich fürchtet, denn er sieht darin nur das Mittel, durch welches die alte Seele aus deim Leibe hinausgeschafft wird, um einer andern Platz zu machen. Aus dem Grunde suchen diese Menschen auch so viel als möglich den Schlaf durch allerlei Mittel zu vertreiben. Dieses alles hat sehr viel Ähnlichkeit mit dem sich Fürchten gewöhnlicher Erdmenschen vor dem Leibestode.



07] Würde der Mensch eines geweckten Geistes sein, so würde er sich um den Abfall des Leibes ebensowenig kümmern und demselben fürchten, als sich ein gewöhnlicher Mensch um den Schlaf kümmert und denselben fürchtet. Denn des Geistes Erfahrung ist das ewige Leben, welches unzerstörbar ist, so wie der Seele Erfahrung es ist, daß der schlafende Leib anderntags wieder erwacht, darum sie auch vor dem Schlafe keine Furcht hat.


08] Die Furcht vor dem Tode als vor einer möglichen Vernichtung des Daseins liegt demnach in der Seele so lange, als der Geist in ihr nicht erwacht und dann in ihr sonach auch ein ganz anderes Bewußtsein erzeugt. -

09] Also gehen wir nun mit dieser Vorkenntnis wieder in unsere erste Hölle. In dieser ist die Seele nichts als ein Genuß- oder Freßpolyp, und zwar aus lauter stummer Selbstsucht und Selbstliebe, aus dem Grunde, weil sie in der Nichtrealisierung ihrer Genußsucht die Vernichtungsmöglichkeit fortwährend vor Augen hat.

10] In der zweiten Hölle ist durch die starke Fastenbehandlung, wie uns bekannt, die begierliche Seele mehr und mehr eingeschrumpft, und dem mit ihr verschmolzenen Geiste ist durch diese Absonderungsmethode mehr Freiheit geworden. Im seltenen, besseren Falle kehrt ein Geist hier um, kräftigt sich und erhebt dann seine Seele mehr und mehr. Im gewöhnlichen, schlimmen Falle erwacht der Geist zwar auch; da er aber in diesem Erwachen in solcher Vernachlässigung seiner Seele sich überaus gekränkt und beleidigt und auch selbst mitvernachlässigt zu fühlen anfängt, so wird er zornig und läßt in diesem seinem Zorne stets mehr die Idee in sich aufkeimen, derzufolge ihm für solche Unbill von seiten der Gottheit eine kaum zu berechnende große Genugtuung zugute kommen sollte.


11] Allein, je mehr der Geist mit dieser Idee großwächst, desto stärker setzt er seine Rechnung an und auch desto unzufriedener wird er mit jeder der ihm vorgeschlagenen Maßgabe der ewigen Genugtuung.

12] Aus dieser immer größeren Forderung, welche in der stets größeren Unzufriedenheit ihren Grund hat, geht dann der also mehr und mehr wach werdende Geist in ein sich rächenwollendes Selbstgenugtuungsgefühl über. In diesem Gefühle wird er stets mehr zum »Verächter Gottes« (Teufel). Er ersieht auch stets mehr seine Unzerstörbarkeit und stärkt sich mit der Idee, daß der Geist sich durch die Erhöhung seiner Begriffe und Forderungen ins Unendliche stärken kann. Aus diesem Gefühle erwächst dann sogar die satanische Idee, daß die Gottheit sich vor der ständig wachsenden Macht solcher Geister fürchte; sich darum verberge, und diese ihre mächtigen Feinde durch gewisse furchtsame und schwache Spitzelgeister in ihrem Tun heimlich beobachten lasse. Sieht es bedenklich aus, ziehe sich die Gottheit wieder tiefer zurück und suche sich auf alle mögliche Weise vor einem übermächtigen Angriffe solcher Kraftgeister zu verwahren.

13] Durch diese Idee wind das übermächtige Selbstgefühl des Geistes immer stärker, das Rachegefühl gegen eine vermeintliche Verschmitztheit der Gottheit stets größer. Die Gottheit wird dann natürlich stets ohnmächtiger, ja der Geist geht förmlich in Abschu vor der Gottheit über, fängt an, sie zu verachten und bitter zu hassen, sich selbst aber als ein höheres Wesen anzusehen!


14] Tritt dieser Fall ein, dann ist die dritte Hölle auch schon fertig. Wie sich diese so herausbildet, müssen unsere Schüler auf dem Wege der göttlichen schützenden Vorsehung geheim mitbeobachten, und dann in der untersten Hölle bis zum eigentlichen Grund des Lasters alles auf dem Wege der Erfahrung erkennen lernen. - Wie sich aber am Ende in dieser untersten und bösesten aller Höllen des eigentlichen Lasters Grund beurkundet, wird die Folge zeigen. -

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