Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 150. Kapitel: Weg zur Einung mit dem Geist und zur Wiedergeburt.

01] Als wir uns auf dem Hügel befanden bis auf einige Jünger, die der Schlaf noch gefangenhielt, da trat der Römer Markus zu Mir und sagte: »Herr, wirst auch Du heute diesen Ort verlassen? Und so Du ihn verlässest, möchtest Du es heute mir nicht bekanntgeben, wohin Du Dich wenden wirst, auf daß wir Römer es wüßten und Dir im Geiste um so leichter und bestimmter folgen könnten?«

02] Sagte Ich: »Was den ersten Teil deiner Frage betrifft, so bin Ich da gleich einem Menschen, der viele Äcker hat und dafür sorgen muß, daß alle seine Äcker wohl bebaut werden. So er aber einen Acker einmal wohl bestellt hat, hieltest du ihn für weise, so er nun aus lauter Freude auf dem wohlbestellten Acker stehenbliebe und nicht daran dächte, daß er auch noch die andern Äcker zu bestellen hat? Siehe, Ich habe nun auch diesen Acker, den ihr alle darstellet, wohl bestellt und habe darob denn auch wahrlich eine rechte Freude!

03] Aber nun heißt es auf einen andern, noch brachliegenden Acker übergehen und ihn auch wohl bebauen und bestellen. Und so werde auch Ich nach dem Morgenmahle Mich mit Meinen Jüngern von hier irgend weiter wohin begeben; doch das eigentliche Wohin sage Ich jetzt noch nicht, auf daß es bei Gelegenheit nicht jemandem aus dem Munde falle und Ich dann leichter vor der Zeit von Meinen vielen Feinden bald da und bald dorthin verfolgt werden könnte, was Mich in Meiner Arbeit nur stören würde, weil Ich dabei stets für nichts und nichts mit Meinen Widersachern zu kämpfen hätte. Und es ist also ganz gut, daß nur Ich allein es weiß, wohin Ich Mich wenden will und werde; für jeden andern aber genügt es, daß er das erst nachderhand erfahre, wo Ich war, und was Ich alldort gewirkt habe.

04] Ich will damit aber nicht behaupten, als könntet ihr Römer nicht verschlossenen Mundes sein; aber es gibt noch andere hier, die euch in dieser Tugend nicht gleichen, und es ist darum schon besser, daß Ich Selbst nicht der bin, der sich verrät. Muß denn nicht ein weiser Feldherr auch seine Kriegspläne manchmal sogar vor seinen nächsten Obersten und Hauptleuten verborgen halten, so er eine Schlacht gewinnen will? Und siehe, also tue es auch Ich! Darum macht euch nun nichts daraus, so Ich euch den irdischen Ort nicht näher angebe, den Ich besuchen werde; überall gibt es Römer und Griechen unter den Juden nun, diese werden euch dann schon bald die Nachrichten nachsenden, wo und was Ich weiter gelehrt und gewirkt habe.

05] So ihr Mir aber im Geiste folgen wollt, da denkt nur so recht lebendig über alles nach, was ihr von Mir vernommen und gesehen habt! Handelt und lebet im Geiste Meiner Lehre, welche die Worte des Lebens in sich birgt, so werdet ihr Mir dadurch wahrhaft und lebendig im Geiste folgen!«

06] Als Markus solches von Mir vernahm, da war er mit diesem Bescheide denn auch ganz zufrieden, und auch alle die andern, und es fragte Mich dann keiner mehr, wohin Ich an diesem Tage die Reise mit den Jüngern machen werde.

07] Darauf aber winkte Ich dem Raphael, daß er die Jugend versorgen und alles für die Abreise der Römer in Bereitschaft halten solle. Und Raphael verschwand auf diesen Wink augenblicklich aus Meiner Nähe. Das fiel den Neulingen schon wieder sehr auf, besonders dem Hauptmann von Bethlehem und seinen Gefährten.

08] Der Hauptmann fragte Mich denn auch sogleich und sagte: »Hatte ich in der Nacht denn nicht recht, so ich den Jungen, der ein wahres lebendiges Wunder ist, für eine Art Gott hielt? Seine große Weisheit, seine Kraft und nun dieses urplötzliche Verschwinden bestätigen das doch auf eine kaum widerredbare Weise! Woher ist er denn, und wer sind dieses seltenen Jungen Eltern? Herr und Meister, darüber könntest Du uns wohl einen näheren Aufschluß geben, so Du das wolltest, und uns wäre das wahrlich sehr lieb!«

09] Sagte Ich: »Das könnte Ich wohl, so es zu eurem Seelenheil unbedingt notwendig wäre; aber das ist es nicht, und so ist es vorderhand genug, daß ihr der Wahrheit nach von ihm selbst über sein Wesen das wisset, was er euch gesagt hat, als ihr ihn darum befragt habt. Glaubt ihr ihm nicht, der auch in dieser Nacht doch so manche Beweise seiner Wahrhaftigkeit gegeben hat, so würdet ihr am Ende auch über das, was Ich euch über ihn aussagen würde, die Achsel zucken und bei euch sagen: "Ah, wie kann denn das sein?!" Darum behaltet Meine Lehre, glaubt an Mich und handelt danach, so werdet ihr auch bald hinter das Seinsgeheimnis Meines Raphael kommen!

10] Viel wissen als noch ein purer Naturmensch beschwert Kopf und Herz; aber nach vielen edlen Handlungen viel des lebendigen Wahrheitslichtes in sein Inneres aufgenommen zu haben, das erheitert das Herz und erspart der Seele die mühsame Arbeit, oft fruchtlos im Gehirn ihres Leibeshauptes herumzuwühlen und das Wahre und Rechte doch nicht zu finden.

11] Ich sage es euch: Im Geiste des Menschen liegen alle und - sage - endlos viele Wahrheiten verborgen! Suchet nur, daß ihr auf den euch nun schon bekannten Wegen zur vollen Einung mit dem Geiste in euch gelanget, dann werdet ihr nicht mehr nötig haben zu fragen, wer des Raphael Eltern seien oder waren; denn der Geist wird euch in alle Wahrheit leiten.

12] Geht hin in die Städte Ägyptens, und leset dort die ganze Zeit eures Erdenlebens alle die nahe zahllos vielen Bücher und Schriften mit allem Fleiße durch, und ihr werdet als außerordentliche Vielwisser wieder in euer Heimatland zurückkehren; aber deshalb wird euer innerer Geist noch lange nicht eins werden in euch, und ihr werdet nach der Durchlesung von vielen tausend Büchern und Schriften von dem Wesen Gottes, von eurem Geiste und von dem Fortleben der Seele ebensoviel wissen, wie ihr bis jetzt gewußt habt. Hier habt ihr in wenigen Stunden mehr gelernt und der vollsten Wahrheit nach erfahren, als euch alle Weisen der Welt hätten sagen und zeigen können.

13] Darum bleibt nun auf diesem Wege, der euch allein zur lebendigen Wahrheit und Weisheit in allen Dingen führen kann, und forschet nicht zur Unzeit nach Dingen und ihren Verhältnissen, zu deren richtigen Erfassung und Ergreifung ihr noch lange nicht zur Genüge lebensreif seid; denn solch ein eitles Forschen hält die Seele nur auf, wahrhaft stets tiefer und tiefer in ihren eigenen Geist zu dringen!

14] Suchet vor allem euer Lebensgefühl nach Meiner Lehre zu bilden und zu stärken, fühlet mit dem Armen seine Not und lindert sie nach euren Kräften und nach eurem Vermögen, tröstet die Traurigen, bekleidet die Nackten, speiset die Hungrigen, tränket die Durstigen, helfet wo ihr könnet, den Kranken, erlöset die Gefangenen, und den Armen im Geiste prediget Mein Evangelium, - das wird bis in die Himmel erheben euer Gefühl, euer Gemüt, und eure Seele wird auf diesem wahrsten Lebenswege bald und leicht eins werden mit ihrem Geiste aus Gott und dadurch auch teilhaftig aller Seiner Weisheit und Macht! Und das wird doch sicher mehr sein als um vieles in der Welt zu wissen, aber dabei ein gefühlloser Mensch gegen seine Nebenmenschen zu sein und sich selbst durch sein zu wenig belebtes Gefühl das Zeugnis zu geben, daß man vom wahren Leben im Geiste noch sehr ferne steht!

15] Ich sage es euch: Geist, der allein lebendige im Menschen, ist pur Liebe und ihr zartestes und ewig wohlwollendstes Gefühl. Wer demnach solche seine Liebe und deren zartestes und ewig wohlwollendstes Gefühl in seine (eigenliebige) Seele stets mehr und mehr aufzunehmen bemüht ist und in selben auch stets stärker, kräftiger, mutiger und gefügiger wird, der befördert dadurch die volle Einung des Geistes mit der Seele; und wird dann die Seele zu purer Liebe und (Weisheit) ihrem zartesten und wohlwollendsten Gefühle (nach), so ist solch eine Seele denn auch schon vollends eins mit ihrem Geiste und ist dadurch denn auch im lebendigsten Besitze aller der wunderbaren Lebens und Seinsfähigkeiten ihres Geistes, und das ist denn doch sicher mehr wert, als alle Schulen der Weltweisen der Erde durchgemacht zu haben, dabei aber ein strenger und gefühlloser Mensch zu verbleiben.

16] Lasst daher vorderhand alles unnötige Forschen um den Stand der vielen Verhältnisse der Dinge und ihrer Erscheinungen, Ursachen und Wirkungen in der Welt, denn das bringt die Seele selbst in hundert Jahren ihrem wahren Lebensziele nicht um ein Haarbreit näher, weil sie dadurch zu keinem wahren, inneren Erkennen gelangen kann, sondern nur zu einem äußeren, oberflächlichen und stückweisen Wissen und blinden Mutmaßen, aus dem nie ein geordnetes und zusammenhängendes Wissen und Erkennen hervorgehen kann und die Seele sich darum in einem fortwährenden ängstlichen Suchen befindet, aus dem ihr wenig wahres Lebensheil erwächst.

17] Was euch zur Tilgung des vielen Aberglaubens aus der Natur der Dinge dieser Welt zu wissen notwendig war, das hat man euch denn auch nicht vorenthalten, sondern hat es euch treu und wahr beschrieben und zum Zeugnisse der Wahrheit auch auf eine wunderbare Weise anschaulich gemacht. Und das genüge euch vorderhand! Das Weitere bis ins Unendliche aber suchet nun nur selbst auf dem euch klarst und wahrst gezeigten Wege zu erreichen und zu erwerben, und ihr werdet dann wahrlich nicht mehr zu fragen nötig haben, wer Raphael sei und wer seine Eltern! - Habt ihr das nun wohl verstanden?«



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