Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 64. Kapitel: Jesus in einer Landherberge.

01] Es waren aber die Jünger auf die Honigmahlzeit sehr durstig geworden, und da wir zu einer Landherberge kamen, so verlangten sie zu trinken.

02] Der Wirt aber entschuldigte sich, daß er außer etwas Zisternenwasser und Schafmilch keine Getränke besitze, und die Jünger begnügten sich mit der Schafmilch, die der Wirt in reichlichem Maße besaß, und stillten sich damit den Durst.

03] Als sich die Jünger den Durst gestillt hatten, da fragten die sogenannten und schon bekannten Judgriechen und auch die Jünger des Johannes, die alle recht viel Geld bei sich hatten, was die Milch koste.

04] Der Wirt aber sagte: »Wer unter euch ein Jude ist, der ist frei - denn so ein Jude zum ersten Male in meiner Herberge eine Labung verlangt, so ist es bei mir Sitte, daß sie ihm ohne Entgelt gereicht wird -; aber die Griechen bezahlen die Labung, und zwar ein jeglicher mit einem Pfennige!«

05] Die Judgriechen aber, obschon sie Juden waren, sagten: »Freund, wir tragen zwar der Griechen Kleidung, sind aber beschnitten und sind darum Juden und keine Griechen! Es macht das aber nichts. Du hast eine so billige Rechnung gestellt, daß wir sie dir nicht nur einfach, sondern dreifach bezahlen wollen und auch werden; denn deiner Schafe Milch war frisch und gut, und wir haben uns unseren Durst gestillt, und so ist deine Rechnung zu gering gestellt! Hier, empfange du das Geld!«

06] Mit dem übergab ihm einer der Judgriechen ein Silberstück im Werte von hundert Pfennig.

07] Der Wirt aber entschuldigte sich, daß er so ein Geldstück nicht wechseln könne und sagte: »Da ihr nach eurer für mich völlig glaubwürdigen Aussage denn auch Juden seid, da seid auch ihr frei, und ich nehme von euch kein Geld an, weder klein und noch weniger groß!«

08] Sagte darauf Ich zum Wirte: »Wer so billig rechnet wie du, der begeht keine Sünde, so er das annimmt, was ihm die Gäste freiwillig darreichen.«

09] Auf dies Mein Wort nahm der Wirt das Geldstück an und sagte: »Da zahlt einer für den andern! Es ist zwar diese keine Straße, auf der oft und viele Karawanen ihre Reisen machen - denn die Reisenden scheuen den großen und dichten Bergwald, in welchem sich allerlei Raubtiere aufhalten und die Reisenden besonders in der Winterszeit oft sehr belästigen -; aber im Frühjahr und im Sommer kommen doch noch Reisende auf dieser alten Straße, die von den Philistern gebahnt worden sein soll, und darunter werden sich schon etliche vorfinden, denen eine entgeltlose Verpflegung ganz gut zustatten kommen wird.

10] Oh, hätte ich nur eine gute Brunnquelle bei meiner sonst großen Landwirtschaft, so würde es zu gewissen Zeiten an hier zusprechenden Gästen nicht fehlen; aber alle meine Zisternen haben oft kaum so viel nur halbwegs trinkbaren Wassers, als ich für meine Wirtschaft benötige. Ich kann darum denn auch nur selten Fremde bei mir beherbergen. Seht, es geht der heutige Tag auch schon seinem Ende zu, und ich möchte euch gern über die Nacht beherbergen, weil der nächste Ort, ein kleiner Flecken, bei zwei Stunden Weges von hier entfernt ist, aber ich habe keinen Wein, beinahe kein Brot und kein Salz! Denn wir leben hier wahrlich nur von der Milch unserer Schafe und Ziegen und von ihrem geräucherten Fleisch - auch Hühner kommen hier gut fort und legen viele Eier -; nur muß ich stets recht viele wohlbewaffnete und mutige Hirten halten, damit meine Herden von den Raubtieren keinen zu großen Schaden erleiden. Seid ihr aber mit meiner Hauskost zufrieden, da mögt ihr immerhin hier bei mir die Nacht zubringen. Ich habe von euch des Geldes zur Genüge erhalten und würde euch am Morgen keine neue Rechnung machen. Mein Weib und meine schon erwachsenen fünf Töchter bereiten unsere Hauskost recht gut.«

11] Sagte Ich: »Freund, wir werden zwar heute nicht hier, sondern im nahen Flecken übernachten; aber da Ich eben ein Meister in der Auffindung der reinen und lebendigen Brunnenwasserquellen bin, so will Ich Mich bei deinem Hause ein wenig umsehen, ob sich nicht eine Stelle irgend finden lasse, unter der sich etwa eine reiche Wasserquelle befindet.«

12] Sagte der Wirt: »O Freund, da wirst du dir eine ebenso vergebliche Mühe machen, wie sich das hier schon mehrere Wasserkundige gemacht haben, die in der ganzen weiten Umgegend Wasser suchten und mit allen ihren Werkzeugen, mittels denen man das Vorhandensein irgendeiner unterirdischen Quelle wohl wahrnehmen soll, keine solche Stelle gefunden haben! Wahrlich, da müßte zuvor Gott in dieser Gegend erst eine Brunnenwasserquelle erschaffen, ansonst wird sich hier wohl keine finden lassen, und um mein Haus herum schon am allerwenigsten; denn da habe ich mit meinen Knechten schon das Unterste zum Obersten aufgewühlt und fand nichts als taubes und trockenes Gestein.«

13] Sagte Ich: »Es kommt da nun nur auch auf eine kleine Probe an. Vielleicht gelingt es Mir besser als dir und allen deinen Wasserfühlern?!«

14] Sagte der Wirt: »O Freund, du kannst es wohl versuchen, aber da habe ich einen schwachen Glauben!«

15] Sagte Ich: »Das macht vorderhand nichts; denn du wirst schon nachderhand zu einem stärkeren Glauben kommen!«

16] Hierauf fragte Ich den Wirt, auf welcher Stelle er sich in der Nähe seines Hauses eine reiche Brunnquelle wünschen würde.

17] Sagte der Wirt: »Freund, das auch noch? Ja, wenn du so einen Hirtenstab Mosis besäßest, siehe, da wäre dieser bei zwei Mannslängen hohe harte Fels der geeignetste Punkt dazu! Hatte der Fels in der Wüste sein Wasser geben müssen auf Mosis Geheiß, als er mit dem Stab in den Felsen stieß, so könnte dieser Fels dasselbe tun. Aber es gibt nun keinen Moses mehr und einen solchen Stab auch nicht, und so wird unser Fels wohl auch nimmerdar zu einem Wasserbrunnen werden.«

18] Sagte Ich: »Freund, hier vor dir ist mehr denn Moses und alle Propheten, und Mein Wille ist mächtiger als dein Hirtenstab Mosis! Siehe, Ich werde mit keinem Stabe an den Fels schlagen, ja denselben nicht einmal mit einem Finger berühren, und der Fels wird so viel des reinsten und besten Trinkwassers von sich für lange hin geben, daß du und deine Nachkommen an keinem Wassermangel je zu leiden haben sollen!«

19] Auf das wandte Ich Mich zum Felsen hin und sagte: »Ich will, daß aus dir ein ganzer Bach voll des reinsten und besten Wassers hervorzuquellen anfange, dann fortfließe tausend Jahre lang und erst dann versiege, wenn finstere Heiden diese Stätte zertreten werden!«

20] Auf diese Meine Worte löste sich im Augenblick ein Stück von der Wand des Felsens, und es schoß mit einem starken Gebrause ein so mächtiger Wasserstrom hervor, daß dann von dem Felsen weg etwas abwärts dem tiefergelegenen Tale zu sogleich ein so starker Bach zu fließen begann, daß er sich bald ein Bett grub und im selben fortfloß.



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