Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 6. Kapitel: Jesu Wiedersehn mit Kado.

01] Als Kado das vernahm, da wartete er keinen Augenblick mehr, gab dem Zolldiener einen Groschen Botenlohn und eilte so schnell als möglich zu Mir heraus.

02] Als er beinahe atemlos bei uns ankam, da erhoben wir uns vom Rasenplatz, und Ich reichte ihm die Hand; er aber umarmte Mich, drückte Mich an seine Brust, überschüttete Mich mit vielen Freundschaftsküssen und sagte endlich ganz in Freude und Wonne zerflossen (Kado): »O Herr und Meister, welch eine unbeschreibbare Freude hast Du mir durch Deine sobaldige Wiederkunft bereitet! O wir Glücklichen, daß wir Dich wieder in unserer sündigen und Deiner ewig unwürdigen Mitte haben! Es sind nun nur erst drei Tage, die Du von hier abwesend warst, und mir sind sie nahe zu drei Jahren geworden; denn unseres ganzen Hauses größte Sehnsucht nach Dir hat unsere Geduld auf eine starke Probe gesetzt. Wärest Du heute nicht gekommen, so hätte ich morgen schon in aller Frühe unsere besten Kamele in Bewegung gesetzt und wäre Dir nach Essäa nachgezogen. Oh, weil Du nur gekommen bist, so ist nun schon alles wieder vollkommenst gut und in der besten Ordnung! Aber nun, o Herr und Meister, Du unsere einzige Liebe und unser höchstes Bedürfnis, komme, komme nun mit mir, auf daß unser ganzes Haus überselig werde!«

03] Sagte Ich: »Deine Freundlichkeit hat Mein Herz erquickt, und Ich werde mit dir gehen; aber wir wollen uns noch einige Augenblicke Zeit lassen! So es dunkler wird, werden wir in die Stadt ziehen, auf daß wir für die gafflustige Volksmenge kein Aufsehen machen; denn es sind wegen des morgigen Marktes viele Fremde hier, und diese sollen unseren Einzug nicht begaffen und bekritteln. Bei deinem Vater sind ja nun auch ein paar Pharisäer eingezogen; diese werden bald untergebracht sein, und dann können wir ganz unbeirrt in dein Haus kommen.«

04] Das war dem Kado ganz recht; aber er berief noch einmal den Zolldiener und sandte ihn in die Herberge, auf daß er seinen Leuten sagen solle, daß sie ein bestes Nachtmahl bereiten sollten. Warum, das würden sie in einer kurzen Zeit schon allerfreudigst erfahren.

05] Darauf eilte der Zolldiener abermals in die Stadt und richtete die Botschaft aus.

06] Da sagte der Vater des Kado: »Ich ahne es schon, um was es sich handelt! Gehe, und sage es dem Kado, es werde alles in der besten Ordnung besorgt werden!«

07] Als der Zolldiener wieder zurückkam und dem Kado des Vaters Antwort hinterbrachte und der Abend schon ziemlich dunkel zu werden begann, da sagte Ich: »Nun können wir uns schon ganz gemächlich weiterzubewegen anfangen, und wir werden von niemandem auf dem Wege mehr beobachtet und erkannt; und sieht uns auch jemand, so wird er uns für ankommende Handelsleute halten, was uns nicht beirren wird.«

08] Wir kamen so gemach denn auch ganz unbeirrt in des Kado Herberge.

09] Vor der Herberge angelangt, sagte Ich zu Kado: »Freund, nun gehe du zum voraus hinein, und sage es deinen Angehörigen, daß Ich mit Meinen Jüngern von Essäa angekommen bin! So Ich aber ins Gastzimmer eintreten werde, da sollen sie keinen zu großen Freudenlärm machen, um die etlichen Fremden nicht zu vorzeitig auf Mich aufmerksam zu machen. Also sollen sie Mich auch nicht als "Herr" und "Meister" anrufen, sondern nur als einen guten Freund; denn Ich sehe ja ohnehin nur aufs Herz und niemals auf den Mund. Warum Ich es nun aber also haben will, davon wirst du den Grund schon später einsehen und bestens begreifen. Gehe, und tue das!«

10] Kado eilte nun ins Haus und unterrichtete die Seinen also, wie Ich es ihm aufgetragen hatte.

11] Ich ging darauf in das große Gastzimmer, in dem schon ein großer Tisch für uns gedeckt war.

12] Als wir eintraten, kam uns freilich alles freundlich entgegen. Der Vater und die Mutter des Kado, wie auch dessen Weib und Kinder grüßten Mich auf das freundlichste und baten Mich, Platz zu nehmen, indem Ich von der weiten Reise wohl sicher müde sein würde. Diese Ansprache war ganz gut und ließ die Fremden gegen Mich und Meine Jünger gleichgültig. Aber bei all der gut gewählten Ansprache kamen allen die Tränen der höchsten Freude zur Folge in die Augen, namentlich dem Vater des Kado und dem alten, treuen Diener des Kado, der Apollon hieß. Aber Ich stärkte sogleich ihr Gemüt, und so konnten sie Meine Gegenwart weiter wohl ohne Tränen ertragen.

13] Wir setzten uns denn sogleich an den Tisch, und der Wirt, der Kado, dessen Weib und Kinder, wie auch auf Mein Verlangen der Apollon setzten sich Mir zunächst; des Kado Mutter aber hatte ohnehin in der Küche zu tun, und des Kado Geschwister hatten die Gäste zu bedienen.

14] Als wir nun so ganz wohlgemut am Tische saßen, auf dem sich schon des besten Weines und Brotes in Hülle und Fülle befand, da wollten einige Jünger, und hauptsächlich unser Judas Ischariot, gleich danach greifen, weil es sie schon bedeutend hungerte.

15] Ich aber sagte: »Habt ihr schon bisher ausgehalten, so werdet ihr wohl noch die etlichen Augenblicke ohne zu verhungern und zu verdursten auszuhalten imstande sein! Wartet auf die warme Speise; wenn diese auf dem Tische stehen wird, dann erst nehmt zuvor etwas Brot mit Salz und darauf einen kleinen Schluck Weines, dann wird euch das Nachtmahl stärken und frisch und heiter machen, sonst aber nur Glieder und Eingeweide schwächen! Der Mensch muß auch suchen, seinen Leib gesund zu erhalten, so er seine Seele von Traurigkeit und Angst befreit haben will. Wie Ich es tue, also Tut es auch ihr!«

16] Die Jünger dankten Mir für diesen Rat und befolgten ihn auch.



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