Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 85. Kapitel: Vom Wert der Menschwerdung Gottes in Jesus.

01] Sagte der Schriftgelehrte: »Ja, Herr und Meister; aber ich stehe nun auch wie völlig vernichtet da vor Dir! Denn was ist der Mensch vor Dir?«

02] Sagte Ich: »Da sieh du Meine Jünger an! Die sind schon über zwei Jahre stets um Mich und kennen Mich sicher um gar vieles tiefer denn du nun; aber es ist darum noch keiner vernichtet vor Mir gestanden.

03] Es ward wohl Moses gesagt, als er verlangte, Jehovas Angesicht zu schauen: »Gott kann niemand sehen und dabei erhalten sein Leben«, das heißt das Leben des Leibes. Damals aber war nur von Gottes ewigem Geiste die Rede, indem Gott in jener Zeit noch kein Fleisch angenommen hatte, weil dazu die Zeit nach Seiner ewigen Ordnung noch nicht da war.

04] Nun aber hat nach der Weissagung der Propheten Jehova das Fleisch der Menschen dieser Erde angenommen und dadurch zwischen Sich als dem urewigen Geiste und den Menschen eine Schutzwand gestellt, auf daß sie unbeschadet ihres Lebens Ihn sehen, berühren, hören und sprechen können, und es hat sich da niemand zu fürchten, daß er durch Meine sichtbare Gegenwart irgend vernichtet werde.

05] Es war zwischen Mir und euch Menschen wohl eine endlose Kluft, vermöge der sich Mir auch nicht einmal der allervollkommenste Engelsgeist hätte nahen können; aber nun ist über die besagte Kluft eine Brücke gebaut, und diese heißt die Liebe zu Mir von eurer Seite, so wie Ich Meinerseits aus Meiner ewig großen, über alles mächtigen Liebe zu euch Menschen Selbst Mensch mit Fleisch und Blut geworden bin und habe auch eure Schwächen angenommen, auf daß Ich kein ewig ferner Gott, sondern ein vollends naher und leicht erreichbarer Vater, Freund und Bruder sein und nach dem Maße eurer Liebe zu Mir werden und bleiben kann.

06] Wenn die Sache zwischen Mir und euch Menschen sich nun aber also verhält und somit ganz anders als zu den Zeiten Mosis, so kann da niemand sagen, daß er irgend von Meiner göttlichen Hoheit und Majestät, die wohl in Mir in aller Fülle wohnt, vernichtet wurde, da Ich ja Selbst von ganzem Herzen sanftmütig und demütig und voll der höchsten Geduld und Langmut, Liebe und Erbarmung bin. Und so sei du voll guten Mutes und habe keine eitle Furcht vor Mir, der Ich dich schon gar lange zuvor geliebt habe, als du noch warst!«

07] Sagte nun mit mehr Mut und Selbstgefühl der Schriftgelehrte: »Aber Herr und Meister, wie kannst Du mich denn eher geliebt haben, als ich noch war?«

08] Sagte Ich: »Ohne Meine Liebe wäre nie weder eine Welt und also auch kein Mensch ins Dasein gekommen. Es ist somit alles, was der endlose Schöpfungsraum faßt, Meine durch Meinen Willen verkörperte Liebe, und somit sicher auch du.

09] Meine Liebe aber ist ewig und sonach im Grunde des Grundes auch alles, was aus ihr hervorging, nun hervorgeht und ewig hervorgehen wird.«

10] Der lebendige Geist im Menschen ist eben Meine ewige Liebe und Weisheit, die alles schafft, ordnet und erhält; und dieser Geist ist der eigentliche wahre und in sich schon ewige Mensch im Menschen, der sich aber nach Meiner ewigen Ordnung in ihm erst mit der Zeit, der Selbständigwerdung halber, mit Seele und Leib umkleidet und so in eine äußerlich beschauliche Form tritt.

11] Wenn aber also und unmöglich anders, so wirst du nun wohl einsehen, daß Ich dich ewig lange zuvor geliebt habe, als du noch das warst, was du nun bist! Du bist nun ein von Mir wie losgetrenntes Lebensfünkchen Meiner Liebe und kannst selbst zu einer Mir ähnlichen, großen und selbständigen Liebesflamme werden, dadurch, daß du Mich über alles liebst und deinen dir völlig ähnlichen Nächsten wie dich selbst. Bist du aber das und wirst du Mich denn auch also lieben, so wirst du bald in dir selbst einsehen, wie Ich als die ewige Liebe alles in allem bin und wieder alles in Mir ist. Verstehest du nun das?«



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