Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 81. Kapitel: Der Tod des Menschen.

01] Ein Schriftgelehrter aber, der als ein zu Mir Bekehrter bei uns war, sagte: »Herr und Meister! Du hast nun zu der herrlichen Maria von Magdalon gesagt, daß Du Selbst ein wahres Brot aus den Himmeln seist und so auch ein rechter Wein, und wer dies Brot und den Wein genießen wird, der werde auch den Tod nicht sehen, fühlen und schmecken ewiglich. Ich weiß wohl, daß Du unter 'Brot' Dein Wort und unter dem 'Wein' den lebendigen Geist im selben gemeint hast, so wie unter 'Essen des Brotes' die Annahme Deines Wortes und unter 'Trinken des Weines' das Handeln nach Deiner göttlichen Lehre, die sicher aus den Himmeln ist, weil Du Selbst der alleinige allerhöchste Herr des Himmels und auch der Erde bist; aber daß der, welcher das wahre Himmelsbrot essen und den Wein aus den Himmeln trinken wird, gar nicht sterben werde, das ist etwas ganz Neues, und ich weiß nun nicht, wie ich das begreifen soll. Denn man kann das wohl auch von allen Menschen sagen, daß sie den Tod nicht sehen, nicht fühlen und auch nicht schmecken; denn solange noch ein Mensch lebt, sieht, fühlt und schmeckt er den Tod sicher auch nicht, - ist er dann aber gestorben und tot, so sieht, fühlt und schmeckt er den Tod sicher auch nicht, weil er kein Leben und somit auch keine wie immer geartete Empfindung mehr hat. Du siehst, daß diese Sache nach meinem Erkennen einen doppelten Sinn in sich enthält und demnach zu wünschen ist, daß Du als der Herr über Leben und Tod uns diese Sache ein wenig klarer darstellen mochtest.

02] Alle die Altväter und Propheten, die auch streng nach Deinem ihnen geoffenbarten Willen gelebt und gehandelt haben, sind am Ende denn doch gestorben, und wir werden auch sicher alle sterben müssen, weil Du Selbst uns auf den Abfall des Fleisches von der Seele schon bei verschiedenen Gelegenheiten nur zu deutlich und klar aufmerksam gemacht hast; und nun sagtest Du aber, daß es für den, der Deine Lehre annehmen und werktätig befolgen wird, keinen Tod geben wird. Wie sollen wir das verstehen?«

03] Sagte Ich: »Freund, bei dir wird es noch mancher Probe benötigen, bis es in dir ganz helle wird! Meinte Ich denn etwa, daß ein Mensch, der nach Meinem Worte leben wird, auch leiblich gleichfort auf dieser Erde leben werde? Wie kann man aber als ein Schriftgelehrter so blind und sinnlos denken und urteilen! Dem Leibe nach wird wohl freilich ein jeder Mensch sterben, und sein Leib wird den Tod sicher nicht sehen, fühlen und schmecken, - aber desto mehr die Seele eines Sünders, so er nicht nach Meiner Lehre sich bessern und eine rechte und wahre Buße tun wird! Denn bei wem die Seele noch gar sehr ins Fleisch und dessen sinnliche Lust vermengt und verwachsen ist, bei dem auch wird eben die Seele den Tod sehr sehen, fühlen und schmecken, so für den Leib die Stunde des Abfallens kommen wird.

04] Sieh nur einen Verbrecher an, so er nach den Gesetzen zum Tode auf den Richtplatz hinausgeschleppt wird, wie es seiner Seele dabei zumute wird! Die Seele sieht erstens schon den natürlichen Tod und fühlt und schmeckt ihn auf eine gar qualvolle Weise, und zweitens dauert der Tod für die ohnmächtige und geistig tote Seele jenseits noch gar lange fort, und das erstens, weil sie sich in ihrer Ohnmacht und völligen Verlassenheit an denen, die ihren Leib getötet haben, nicht nach ihrem brennenden Zorne rächen kann, und zweitens, weil sie in die größte Lebensfinsternis gerät, aus der sie keinen Ausweg findet und daher in die ärgste Qual gelangt, so lange, bis sie ihr eigenes Arge zu erkennen und geduldig zu ertragen beginnt. Heißt denn das nicht den Tod sehen, fühlen und schmecken?!

05] Eine Seele aber, die nach Meiner Lehre in ihrem Geiste aus Mir schon auf dieser Erde vollends wiedergeboren wird, wird solch einen Tod sicher ewig nicht sehen, fühlen und schmecken, weil sie mit dem vollsten und hellsten Lebensbewußtsein frei von aller Qual aus dem Leibe scheiden wird, wenn Ich sie zu Mir für ewig berufen werde. Ich sage es euch: Es werden von euch viele, welche die geistige Wiedergeburt werden erreicht haben, zu Mir von dieser Erde bitten und sagen: "Herr, wie lange wirst Du uns noch die schwere Bürde des Fleisches auf dieser Erde herumtragen lassen?" Und Ich werde zu ihnen in aller Liebe sagen: "Geduldet euch noch eine kurze Zeit, und Ich werde euch eurer Bürde entledigen!" Und so einer und der andere von euch von den Heiden um Meines Namens willen zum Tode geführt wird, so wird er lachen und frohlocken, daß er als Blutzeuge seines Fleisches entledigt wird, und wird Seligkeit und Wonne empfinden selbst in des Fleisches Schmerzen. Wenn aber ganz sicher also und nicht anders, habe Ich da denn doppelsinnig geredet also, wie du als ein Schriftgelehrter es willst verstanden haben? Rede nun du, ob dir die Sache nun noch also vorkommt!«

06] Sagte der Schriftgelehrte: »Ja, Herr und Meister, nun ist mir auch diese Sache klar! Ich begreife sie nun und bin auch sehr froh darob, obschon ich dabei dennoch offen gestehen muß, daß der noch so beseligende Leibestod für die, welche noch auf der Erde im Fleische zu verbleiben haben, durchaus nichts Anmutiges und Wünschenswertes, sondern nur das Gegenteil aufzuweisen hat und für die Ehre, ein Mensch und gewisserart Herr der Natur zu sein, sehr entwürdigend erscheint, weil der vernunftvolle Mensch, der sich in seinem Denken, Glauben und Wissen bis zur vollen Gotteserkenntnis emporschwingt und in seinem Herzen auch Gottes Liebe trägt, am Ende beim Sterben vor jeglichem Tiere nicht nur nichts voraus hat, sondern demselben weit nachsteht.

07] Denn das Tier weiß zum voraus sicher nicht, daß es sterben wird, und der Mensch muß sich mit diesem höchst unangenehmen Bewußtsein sein ganzes Leben lang herumtreiben, und es ist sonach auch eben nicht ganz unbegreiflich, daß sich manche Menschen bloß aus dem Grunde in alle sinnlichen Weltfreuden stürzen, weil sie der bittere Gedanke an den sicheren Tod gewisserart dazu nötigt.

08] Im besonders gesunden Menschengemüte ist ein heiterer Seligkeitssinn sicher der vorherrschendste, denn wer wird etwa nicht wollen froh, glücklich und heiter sein? Aber inmitten der den Menschen oft so beseligenden Gefühle steigen die schwarzen und das Gemüt ängstigenden Gedanken an den sichern Tod auf, und mit der Seligkeit hat es da auf Tage lang ein Ende!

09] Ja, wenn ein jeder Mensch das wüßte, was wir durch Deine Gnade nun wissen, dann würde er sich aus dem Gedanken an den Tod wohl auch eben nichts machen! Aber wie wenige gibt es derer, die das wissen. Und so sind sie nach meiner Ansicht auch zu entschuldigen, so sie sich inmitten ihres ihnen stets klar bewußten Elendes nach aller Möglichkeit hin zerstreuen, damit sie nicht als große Freunde eines glücklichen Lebens alle Augenblicke mit dem Gedanken an den Tod und an das Grab erschreckt werden. Ich sehe nun wohl ein, daß der Mensch mit dem Tragen der schweren Fleischbürde nie völlig selig werden könnte, und daß am Ende der Leibestod für ihn ein unschätzbarer Gewinn ist; aber diese Begünstigung hätte dem Menschen doch vom Schöpfer können erteilt werden, daß sein Tod nichts Bitteres und sein Gemüt oft so sehr Beängstigendes an sich hätte? Der Mensch könnte ja in einem Augenblick aufgelöst und der Bewohner einer andern Welt werden!

10] Wozu das oft lange Hinsiechen bis zum Tode, wozu die Schmerzen, und wozu das Bittere des Todes und das darauf im Grabe lange Verwesen und Vergehen des toten Leibes?

11] Kurz und gut, mit der gewöhnlichen Todesart der Menschen bin ich durchaus nicht einverstanden und kann sie nicht als etwas Billiges ansehen!«



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