Jakob Lorber: 'Die geistige Sonne' (Band 2)


Kapitelinhalt 28. Kapitel: Liebe als Urgrund von Glauben und Hoffnung und zugleich deren Frucht.

(Am 21. Juni 1843, von Nachmittags 4 3/4 - 7 1/4 Uhr.)

Originaltext 1. Auflage 1870 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text nach 6. Auflage 1976 Lorber-Verlag

01] Sehet, es geht den Berg hinan nicht so steil, als es von Außen her das Ansehen hatte; denn solche Berge sehen nur von einer gewissen Entfernung sehr steil aus, in der Wirklichkeit sind sie es beiweitem nicht, was sie zu sein scheinen. Sie nehmen aber eine desto größere Fläche ein, weil sie nur ganz gemächlich aufsteigen; und das ist aber auch nothwendig, damit auf solcher weitgedehnten Waldfläche ein hinreichendes Quantum des grünen Lichtes, in das weiße Licht des angrenzenden Lichtstromes überströmend, aufnehmen kann den ätherisch sättigenden Theil.

02] Denn das weiße Licht des Stromes ist noch gänzlich rein ätherisch, oder wenn ihr es leichter verstehet, es ist in sich selbst im Aether, der noch nichts Anderes in sich aufgenommen hat, aber dessen ungeachtet in ungetheilter Weise Alles in sich enthält, gleichwie allenfalls das Wasser ein Träger Dessen ist, was die Erde nur immer aufzuweisen hat.

03] Der grüne Lichtäther aber ist gewisserart hungrig, nachdem er sicher alle anderen ätherischen Stoffe verzehret bis auf den grünen, der darum auch ein ausstrahlender ist; zufolge seines Hungers aber bekommt er eben durch die weiße Farbe des Lichtäthers, welcher dem Strome entstammt, die vollkommene Sättigung, welche sich dann durch die röthliche Färbung ausspricht.

04] Aehnliches könnt ihr auch gar wohl vielfach auf euerer Erde finden; ihr dürft euch nur an die meisten Baumfrüchte, wie auch an so viele Blumen hinwenden. - Wie sieht da Alles im unreifen Zustande aus? Grün; aber dieses Grün als eine hungrige Farbsubstanz sättiget sich fortwährend mit dem weißen Lichte der Sonne, - und wie spricht sich dann die völlige Sättigung, welche das eigentliche Reifsein der Früchte bezeichnet, aus? - Gewöhnlich zu allermeist in einer mehr oder weniger gerötheten Farbe, oder doch wenigstens sicher in einer solchen, welche der rothen Farbe zunächst entstammt oder wohl gar in dieselbe übergeht.

05] Auf der Erde aber ist dieses Alles nur unvollkommen vorhanden, während es auf einem Centralsonnenkörper im thätigsten Maße zur Erscheinung kommt. - Ihr saget wohl: Wie kommt es denn aber, daß bei uns auf der Erde gar viele Früchte in ihrem Reifwerden und vollkommenen Reifsein in die vollkommene blaue Farbe übergehen? Desgleichen giebt es auch eine Menge blauer Blumen, und wir wissen nicht, auf welche Weise solche blaue Farbe von der rothen abgeleitet werden kann. - Ich sage euch: Betrachtet nur einmal so ganz vollkommen eine solche blaue Frucht, und ihr werdet es bald gewahr werden, daß die blaue Farbe nur ein äußerer leicht abwischbarer Anhauch ist; die Hauptfarbe aber ist dennoch die rothe.

06] Wenn ihr mit einem überaus sehr feinen Glasstaube eine rothe Fläche überstäuben möchtet, so wird euch die Fläche sobald nicht mehr roth, sondern bläulich vorkommen. Um aber die Sache noch besser zu erschauen, dürft ihr aus einer solchen blauen Frucht nur den Saft herausnehmen, und ihr werdet daraus gar leicht die Erfahrung machen, daß der Grund vom Blau vollkommen roth ist. Noch deutlicher aber zeigt euch eine Morgen- oder Abendröthe, wie allda die blaue Farbe der Luft bei einer gewissen Strahlenbewegung gar leicht in die rothe übergeht. Darum kann denn auch die blaue Farbe für nichts Anderes, als nur für eine dunstige Umhülsung der rothen angesehen werden.

07] Noch deutlicher werdet ihr Solches ersehen, wenn ihr z. B. eine doch sicher vollkommen blaue Kornblume mit einem Mikroskope betrachtet, allwo ihr aus den tausend aneinander gereihten Krystallchen gar häufig die vollkommen rothe Farbe werdet hervorblitzen sehen. - Ich meine, wir haben genug, um einzusehen, daß sich die Sättigung zwischen Grün und Weiß allzeit so gut durch die rothe Farbe ausspricht, wie sich die durch den Glauben genährte und gesättigte Hoffnung vollkommen in der Liebe ausspricht, deren entsprechende Farbe eben das Roth ist. - Ihr solltet zwar die Sache nun wohl verstehen und einsehen; aber ich erschaue soeben in dieser Beziehung noch eine kleine Lücke in euch, welche wir während unserer Gebirgsbesteigung ja noch gar leicht ausfüllen können.

08] Wie gestaltet aber stellt sich diese Lücke dar? - Sehet, ihr versteht noch nicht, wie obige erklärte gegenseitige Lichtfarbensättigung dem entsprechend verwandten Glauben, der Hoffnung und der Liebe entspricht. - So habet denn Acht; wir wollen die Sache gleich näher beleuchten. - Die weiße Farbe entspricht dem Glauben; wie aber die weiße Farbe als allerfeinstätherischer Stoff alle anderen Stoffe oder Farben in sich trägt, also trägt auch der Glaube in feinster geistiger Substanz schon alles Unendliche des Reiches Gottes und des göttlichen Wesens selbst in sich. Ein jeder Mensch aber ist gleich diesem mit grünstrahlenden Bäumen bewachsenen Berge, von welchem die grüne Hoffnungsfarbe beständig ausstrahlt; und ihr werdet nicht leichtlich auf der ganzen Erde einen hoffnungslosen Menschen finden, während es eine Menge glaubens- und liebelose giebt.

09] Die Hoffnung aber verzehrt sich beständig, und gelangt nie zu irgend einer Kraft, wenn sie nicht eine gerechte Nahrung bekommt, was ihr aus einer Menge moralischer und naturmäßiger Beispiele auf euerer Erde zur Uebergenüge erschauen könnet.

10] Als moralische Beispiele können euch alle erdenklichen Grade und Arten der Verzweiflung hinreichend belehrend dienen; denn eine jede Verzweiflung hat sicher ihren Grund in der sich selbst völlig aufgezehrten Hoffnung. - Naturmäßige Beispiele sind noch mehrere vorhanden.

11] Setzet einmal einen Blumentopf auf längere Zeit in einen vollkommen finsteren Ort; beschauet ihn dann etwa nach einem Vierteljahre, und ihr werdet nur gar zu klar finden, wie sehr da die grüne Farbe in eine weißlichtblaßgelbe, also in die völlige Farbe des Todes übergegangen ist.

12] Es versteht sich von selbst, daß man hier nur die Farbe der belebten Pflanzenwelt, aber nicht die Farbe der Mineralien verstehen muß, da in den Mineralien diese Farbe wie vollkommen gefangen ist, und einem in der Hoffnung abgestorbenen Menschen gleicht, wo ebenfalls seine Hoffnung mit ihm selbst gefangen genommen ward; - aus welchem Grunde denn auch solche Menschen jenseits zumeist in einer dunkelgrünen Farbe zum Vorschein kommen, welche nach und nach durch die Einsicht, daß ihre entsprechende Hoffnung nicht realisirt werden kann, entweder in die schimmelgraue oder gar vollkommen schwarze übergeht, welch' letzte Farbe aber eigentlich gar keine Farbe mehr ist, wie auch gar kein Licht, sondern es ist der vollkommene Mangel an Allem. Also ist hier darum nur von der lebendigeren Pflanzenfarbe die Rede.

13] Es strahlt freilich wohl die grüne Farbe ihr Grün aus und verzehret Alles Andere des ätherischen Farbenthums; das eben aber ist ja auch das Charakteristische der Hoffnungen. Die Hoffnung verzehrt ja ebenfalls Alles mit großer Begierlichkeit, und wir können uns keinen größeren Vielfraß vorstellen, als eben die Hoffnung. Was hofft oft nicht Alles übereinander und durcheinander der Mensch, und malt sich das Gehoffte mit seiner Phantasie in den allerbuntesten Farben aus; es versteht sich dasjenige, was er hofft. Alle diese Gemälde verzehrt er nicht, und kommt er in den Zustand, daß ihm sogar seine Phantasie kein Gemälde mehr zu liefern im Stande ist, dann ist er aber auch schon am allertraurigsten daran; denn da beißt er in seine eigene Hoffnung hinein und verzehrt sie. Das ist dann der Blumentopf im vollkommenen finsteren Orte.

14] Wie aber kann die Hoffnung gesättiget werden? Setzet den Blumentopf nur wieder an's weiße Licht der Sonne, aber nicht zu jäh, so wird er wieder zu grünen anfangen. - Warum denn? - Weil er außerordentlich hungrig nach einer reellen Sättigung geworden ist. -

15] Gehen wir auf den entsprechend moralischen Theil über; wer wohl läßt sich lieber trösten, als ein Betrübter, also in seiner Hoffnung getäuschter Mensch? - Oder wer sucht begieriger einen reellen Trost, also eine moralische Sättigung seiner verhungerten Hoffnung, als eben ein solch' nahe hoffnungslos gewordener Mensch? - Bringet ihn an den Strom des Lichtes, und er wird da in vollsten Zügen in sich aufnehmen, was ihm vorerst am meisten zusagt.

16] Aus dem aber kann auch gar klar ersehen werden, wie die Hoffnung durch den Glauben stets mehr und mehr, und endlich vollkommen realisirt gesättiget werden kann. Ein hungriger Mensch ist traurig; wollt ihr ihn heiter machen, so sättiget ihn, und in seiner Sättigung wird ihm alle Hungertraurigkeit vergehen, es wird sich eine Heiterkeit seines Gemüthes bemächtigen, und in dieser Heiterkeit wird er mit der größten dankbarsten Liebe seine Gastfreunde erfassen.

17] Sehet, gerade also geht es dem nach Wahrheit oder nach der Realistrung seiner Ideen hungernden Menschen. Bringet ihn an den wahren Strom des Lichtes, und er wird sich gar bald mit demselben verbinden und sich sättigen nach seiner Herzenslust und nach seinem Bedürfnisse. Und wenn er gar leicht und gar bald gewahren wird, daß diese Sättigung eine wahrhaftige ist, welche für all' seine noch leeren Ideen als vollkommen sättigend taugt, so wird er ebenfalls gar bald heiteren Muthes werden und den großen Gastgeber gar ehestens mit großer Gluth seiner Liebe ergreifen; welche Liebe an und für sich schon eine vollkommene Sättigung ausdrückt, oder in der Liebe ist Alles des Glaubens und Alles der Hoffnung in der vollkommen realisirten Reife und Sättigung vorhanden. - Und so ist die Liebe einerseits die durch den Glauben vollkommen gesättigte Hoffnung; anderseits aber ist sie aus eben dem Grunde, weil sie die Hoffnung und den Glauben als gesättiget in sich schließt, auch der Urgrund von Beiden. - Ihr saget: Wie kann denn das sein? Ich meine, etwas Natürlicheres und leichter Begreiflicheres dürfte es wohl kaum geben, als eben das.

18] Woher kommt ein Baum? Ihr saget: Aus einem Kerne. Woher kommt denn der Kern? Aus dem Baume saget ihr.

19] Nun, wenn also, so wird etwa doch der Kern Alles, was da ist des Baumes, der aus ihm hervor gebt, eher grundursächlich in sich fassen müssen. Wenn aber der Baum sich wieder in einem neuen Kerne erneuen will, so muß er auch wieder sein Alles in den Kern niederlegen.

20] Ihr möchtet freilich wohl wissen ob der Herr eher den Baum oder den Kern erschaffen hat? - Ich meine, dieses Geheimniß müsse sich beinahe mit den Händen greifen lassen. - Hätte der Herr den Baum eher erschaffen als den Kern, da könnt ihr versichert sein, daß Er Solches auch gegenwärtig thäte; denn Er ist in seiner Handlungsweise durchaus nicht veränderlich, und Er thut nicht heute so, und morgen anders, und ihr würdet in diesem ersten Falle fortwährend wie durch einen Zauberschlag plötzlich entstandene Bäume erblicken. - Ihr aber sehet einen jeden Baum fortwährend nur nach und nach stets mehr und mehr auswachsen und sich entwickeln.

21] Dieser Act aber zeigt ja mehr als mit zehn Sonnen auf einmal beleuchtet, daß der Herr nicht nöthig hatte einen fertigen Baum zu erschaffen, sondern das Samenkorn nur; und wenn dasselbe in die Erde kommt, da entwickelt es sich, und es wird dann in dieser Entwickelung eine vollendete Form Dessen, was der Herr in eben das Samenkorn gelegt hat.

22] In dem Samenkorne aber liegt schon wieder die Fähigkeit, sich am Ende selbst wieder zu finden, und der Baum selbst und seine ganze Aktivität ist dann nichts Anderes als ein zweckmäßiger Prozeß vom Kerne zum Kerne; und es ist meiner Meinung nach doch viel richtiger und klüger anzunehmen, daß eine Linie ein Product ist von vielen aneinander gereihten Punkten, und wird darum auch von zwei Endpunkten begrenzt, als daß man so ziemlich stark thörichter Weise annehmen möchte, der Punkt sei ein Product einer zusammengeschrumpften Linie und sei zu beiden Seiten (n. B. deren es eine zahllose Menge hat) von zwei Linien begrenzt.

23] Ich meine, aus diesem Wenigen werdet ihr gar leicht einsehen, daß der Herr das Samenkorn eher, als den Baum erschuf; d. h. Er erschuf zwar beide zugleich, aber den Baum legte Er zu gleicher Zeit unentwickelt in das Samenkorn.

24] Eben also ist auch sicher die Liebe der Urgrund von Allem, und Alles muß dann endlich wieder in diesen Grund zurückkehren, wenn es nicht zu Grunde gehen will. Bei dieser Gelegenheit aber haben wir auch die Höhe uneres Berges erreicht, und so wollen wir uns auch sogleich tiefer in unser neues Kreisgebiet wagen.

01] Seht, es geht den Berg hinan nicht so steil, als es von außen her das Ansehen hatte; denn solche Berge sehen nur von einer gewissen Entfernung sehr steil aus, in der Wirklichkeit sind sie es bei weitem nicht, was sie zu sein scheinen. Sie nehmen aber eine desto größere Fläche ein, weil sie nur ganz gemächlich aufsteigen; und das ist aber auch notwendig, damit aus solcher weitgedehnten Waldfläche ein hinreichendes Quantum des grünen Lichtes, in das weiße Licht des angrenzenden Lichtstromes überströmend, aufnehmen kann den ätherisch sättigenden Teil.

02] Denn das weiße Licht des Stromes ist noch gänzlich rein ätherisch, oder wenn ihr es leichter verstehet, es ist in sich selbst ein Äther, der noch nichts anderes in sich aufgenommen hat, aber dessen ungeachtet in ungeteilter Weise alles in sich enthält, gleichwie allenfalls das Wasser ein Träger dessen ist, was die Erde nur immer aufzuweisen hat.

03] Der grüne Lichtäther aber ist gewisserart hungrig, nachdem er sicher alle anderen ätherischen Stoffe verzehrte bis auf den grünen, der darum auch ein ausstrahlender ist. Zufolge seines Hungers bekommt er eben durch die weiße Farbe des Lichtäthers, welcher dem Strome entstammt, die vollkommene Sättigung, welche sich dann durch die rötliche Färbung ausspricht.

04] Ähnliches könnt ihr auch gar wohl vielfah auf eurer Erde finden; ihr dürfet euch nur an die meisten Baumfrüchte, wie auch an so viele Blumen hinwenden. Wie sieht da alles im unreifen Zustande aus? Grün; aber dieses Grün als eine hungrige Farbsubstanz sättigt sich fortwährend mit dein weißen Lichte der Sonne - und wie spricht sich dann die völlige Sättigung, welche das eigentliche Reifsein der Früchte bezeichnet, aus? Gewöhnlich zuallermeist in einer mehr oder weniger geröteten Farbe oder doch wenigstens sicher in einer solchen, welche der roten Farbe zunächst entstammt oder wohl gar in dieselbe übergeht.

05] Auf der Erde aber ist dieses alles nur unvollkommen vorhanden, während es auf einem Zentralsonnenkörper im tätigsten Maße zur Erscheinung kommt. Ihr sagt wohl: Wie kommt es denn aber, daß bei uns auf der Erde gar viele Früchte in ihrem Reifwerden und vollkommenen Reifsein in die vollkommene blaue Farbe übergehen? Desgleichen gibt es auch eine Menge blauer Blumen, und wir wissen nicht, auf welche Weise solche blaue Farbe von der roten abgeleitet werden kann. - Ich sage euch: Betrachtet nur einmal so ganz gründlich eine solche blaue Frucht (z.B. Zwetschge) und ihr werdet es bald gewahr werden, daß die blaue Farbe nur ein äußerer leicht abwischbarer Anhauch ist; die Hauptfarbe aber ist dennoch die rote.

06] Wenn ihr da mit einem überaus feinen Glasstaube eine rote Fläche überstäuben möchtet, so wird euch die Fläche sobald nicht mehr rot, sondern bläulich vorkommen. Um aber die Sache noch besser zu erschauen, dürftet ihr aus einer solchen blauen Frucht nur den Saft herausnehmen, und ihr werdet daraus gar leicht die Erfahrung machen, daß der Grund vom Blau vollkommen rot ist. Noch deutlicher aber zeigt euch eine Morgen- oder Abendröte, wie allda die blaue Farbe der Luft bei einer gewissen Strahlenbewegung gar leicht in die rote übergeht. Darum kann denn auch die blaue Farbe für nichts anderes als nur für eine dunstige Umhülsung der roten angesehen werden.

07] Noch deutlicher werdet ihr solches ersehen, wenn ihr z.B. eine doch sicher vollkommen blaue Kornblume mit einen Mikroskope betrachtet, wo ihr aus den tausend aneinander gereihten Kristallchen gar häufig die vollkommen rote Farbe werdet hervorblitzen sehen. - Ich meine, wir haben genug, um einzusehen, daß sich die Sättigung zwischen Grün und Weiß allzeit so gut durch die rote Farbe ausspricht, wie sich die durch den Glauben genährte und gesätigte Hoffnung vollkommen in der Liebe ausspricht, deren entsprechende Farbe eben das Rot ist. - Ihr solltet zwar die Sache nun wohl verstehen und einsehen; aber ich erschaue soeben in dieser Beziehung noch eine kleine Lücke in euch, welche wir während unserer Gebirgsbesteigung noch gar leicht ausfüllen können.

08] Wie gestaltet aber stellt sich diese Lücke dar? - Seht, ihr versteht noch nicht, wie die eben erklärte gegenseitige Lichtfarbensättigung dem entsprechend verwandten Glauben, der Hoffnung und der Liebe entspricht. So habet denn acht, wir wollen die Sache gleich näher beleuchten. Die weiße Farbe entspricht dem Glauben. Wie aber die weiße Farbe als allerfeinstätherischer Stoff alle anderen Stoffe oder Farben in sich trägt, also trägt auch der Glaube in feinster geistiger Substanz schon alles Unendliche des Reiches Gottes und des göttlichen Wesens selbst in sich. Ein jeder Mensch aber ist gleich diesem mit grünstrahlenden Bäumen bewachsenen Berge, von welchem die grüne Hoffnungsfarbe beständig ausstrahlt. Und ihr werdet nicht leichtlich auf der ganzen Erde einen hoffnungslosen Menschen finden, während es eine Menge glaubens- und liebelose gibt.

09] Die Hoffnung aber verzehrt sich beständig und gelangt nie zu irgendeiner Kraft, wenn sie nicht eine gerechte Nahrung bekommt, was ihr aus einer Menge moralischer und naturmäßiger Beispiele auf eurer Erde zur Übergenüge erschauen könnt.

10] Als moralische Beispiele können euch alle erdenklichen Grade und Arten der Verzweiflung hinreichend belehrend dienen, denn eine jede Verzweiflung hat sicher ihren Grund in der sich selbst völlig aufgezehrten Hoffnung. - Naturmäßige Beispiele sind mehrere vorhanden.

11] Setzet einmal einen Blumentopf auf längere Zeit an einen vollkommen finsteren Ort; beschaut ihn dann etwa nach einem Vierteljahre, und ihr werdet nur gar zu klar finden, wie sehr da die grüne Farbe in eine weißlichtblaßgelbe, also in die völlige Farbe des Todes übergegangen ist.

12] Es versteht sich von selbst, daß man hier nur die Farbe der belebten Pflanzenwelt, aber nicht die Farbe der Mineralien verstehen muß, da in den Mineralien diese Farbe wie vollkommen gefangen ist und einem in der Hoffnung abgestorbenen Menschen gleicht, wo ebenfalls seine Hoffnung mit ihm selbst gefangen genommen ward. Aus diesem Grunde kommen denn auch solche Menschen jenseits zumeist in einer dunkelgrünen Farbe zum Vorschein, welche nach und nach durch die Einsicht, daß ihre entsprechende Hoffnung nicht realisiert werden kann, entweder in die schimmelgraue oder gar in die vollkommen schwarze übergeht, welch letztere Farbe aber eigentlich gar keine Farbe mehr ist, wie auch gar kein Licht, sondern es ist der vollkommene Mangel an allem. Also ist hier darum nur von der lebendigeren Pflanzenfarbe die Rede.

13] Es strahlt freilich wohl die grüne Farbe ihr Grün aus und verzehrt alles andere des ätherischen Farbentums. Das eben aber ist ja auch das Charakteristische der Hoffnungen. Die Hoffnung verzehrt ebenfalls alles mit großer Begierlichkeit, und wir können uns keinen größeren Vielfraß vorstellen als eben die Hoffnung. Was hofft oft nicht alles übereinander und durcheinander der Mensch und malt sich das Erhoffte mit seiner Phantasie in den allerbuntesten Farben aus; es versteht sich dasjenige, was er hofft. Alle diese Gemälde verzehrt er fortwährend, nur die Hoffnung selbst verzehrt er nicht. Und kommt er in den Zustand, daß ihm sogar seine Phantasie kein Gemälde mehr zu liefern imstande ist, dann ist er aber auch schon am allertraurigsten daran, denn da beißt er in seine eigene Hoffnung hinein und verzehrt sie. Das ist dann der Blumentopf am vollkommen finsteren Orte.

14] Wie aber kann die Hoffnung gesättiget werden? Setzet den Blumentopf nur wieder ans weiße Licht der Sonne, aber nicht zu jäh, so wird er wieder zu grünen anfangen. Warum denn? Weil er außerordentlich hungrig nach einer reellen Sättigung geworden ist.

15] Gehen wir auf den entsprechend moralischen Teil über. Wer wohl läßt sich lieber trösten als ein Betrübter, also ein in seiner Hoffnung getäuschter Mensch? Oder wer sucht begieriger einen reellen Trost, allso eine moralische Sättigung einer verhungerten Hoffnung, als eben ein solch nahe hoffnungslos gewordener Mensch? Bringt ihn an den Strom des Lichtes, und er wird da in vollsten Zügen in sich aufnehmen, was ihm vorerst am meisten zusagt.

16] Aus dem aber kann auch gar klar ersehen werden, wie die Hoffnung durch den Glauben stets mehr und mehr und endlich vollkommen realisiert gesättiget werden kann. Ein hungriger Mensch ist traurig. Wollt ihr ihn heiter machen, so sättiget ihn, und in seiner Sättigung wird ihm alle Hungertraurigkeit vergehen, es wird sich eine Heiterkeit seines Gemütes bemächtigen, und in dieser Heiterkeit wird er mit der größten dankbarsten Liebe seine Gastfreunde erfassen.

17] Seht, gerade also geht es dem nach Wahrheit oder nach der Realisierung seiner Ideen hungernden Menschen. Bringt ihn an den wahren Strom des Lichtes, und er wird sich gar bald mit demselben verbinden und sich sättigen nach seiner Herzenslust und nach seinem Bedürfnisse. Und wenn er gar leicht und gar bald gewahren wird, daß diese Sättigung eine wahrhaftige ist, welche für all seine noch leeren Ideen als vollkommen sättigend taugt, so wird er ebenfalls bald heiteren Mutes werden und den großen Gastgeber ehestens mit großer Glut seiner Liebe ergreifen; welche Liebe an und für sich schon eine vollkommene Sättigung ausdrückt, oder: in der Liebe ist alles des Glaubens und alles der Hoffnung in der vollkommen realisierten Reife und Sättigung vorhanden. - Und so ist die Liebe einerseits die durch den Glauben vollkommen gesättigte Hoffnung; andererseits aber ist sie aus eben dem Grunde, weil sie die Hoffnung und den Glauben als gesättigt in sich schließt, auch der Urgrund von beiden. - Ihr sagt: Wie kann denn das sein? Ich meine, etwas Natürlicheres und leichter Begreifliches dürfte es wohl kaum geben als eben das.

18] Woher kommt ein Baum? ihr saget: Aus einern Kerne. - Woher kommt denn der Kern? Aus dem Baume, sagt ihr.

19] Nun, wenn also, so wird etwa doch der Kern alles, was da ist des Baumes, der aus ihm hervorgeht, eher grundursächlich in sich fassen müssen. Wenn aber der Baum sich wieder in einem neuen Kerne erneuen will, so muß er auch wieder sein Alles in den Kern niederlegen.

20] Ihr möchtet freilich wohl wissen, ob der Herr eher den Baum oder zuvor den Kern erschaffen hat? Ich meine, dieses Geheimnis müsse sich beinahe mit den Händen greifen lassen. Hätte der Herr den Baum eher erschaffen als den Kern, da könnt ihr versichert sein, daß Er solches auch gegenwärtig täte, denn Er ist in Seiner Handlungsweise durchaus nicht veränderlich, und Er tut nicht heute so und morgen anders, und ihr würdet in diesem ersten Falle fortwährend wie durch einen Zauberschlag plötzlich entstandene Bäume erblicken. - Ihr aber seht einen jeden Baum fortwährend neu nach und nach stets mehr und mehr auswachsen und sich entwickeln.

21] Dieser Akt aber zeigt ja mehr als mit zehn Sonnen auf einmal beleuchtet, daß der Herr nicht nötig hatte, einen fertigen Baum zu erschaffen, sondern das Samenkorn nur. Und wenn dasselbe in die Erde kommt, da entwickelt es sich, und es wird dann in dieser Entwickelung eine vollendete Form dessen, was der Herr in eben das Samenkorn gelegt hat.

22] In dem Samenkorne aber liegt schon wieder die Fähigkeit, sich am Ende selbst wieder zu finden, und der Baum selbst und seine ganze Tätigkeit ist dann nichts anderes als ein zweckmäßiger Prozeß vom Kerne zum Kerne; und es ist meiner Meinung nach doch viel richtiger und klüger anzunehmen, daß eine Linie ein Produkt ist von vielen aneinander gereihten Punkten, und wird darum auch von zwei Endpunkten begrenzt, als daß man so ziemlich stark törichter Weise annehmen möchte; der Punkt sei ein Produkt einer zusammengeschrumpften Linie und sei zu beiden Seiten (N.B. deren er eine zahllose Menge hat) von zwei Linien begrenzt.

23] Ich meine, aus diesem Wenigen werdet ihr gar leicht einsehen, daß der Herr das Samenkorn eher als den Baum erschuf, d.h. Er erschuf zwar beide zugleich, aber den Baum legte Er zu gleicher Zeit unentwickelt in das Samenkorn.

24] Eben also ist auch sicher die Liebe der Urgrund von allem und alles muß dann endlich wieder in diesen Grund zurückkehren, wenn es nicht zugrunde gehen will. - Bei dieser Gelegenheit aber haben wir auch die Höhe unseres Berges erreicht, und so wollen wir uns sogleich tiefer in unser neues Kreisgebiet wagen. -

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