Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 107. Kapitel: Das Mädchen erkennt Jesus.

01] Als die Maid mit der ehrfurchtsvollsten Miene vor Mir stand, fragte Ich sie mit aller Freundlichkeit, sagend: »Nun, du Meine liebe Tochter, sage Mir es, welcher von uns bei diesem Tische Dem am meisten gleich schaut, der dir in deinem Traume vor drei Tagen als der große König aller Juden und als ein Herr Himmels und der Erde ersichtlich geworden ist!«

02] Sagte die Maid: »O Herr, du setzest mich armes Kind nun wohl auf eine harte Probe!«

03] Sagte Ich: »Warum nennest du, Mein liebes Töchterlein, das denn eine harte Probe?«

04] Sagte das Töchterlein: »O Herr, wenn mich ein anderer darum gefragt hätte, so hätte ich ihm leicht zu antworten; aber weil gerade Du, der Du eben Selbst Derjenige bist, den ich im Traume als den großen und über alles mächtigen König nicht nur aller Juden, sondern aller Menschen gesehen habe, fragest, so ist mir das schwer zu sagen!

05] Aber da ich nun vor Dir, Du allmächtiger Herr und Herrscher von Ewigkeit zu Ewigkeit über alle Himmel und Welten, reden muß, so sage ich denn auch nun offen heraus: Du, o Herr, bist es Selbst! Dich sah ich im Glanze der Sonne! Zahllose Scharen der seligsten Engel umgaben Dich und priesen überhoch Deinen allerherrlichsten Namen.

06] Und ich fragte einen Weisen, der in meiner Nähe stand, wie Dein Name wohl laute.

07] Und der Weise sagte: "Den Namen des Allerhöchsten konnte vom ewigen Uranfange an auch kein Engel aussprechen; denn Sein Name ist so unendlich groß wie der unendliche Raum Seiner Schöpfungen, von denen die Erde, die du bewohnst, kaum das ist, was ein winzigstes Stäubchen gegen die ganze, große Erde selbst ist. Aber der ewige Gott, Schöpfer und Vater hat aus übergroßer Liebe zu euch, Seinen Kindern, auf daß ihr euch Ihm vollauf nahen könnt, Selbst euer Fleisch angezogen und hat mit demselben auch einen Namen sich gegeben, den jeder Mensch dieser Erde und auch jeder Engel fühlen und aussprechen kann; - und dieser heiligste Name lautet: Vater, Liebe, Wahrheit und Leben; als Menschensohn aber heißet Er Jesus!"

08] Auf das sah ich in großen Reihen Sonnen und Erden ohne Zahl und Maß vor Dir vorüberschweben, und alle waren voll der herrlichsten Wesen unseresgleichen und auch anderer wunderbarster Dinge, und wohin Du Dein Auge wandtest in die Tiefen des endlosen Raumes, ersah ich alsbald neue große und wundervollste Schöpfungen ins Dasein treten! O Herr, o Liebe, o Vater, o Du nun mein König Jesus! Wie endlos groß, mächtig und über alles heilig und herrlich bist Du in Dir Selbst von Ewigkeit zu Ewigkeit! Dir ist ewig niemand gleich! Oh, vergib es der Schwäche meiner Zunge, daß sie Dein Lob und Deine Ehre nicht würdiger auszusprechen vermag!«

09] Hierauf sank das Mägdlein auf ihre Knie und lobte und pries Mich, vor lauter Liebe weinend, still im Herzen.

10] Als ihr Vater, ihr Oheim und auch ihre Mutter das vernahmen, sanken sie auch auf ihre Knie und fingen an, Mich laut anzubeten.

11] Ich aber sagte: »Steht auf, ihr Meine lieben Kinder; denn der Vater will von euch nicht, wie etwa ein Götze von den Heiden, angebetet, sondern allein nur wahrhaft geliebt sein! Denn eurer Liebe zu Ihm wegen hat Er Sich von euch denn auch hier finden lassen! Den ihr suchtet, der bin Ich. Aber nun erhebet euch vom Boden, und seid frohen und heitern Mutes! setzt euch nun zu diesem Tische, und labet euch mit dem Weine, mit dem Ich eure Becher füllen werde! Du, Töchterchen der lieblichsten Art, setze dich zu Meiner Rechten samt deiner Mutter, ihr beiden Männer aber setzt euch zu Meiner Linken! Es ist noch eine Stunde Zeit bis zur Mitternacht, und wir wollen da noch über gar sehr wichtige Dinge uns besprechen.«

12] Als Ich solches ausgesprochen hatte, da erhoben sich die vier voll der höchsten Ehrfurcht vom Boden und sagten: »O Du nie begreifbar große Liebe, o Herr, König und Vater Jesus, laß uns an dem kleinen Tische dort wieder unseren früheren Platz einnehmen; denn wir fühlen uns zu unwürdig, nun in deiner vollsten Nähe zu sein!«

13] Sagte Ich: »Was Ich einmal gesagt habe, bei dem hat es zu verbleiben! Bin Ich im Geiste denn nicht überall zugegen? Wohin wollt ihr euch wohl verstecken, auf daß euch nicht fände das Licht Meiner Augen? Darum seid nun heitern und frohen Mutes, darum daß Ich Mich von euch habe finden lassen! Denn nun bin auch Ich, wie ihr, ein Mensch mit Fleisch und Blut auf dieser Erde und bin wie ein Freund und Bruder unter euch.«

14] Auf dies Mein Zureden setzten sich die vier denn endlich doch zu Mir, und das Mägdlein wandte ihre Augen nicht von Mir ab und ward nahe ganz leuchtend vor lauter Liebe zu Mir, was sogar Meinen Jüngern auffiel.

15] Ich aber sagte zum Wirte: »Bringe du vier reine und völlig leere Becher; denn Ich will diesen Meinen vier Freunden von Meinem Weine eine rechte Kräftigung zukommen lassen! Denn sie haben Mir zuliebe viele Tage alle Beschwerden, die arme Menschen auf einer so weiten Reise zu erdulden haben, mit aller Geduld und dabei doch mit einem wahren Heldenmut ertragen, und so sollen sie hier denn dafür entschädigt und belohnt werden!«

16] Hierauf ging der Wirt und brachte vier reine und leere Becher und setzte sie vor die vier armen Gäste.

17] Als die Becher vor ihnen standen, sagte Ich, das Mägdlein ansehend: »Du, Mein allerliebstes Töchterchen, hast in deinem Traume gesehen, wie im endlosen Raum dort neue Schöpfungen entstanden, wohin das Licht aus Meinen Augen drang, - und nun siehe, Ich werde das Licht aus Meinen Augen in eure bis jetzt noch leeren Becher dringen lassen, und sie werden dann auch sogleich voll des reinsten Weines aus den Himmeln werden! Solchen Wein trinkt dann aus Liebe zu Mir, und ihr werdet dadurch zu jener Kraft und Stärke gelangen, die euch den rechten Mut, mit Mir zu reden, geben wird, - und was Ich euch sagen werde, das werdet ihr leicht ertragen und behalten und werdet dann auch imstande sein, Meinen Namen in eurem Lande euren Brüdern zu verkünden.«

18] Hierauf besah Ich die leeren Becher, und sie wurden im Augenblick voll des besten und reinsten Weines, worüber sich die vier über und über zu verwundern anfingen.

19] Als die vier Becher, nun mit dem besten Weine gefüllt, vor den Vieren standen, da sagte Ich zu ihnen: »Habt nun keine Furcht und Scheu, und trinkt den neuen, nun für euch geschaffenen Wein! Denn so wie Mein Wort und Wille den ganzen Menschen erweckt und belebt, also auch dieser Wein, der auch gleich ist Mein Wort und Wille; er wird euch erwecken und beleben zum ewigen Leben eurer Seelen! Und so denn trinket!«

20] Auf diese Meine Anrede nahmen die vier voll Ehrfurcht die Becher in die Hand und tranken den Wein, da er ihnen zu wohl schmeckte, bis zum letzten Tropfen aus. Als sie den Wein im Leibe hatten, da verließ sie die übertriebene Ehrfurcht vor Mir und wandelte sich in Liebe um, und diese erst gab ihnen den rechten Mut, mit Mir also offen zu reden, als wie offen und zutraulich da reden die Kinder mit ihren Eltern. -



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