Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 83. Kapitel: Zweck des langsamen Verwesens der Leichname.

01] Sagte der Schriftgelehrte: »Herr und Meister, nun erst bin ich vollkommen im klaren, was da die Sache des Sterbens betrifft; doch ein paar Nebensachen, die zwar nicht wesentlich zum Akte des Sterbens gehören, möchte ich von Dir wohl noch erklärt haben, weil man bei der Ausbreitung Deiner Lehre, und zwar namentlich unter den Heiden, denn doch wohl darum befragt werden könnte, wo man dann, so man von Dir darüber nicht belehrt wäre, mit der Antwort offenbar steckenbleiben müßte.

02] Die zwei Punkte aber bestehen darin: Erstens: Warum muß der Leib des Menschen nur langsam verwesen und zunichte werden? Es läge ja in Deiner Macht, ihn in einem Momente aufzulösen und in etwas anderes zu verwandeln; denn dies langsame Verwesen und Vergehen eines toten Leibes macht auf jeden Menschen einen unangenehmen Eindruck, und die Verwesung vieler Leichname verpestet die Luft und wirkt schädlich auf die Gesundheit der lebenden Menschen. Würde aber ein Leichnam, sobald er vollends tot ist, etwa also vergehen wie allenfalls eine Schneeflocke an der Sonne, so wäre es erstens eine für den Menschen würdigere Erscheinung, und zweitens hätten die Menschen von der pestilenzialischen Ausdünstung während der langweiligen (langdauernden) Verwesung des Leichnams nichts zu befürchten und würden auch die oft doch bedeutenden Unkosten des Begrabens und die traurige Mühe sich ersparen. - Das wäre sonach der erste Punkt, über den ich von Dir eine nähere Aufklärung haben möchte.

03] Der zweite aber besteht darin und lautet: Wird die Seele, so sie des Leibes entledigt sein wird, auch auf diese Erde, wenn sie das möchte, zurückschauen können, ihre Veränderungen und auch das Tun und Treiben der Menschen bemerken? - Das wäre der zweite Punkt, über den ich auch noch von Dir, o Herr und Meister, ein paar Wörtlein vernehmen möchte!«

04] Sagte Ich: »Mein Freund, was da betrifft den ersten Punkt, so ist es schon einmal so in Meiner Ordnung begründet, daß der Leichnam aus gar verschiedenen und sicher sehr weisen Gründen nur langsam verwest und sich verwandelt. Wenn ein Mensch aber nach Meiner Ordnung gelebt hat, so wird sein toter Leib ohnehin schneller verwandelt und wird während dem Akte der Verwesung keine pestilenzialische Ausdünstung verbreiten. Nur wo in eines Menschen Leibe sich durch seine Sünden viele unreine Geister angesammelt haben, die sich dann während des Aktes der Verwesung lösen, da entwickelt sich der pestilenzialische Ekelgeruch und kann auf die Gesundheit der anderen Menschen einen bösen Einfluß nehmen, wenn der Leichnam zu lange unbegraben irgend im Freien sich befindet; doch ein paar Tage geben da auch noch keinen fühlbaren Ausschlag.

05] Würde Ich aber einen Leichnam, der voll unreiner Geister ist, plötzlich auflösen lassen, so würden die dadurch in großer Masse freigewordenen unreinen Geister sich wohl auch gleich auf die Leiber der nächsten Menschen in Blitzesschnelle stürzen und sie sehr verderben und manche sogar töten.

06] Beim langsamen Verwesen aber werden die unreinen Geister einmal zu einer Unzahl kleiner und auch größerer Würmer; diese Verzehren den Leichnam und endlich auch sich untereinander, verwesen dann selbst, steigen in schon lauteren Feuchtigkeiten auf die Oberfläche der Erde, wo sie wieder in allerlei Kräuter übergehen, und von diesen dann in ein reineres Gewürm und Insektentum. Und siehe, also will es Meine Weisheit und Meine Ordnung, und Ich habe dir nun eben so viel gesagt, was darüber dem Menschen zu wissen notwendig ist; ein Weiteres aber wird dir schon der Geist verkünden, wenn du es zu wissen benötigen wirst.

07] Was aber deinen zweiten Fragepunkt betrifft, so versteht es sich von selbst, daß vollendete Seelen, wie Ich euch das schon auf dem Ölberge gezeigt habe, nicht nur diese Erde, sondern auch die ganze Schöpfung, wenn sie es wünschen, werden sehen und nach allen Richtungen durch und durch beobachten können, und es werden ihnen auch die auf den Weltkörpern lebenden Menschen und auch die andern Geschöpfe zur Leitung und Führung anvertraut werden, und da ist es wohl von selbst verständlich, daß vollendete Seelen auch die materiellen Schöpfungen sehen müssen und werden.

08] Aber unvollendete und böse und finstere Seelen werden das nicht vermögen; denn es wäre das auch nicht gut, weil sie in ihrer großen Schadenfreude und Rachgier der Erde und allen Geschöpfen sicher großen Schaden zufügen würden. Sie halten sich zwar in den Niederungen dieser Erde auf, auch in manchen Höhlen und Löchern der Erde: aber sie sehen dennoch den von ihnen besessenen Ort nicht, sondern nur das haltlose und lockere Gebilde ihrer Phantasie. Nur zuweilen wird es einem oder dem andern gestattet, des materiellen Ortes, den ein solcher Abgeschiedener bewohnt, innezuwerden. In solch einem Zustande weiß er dann auch, was irgend ein ihm Verwandter oder auch ein anderer Mensch auf der Erde tut, wie es ihm geht, und noch so manches andere, - aber alles nur einige Augenblicke lang; dann kehrt er gleich wieder in seinen nichtigen Phantasieort zurück, wo er seinesgleichen findet. Denn es ist das auch bei den unvollendeten und argen Seelen der Fall, daß die Gleichgesinnten sich in Vereine zusammenbünden, aber freilich in keine guten; denn in gute Vereine bünden sich nur die seligen Geister. Alles andere habe Ich euch auch schon auf dem Ölberge erklärt und euch gezeigt, und somit wäre das einmal abgetan. - Habt ihr das wohl verstanden?«

09] Sagten alle samt dem Schriftgelehrten: »Ja, Herr und Meister; sei Du uns Sündern nur stets gnädig und barmherzig, auf daß wir dereinst nicht in die Vereine arger Seelen gelangen mögen, und habe Geduld mit noch manchen unseren Schwächen! Dir allein sei alles Lob und alle Ehre ewig!«



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