Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 130. Kapitel: Die Rückkehr Jesu mit den Seinen nach Bethania.

01] Hier erhoben sich alle, auch die Johannesjünger, und folgten Mir eifrig ins nahe Bethanien. Auch der Hauptmann folgte mit seinen Gefährten nun zu Fuße, indem er seine Pferde bei dem Talwirte zurückließ.

02] In einer halben Viertelstunde kamen wir denn auch schon nach Bethanien.

03] Es war zwar die dritte Stunde nach dem Untergange der Sonne vorüber, aber zu einem wohlbereiteten Nachtmahle noch immer früh genug, und Ich wollte es auch so haben, daß wir um solche Zeit nach Bethanien gekommen sind, auf daß wir von der gafflustigen Menge nicht beobachtet werden konnten; denn an diesem Tage sind nach unserem Abzuge viele Menschen, jung und alt, nach Bethanien gekommen, weil sie vernommen hatten, daß Ich Mich allda aufhielte. Da sie Mich aber nicht fanden und ihnen auch niemand sagte, wohin Ich gezogen sei, und wann Ich wiederkommen würde, so blieben sie des Vergnügens wegen nur bis zum Sonnenuntergang in Bethanien und kehrten dann wieder nach Jerusalem zurück. Einige aber kehrten schon in der Zeit um, als die uns schon bekannten Soldaten in Bethanien eintrafen, nach der Anweisung im Hause des Lazarus ihre Speise und die Zehrpfennige erhielten und dann nach kurzer Rast wieder weiterzogen; denn Ich hatte es dem Raphael also in den Sinn gegeben, daß die Soldaten nicht auf die Rückkehr der Römer warten sollten. Es war denn um diese Zeit, da wir ankamen, alles in der besten Ordnung, und wir waren für uns, von niemandem beirrt, da.

04] Als wir ins Haus traten, da empfingen uns mit vieler Liebe und Freundlichkeit die Schwestern des Lazarus und die Maria von Magdalon, also auch Mein Raphael mit etlichen Jungen, die noch wach geblieben waren, und die am meisten talentiert waren und eine große Sehnsucht hatten, Mich wiederzusehen.

05] Lazarus aber führte seinen Schwestern den Wirt aus der Gegend von Bethlehem vor und auch den Hauptmann und die etlichen Johannesjünger; und die Schwestern bewillkommten sie und wiesen ihnen am Tische die Plätze an.

06] Als dies alles vorüber war, da setzten wir uns zu Tische und nahmen ein bestbereitetes Nachtessen zu uns. Die Römer hatten aber mehr Durst als Hunger und leerten bald ihre Becher, die auch gleich wieder gefüllt wurden. Der Wein löste ihre Zungen, und so wurde es bald recht lebhaft im Speisesaal.

07] Dem Hauptmanne, seinen Gefährten und dem Wirte aus der Nähe Bethlehems aber fiel unser Raphael auf, der nun neben Mir am Tische ebenfalls speiste, und das diesmal absichtlich noch mehr als zu andern Malen, um eben die Fremden auf sich aufmerksam zu machen. Diese betrachteten ihn denn auch stets aufmerksamer und konnten sich heimlich nicht genug verwundern, wie ein sonst so holdester Jüngling gar so viel essen könne.

08] Da das aber besonders dem Hauptmanne auffiel, so fragte er Mich, sagend: »Herr und Meister, vergib es mir, so ich Dich nun in Deiner Eßruhe ein wenig störe! Siehe, der sonst so zarte und über alle Begriffe schöne Jüngling ißt ungewöhnlich viel! Es beneidet ihn wohl sicher niemand um das, was er verzehrt; aber ich habe wahrlich nur Angst darum, daß ihm das Zuviel, was er verzehrt, denn am Ende doch schaden könnte, und daß er dann krank würde, indem er da leicht ein böses Fieber bekäme. Es wäre wahrlich jammerschade um solch einen holden Jüngling, der vermöge seines sehr geistreichen Aussehens sicher etwas Großes werden könnte!«

09] Sagte Ich: »Freund, deine Sorge laß du nur Mir über! Dieser Junge ist schon lange Mein Diener und weiß selbst gar wohl, was er zu tun hat, und wieviel er von einer oder der andern Speise verzehren kann. Täte er also, wie er es tut, nicht recht, so würde Ich es ihm schon sagen. Hätte er nun nicht also gegessen, daß es dir ein wenig übernatürlich vorkommen mußte, so wärest du ja auf ihn um vieles weniger aufmerksam geworden; da du nun aber auf ihn aufmerksam geworden bist, so wirst du von ihm auch noch andere Dinge erfahren, und es wird dich dann gar nicht mehr so sehr wundern, daß er etwas mehr als ein gewöhnlicher Mensch von den Speisen und Getränken zu sich nehmen kann. Von nun an kannst du schon mit ihm selbst verkehren.«



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