Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 10


Kapitelinhalt 22. Kapitel: Jesus über die Zusammensetzung der Menschenseele.

01] (Jesus:) »Daß aber eine Menschenseele und entsprechend sogar ihr anfangs höchst unbehilflicher Leib also zusammengefügt sind, kann der tiefer denkende und fühlende Mensch aus gar manchen Erscheinungen an sich wenigstens nicht in zu unklaren Linien zu ahnen imstande sein.

02] Nimm die Unzahl der verschiedenartigsten Begriffe und Ideen, die eine Seele von nur einiger Bildung aus sich entwickeln und von denen allen sie sich auch eine Vorstellung - ob mehr oder weniger richtig, ist vorderhand gleich - machen kann, was ihr, wenn sie nicht aus einer Allumfassenheit gewisserart zusammengesetzt wäre, ebensowenig möglich wäre wie einem Ochsen oder Esel, den Plan zum Bau einer königlichen Burg zu zeichnen und sie nach demselben zu erbauen.

03] So du aber alle die verschiedenen Tiere sowohl in der Luft - wie allerlei Insekten und Vögel -, also auch die Tiere auf dem festen Erdboden und jene im Wasser betrachtest, so wirst du bei den meisten eine Baufähigkeit entdecken. Siehe an die Bienen und andere diesem Insekt mehr oder weniger ähnliche Lufttierchen; siehe und betrachte die höchst verschieden erbauten Nester der Vögel; siehe an die Ameisen und noch andere Erdinsekten, die Spinne und die Raupen, weiter die Mäuse aller Art und Gattung, den Biber, der sich eine förmliche Hütte erbaut, die Füchse, Wölfe, Bären und noch eine Menge anderer Tiere, wie sie sich ihre Wohnungen für ihre Natur ganz zweckmäßig herstellen und einrichten; weiter betrachte die verschiedenen Tiere im Meere, namentlich die Schaltiere, - und du wirst bei ihnen eine oft selbst den besten Baumeister in großes Erstaunen setzende Baufähigkeit antreffen!

04] Nun, ein jedes Tier, vom kleinsten bis zum größten, hat freilich nur eine seiner einfachen Tierseelenintelligenz eigentümliche Baufähigkeit, kennt dazu das Baumaterial und benutzt es in seiner stets gleichförmigen Art und Weise; aber in der Menschenseele sind alle die tierischen Bauintelligenzfähigkeiten in einer Unzahl vorhanden, aus denen sie, wie durch ein stummes Bewußtwerden, auch eine Unzahl Begriffe und Ideen zusammenstellen und so ganz neue und große Formen schaffen kann.

05] Und so kann daher der Mensch bei nur einiger Bildung denn auch, allerlei Wohnhäuser von höchster Verschiedenheit und zahllos viele andere Dinge aus sich erfinden und sie mit seinem Willen, Verstande und Fleiß auch ins Werk setzen. Könnte er das, so in seiner Seele nicht alle die verschiedenartigsten Fähigkeiten auf dem gezeigten Wege vorhanden wären? Sicher nicht; denn selbst das nach dem Menschen intelligenteste Tier hat keine Phantasie und somit auch keine allumfassende Kompositionsgabe.

06] Du sagst bei dir nun freilich: 'Ja, warum mußte denn eine Menschenseele auf solch einem langen und langwierigen Wege zu solchen Fähigkeiten gelangen?'

07] Und Ich sage es dir: Der ewig beste und weiseste Baumeister aller Dinge und Wesen weiß es am allerbesten, warum Er auf dieser Erde eben diesen Weg zur Bildung einer vollkommenen Menschenseele eingerichtet hat, und damit kannst du nach Meinem Worte zufrieden sein. Wenn du selbst in dir vollendeter werden wirst, dann wirst du auch den Grund deines langen und langwierigen Weges einsehen.

08] Ihr Römer, die Griechen und die Phönizier, wie auch die Ägypter, glaubten an eine Seelenwanderung und glauben an sie noch heutzutage so wie die Perser, Indier, die Sihiniten jenseits der Hochberge im weiten, großen und fernen Osten und noch ein im noch ferneren Osten auf großen Inseln, die vom größten Meere dieser Erde umflossen sind, wohnendes großes Volk, und so noch viele andere Völkerschaften auf der weiten Erde; aber allenthalben ist die den Urvätern der Erde wohlbekannte Wahrheit durch ihre mit der Zeit aufgestandenen habsüchtigen, anfänglichen Volkslehrer und späteren Priester voll Ehrgeiz und voll Herrschgier ganz verunstaltet und völlig verkehrt worden, - denn die wahre Art der Seelenwanderung hätte ihnen keine Opfer und Zinsen getragen, und so ließen sie die Menschenseelen in die Tiere zurückwandern und in den Tieren leiden, von welchen Leiden sie nur Priester um große Opfer befreien konnten.«



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