Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 10


Kapitelinhalt 111. Kapitel: Jesus über den Zweck der Zerstörung der äußeren Form.

01] (Jesus:) »Wo man aber selbst mit dem hellsten Lichte der Wahrheit nichts auszurichten vermag, mit was anderem sollte man derlei Menschen bekehren können, ohne daß man ihren freien Willen mit der Allmacht gefangennähme, was aber nicht anders geschehen kann, als daß man solch einem Menschen seine ganz verkehrte böse Eigenliebe völlig wegnähme. Einem Menschen solche seine Liebe hinwegnehmen aber hieße soviel, als den ganzen Menschen vollends töten und vernichten, was aber nach der ewigen und unwandelbaren Ordnung darum nicht angehen kann, weil alles, vom Kleinsten bis zum Größten - ob nach eurem Menschenverstande gut oder böse - sowenig vernichtbar ist wie Gott als die urewige Kraft und Macht und Seine Liebe und Weisheit Selbst, aus der alles sein Dasein hat.

02] Übergänge vom Unvollkommenen zum Vollkommenen sind gar wohl möglich, weil Gott dadurch Seinen großen Gedanken und Ideen - um nach Menschenweise zu reden - eine freie Selbständigkeit verschaffen will; aber die Übergänge sind keine Vernichtungen, sondern nur erscheinliche Zerstörungen im Gebiete des äußersten Naturmäßigen. Nur die materiellen Formen, in denen das geistige Lebenskraftwesen eine Zeitlang von der allgemeinsten göttlichen Geistwesenheit als gewisserart abgetrennt und abgeschieden rastend verborgen ist, sind zerstörbar, aber ihr inneres Wesen nimmerdar.

03] Und diese äußeren Formen müssen darum der Erscheinlichkeit nach zerstörbar sein, weil ohne sie eine geistige Vervollkommnung in Hinsicht auf die freie, individuelle Selbständigwerdung eines Wesens völlig unmöglich wäre. Denn was anderes wohl ist für euch als nun auch noch in einer letzten materiellen Form steckende Menschen die sicht- und wahrnehmbare Kreatur, als Meine durch Meinen Willen für eine gewisse Zeit dauernd festgehaltenen Gedanken und Ideen, die Ich, so es nötig ist, ändern kann, wie und wann Ich es nach Meiner Liebe und Weisheit will?

04] Ich tue das aber ja nicht etwa aus einer Art Laune, um Mir dadurch ein gewisses Herrschervergnügen nach menschlicher Weise zu verschaffen, sondern Ich tue das aus ewiger Notwendigkeit nach Meiner ewig weisesten Liebeordnung, um Meinen Gedanken und Ideen eine vollste und freieste und individuell wesenhafte Selbständigkeit zu verschaffen. Wäre das auf einem andern Wege - den es nicht gibt, noch geben kann, was ihr nun freilich noch nicht völlig einsehen und begreifen könnt - möglich, so würde Ich ihn dem, den ihr als langweilig und gewisserart mühsam betrachtet, sicher vorgezogen haben; aber es ist und bleibt der euch bekannte Weg nur der allein mögliche und somit auch der allein wahrste und beste, weil durch ihn allein nur Meine Absichten vollkommen erreicht werden können.

05] Wenn nun die Menschen auf dieser Erde sich solche Meine Ordnung nicht wollen gefallen lassen und nach ihrem Verstand und freien Willen sich eine andere und vermeintlich bessere und vernünftigere Ordnung schaffen wollen - was gar überhäufig hier- und jenseits der Fall ist -, so müssen sie es sich selbst zuschreiben, wenn sie dadurch in einen statt bessern, nur immer schlimmeren Lebens- und Seinszustand gelangen und sich am Ende so weit verrennen und verarbeiten, daß ihnen nur auf - leider - keine andere Weise mehr beizukommen ist als durch die Empfindung aller erdenklichen Qualzustände, die sie sich selbst bereitet haben; und derartige Empfindungen dauern dann so lange fort, bis eine Seele in sich zu gehen anfängt und stets mehr und mehr einsieht, daß sie durch das Sichsträuben gegen Meine Ordnung sich ihren Zustand ewig nie verbessern, sondern nur verschlimmern muß.

06] Siehe, du Mein Freund Pellagius, ein solch freiwillig fortgesetztes Streben wider Meine Ordnung ist denn auch die eigentliche Hölle mit all ihrem Finstern, Bösen, Argen und sicher unbeschreibbar Qualvollen!«



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