Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 10


Kapitelinhalt 190. Kapitel: Ein Apollopriester erkundigt sich nach Jesus.

01] Als Ich dieses ausgesprochen hatte, ließ sich der Apollopriester mit noch zwei andern heidnischen Priestern durch einen Boten beim Wirte anmelden, daß er kommen werde, um zu sehen, wie der unter seinem Dache sich befinden sollende Gott der Juden aussähe.

02] Wir sagten dem Boten, daß hier eine öffentliche Herberge sei und es einem jeden freistehe, einzutreten.

03] Es war aber die Nachricht zu diesem Apollopriester und seinen noch zwei ihm untergebenen Priestern durch das Gesinde des Wirtes gekommen, daß ein Gott der Juden sich bei dem Wirte befinde und viele nie dagewesene und unerhörte Wunder wirke.

04] Der Bote ging eilig hinaus und benachrichtigte die drei Heidenpriester mit dem, daß sie frei eintreten könnten, so sie wollten.

05] Die Priester machten darauf nicht viel Säumens und traten bald zu uns in das Gastzimmer.

06] Und der Apollopriester wandte sich sogleich an den Oberstadtrichter und sagte: »Durch meinen Gott Apollo erleuchteter Oberstadtrichter, sage mir an, welcher unter diesen vielen Juden, die am Tische sitzen, der wunderwirkende Gott der Juden ist, auf daß auch ich mich vor ihm verbeuge und ihm die Ehre bezeige; denn wir Priester der Götter Ägyptens, Griechenlands und Roms verstehen auch die Götter anderer Volker zu ehren, in dem Maße, als sie es verdienen!«

07] Der Oberstadtrichter sah Mich gewisserart fragend an, ob er diesem eingebildeten Oberpriester des Apollo eine Antwort gehen solle oder nicht.

08] Ich aber winkte ihm, daß er ihm zuvor einen vollen Becher Weines kredenzen solle und sagen, es sei das Wasser aus der Zisterne des Wirtes.

09] Und der Oberstadtrichter verstand diesen Meinen Wink und sagte zu dem eigentümlich blöde aussehenden Apollopriester: »Da, neben uns befindet sich noch ein kleiner, leerer Tisch; setzt euch nieder! Und da sind zugleich drei Becher, gefüllt mit dem Zisternenwasser des Wirtes, und löschet euch zuvor den Durst mit diesem besten Wasser in unserer ganzen Stadt!«

10] Sogleich wurden den dreien drei volle Becher vorgesetzt, und der Apollopriester, der zwar kein besonderer Freund des Wassers war, verkostete es dennoch und fand, daß es nicht Wasser, sondern der beste Cypernwein wäre, der nur an den Tafeln der Kaiser getrunken wird. Er trank seinen Becher auch bald bis auf den letzten Tropfen aus, und seinem Beispiel folgten auch seine zwei Unterpriester.

11] Als der Apollopriester den Becher geleert hatte, sagte er voll Staunens: »Was, das soll des Wirtes Zisternenwasser sein? Das ist ja einer der besten Weine von der Insel Cypern! Wo hat noch je eine Zisterne solch ein Wasser gehabt? Das ist nicht möglich, ihr haltet mich zum besten!«

12] Sagte der Oberstadtrichter: »So laß dich vom Wirte selbst zu der Zisterne hinausgeleiten, und schöpfe selbst und trinke; dann komme wieder und sage, ob man dich zum besten gehalten hat! Für so unsinnig und blöde aber wirst du den Wirt ja doch nicht halten, daß er sich aus Cypern um ein übergroßes Geld mehrere hundert Schläuche des besten Weines habe bringen lassen und ihn dann aus den Schläuchen in die Zisterne gegossen habe!«

13] Hierauf erhob sich der Apollopriester alsogleich, und der Wirt geleitete ihn mit seinen zwei Unterpriestern hinaus an die Zisterne, gab dem Oberpriester den Schöpfeimer in die Hand und sagte: »Schöpfe dir nun selbst das Wasser, und verkoste es dann!«

14] Der Apollopriester tat das sogleich und fand, daß es nicht Wasser, sondern der beste Wein war. Desgleichen taten auch seine zwei Unterpriester und fanden dasselbe und rieten dem Wirte, daß er solch ein köstliches Wasser nicht also in der Zisterne belassen, sondern damit viele Schläuche füllen und es aufbewahren solle für vornehme Gäste, die es ihm gern teuer bezahlen würden.

15] Sagte der Wirt: »Dazu habe ich von Dem, der das Wasser in meiner Zisterne in den köstlichsten Wein verwandelte, kein Gebot und keine Befugnis überkommen, und so soll es auch also bleiben, wie es ist!«

16] Darauf konnten ihm die Priester nichts einwenden und begaben sich mit dem Wirte wieder zu uns ins Gastzimmer.

17] Als sie wieder ihre früheren Plätze einnahmen, da sagte der Apollopriester mit einem gewissen pathos zum Oberstadtrichter: »Herr, so etwas ist von allen unsern Göttern, von Jupiter angefangen bis auf die geringste Quellennymphe herab, noch nie erhört worden, und wir haben mit vielen Hunderten der ersten Magier schon zu tun gehabt, und sie vermochten manches Wunderbare zu bewirken, - aber Wasser in Wein zu verwandeln, ist auch keinem in den Sinn gekommen! Ich bitte dich darum, mir nun anzuzeigen, welchem in dieser ziemlich zahlreichen Gesellschaft ich meine tiefste Hochachtung und Ehrfurcht zu bezeigen habe!«

18] Hierauf sagte der Oberstadtrichter mit Meiner Erlaubnis: »Der an meiner rechten Hand sitzt, ist der Herr aller Herrlichkeit, der Meister aller Meister und der Gott aller Götter!«

19] Als der Apollopriester solches vernommen hatte, da sagte er: »Da wäre er ja das sogar allen Göttern unerforschliche Fatum, von dem sie selbst, so wie die Sonne, der Mond und alle Sterne und der ganze Erdkreis mit allem, was er faßt und trägt, abhängen, und es steht, glaube ich, auch in einem alten ägyptischen Buche geschrieben, daß diese unerforschliche Gottheit - das Fatum nämlich - sich einst den Göttern und auch den Menschen dieser Erde näher offenbaren werde.

20] Ich habe heute beim Aufgange der Sonne, wie gewöhnlich, dem Gott Apollo meine Morgenbegrüßung für alle Menschen dargebracht, war aber dabei im höchsten Grade überrascht, als ich zwei Sonnen hintereinander aufgehen sah. Aber noch mehr überrascht war ich, als ich über und unter der zweiten Sonne ganz deutlich geschriebene Worte entdeckte, die ich aber dennoch nicht lesen konnte, weil sie mit hebräischen Buchstaben geschrieben waren, und somit noch weniger verstehen ihren Sinn.

21] Aber das dachte ich mir wohl, daß so etwas eine ganz außerordentliche Bedeutung haben müsse. Und als ich mich später hin und her erkundigte, ob außer mir noch jemand diesen sonderbaren Sonnenaufgang beobachtet hatte, da kam ich dabei auch zu den Leuten dieser Herberge, und diese wußten es mir zu sagen, daß gestern gen Abend hin wahrhaftig der Gott der Juden im Geleite mehrerer Diener hier eingekehrt sei und noch hier verweile. So Du, o Herr, Meister und Gott, eben der nämliche bist, so vergib es mir, daß auch ich - obschon ein Heidenpriester - Dir hier meine vollste Hochachtung und Ehrerbietung bezeige, und ich bitte Dich um Deine göttliche Erlaubnis, Dir in unserer Stadt auf dem erhabensten Punkte einen Tempel errichten zu dürfen, um Dich darin zu allen Zeiten allerhöchst zu verehren!«



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