Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 13. Kapitel: Ansichten des Römers Agrikolas über die Zukunft der Lehre Jesu.

01] Sagte nun Agrikola: »Herr und Meister. Du hast mir nun wieder eine neue und übergroß-wichtige Wahrheit enthüllt, und ich sehe nun klar ein, daß es so sein soll. Aber wo steckt da nun nahezu in aller Welt die Erziehung des Menschen schon von Kindesbeinen an? Man weiß ja nicht einmal, wie und wo man bei der Erziehung der Kinder anfangen und wo enden soll!

02] Da wird den reichen Eltern ein Kind geboren. Sie haben eine wahre Affenliebe zu ihm und gewähren ihm alles, was sie ihm nur in den Augen ansehen, und verzärteln es oft auf eine unausstehliche Weise. Sie selbst getrauen sich nicht, ein solches Kind nur mit einem ernsteren Worte ob seiner vielen Unartigkeiten zu strafen, und tut das dann später etwa ein Lehrer, so hat er sich das Kind und die Eltern zu Feinden und Verfolgern gemacht; schon die alten Römer sagten: "Wen die Götter haßten, aus dem haben sie einen Schulmeister gemacht!" Nun, die Eltern sind blinde Toren, und der Schulmeister muß es sein, wenn er leben will. Woher sollen dann solche Kinder eine rechte Menschenerziehung bekommen?

03] Bei solcher Erziehung aber, wie sie nun in der besonders großen Herrenwelt nahezu allgemein gang und gäbe ist, muß ja der Mensch und die gesamte Menschheit derart entmannt (degeneriert) werden, daß er gar nie mehr von irgendwoher erfahren kann, wie der eigentliche, wahre Mensch aussehen und beschaffen sein soll! Und ich muß es hier offen gestehen, daß auf dieser Erde noch gar viele Stürme über ihre Gefilde und Meere dahinbrausen werden, bis die Menschheit wieder auf den großen und wahren Standpunkt zurückkommen wird, von dem sie im Urbeginne ausgegangen ist.

04] Es müßten nun gute Schulen nicht nur für Kinder, sondern auch für die blinden Eltern ernstlich errichtet werden, in denen sie alle die großen Wahrheiten erlernen müßten, die ein jeder kennen und wissen muß, um, als nach ihnen tätig, ein wahrer Mensch werden zu können.

05] Aber woher wird man für so zahllos viele Menschen die rechten Lehrer nehmen? Du, o Herr und Meister, hast wohl schon eine Menge Jünger gebildet, die da wissen, was dazu gehört, um ein wahrer Mensch nach Deiner Ordnung zu werden und zu sein; aber was ist ihre Zahl gegen die nahe endlos große Zahl der Menschen auf der ganzen Erde? Dazu kommt noch die große Roheit und gänzliche Verwilderung der Menschen und Völker auf der Erde und die starre Begründung in ihren Sitten und Gebräuchen und auch ihre verschiedenen Sprachen!

06] Wie möglich kann ein Mensch gegen alle diese kolossalsten Hindernisse kämpfen und wie sie besiegen? Du bist doch der Herr Selbst, und alles gehorcht Deinem Willen, und dennoch stößt Du Selbst hier in den Ländern der Bildung auf unübersteigbare Hindernisse. Auf welche Hindernisse werden dann erst die wenigen Jünger stoßen?

07] Ja, gut wäre es, wenn man Deine göttliche Lehre so über eine Nacht hin in aller Menschen Herzen legen könnte samt dem Eifer, danach zu handeln! Aber das liegt nicht in Deiner Absicht, weil ein jeder Mensch sich alles das nur durch den Unterricht von außen her zu eigen machen muß und dann den ernsten Willen fassen, danach zu handeln. Aber es wird auf diese Weise mit der Menschheit wohl nur sehr langsam vorwärtsgehen, und es ist da gar keine Zeit zu ermessen, in der alle Menschen auf der ganzen Erde Deine Lehre überkommen werden, und so wird Deiner Lehre reinstes Lebenslicht nur stets ein Eigentum weniger Menschen bleiben, und es fragt sich selbst da, wie langehin ganz rein!

08] Denn solange die Menschen nicht von der Wahrheit Deiner Lehre lebendigst durchdrungen sein werden, werden sie in ihren Weltgelüsten nebenbei dennoch stets verharren, mehr oder weniger, was am Ende gleich ist, und werden sich aus Deiner Lehre bald mit manchen Zusätzen eine irdische Erwerbsquelle schaffen, und es wird dann mit Deinen späteren Jüngern um nichts besser stehen, als wie es nun steht mit den vielen Juden und Heiden, und der wahre Segen und die lebendige Frucht Deiner Lehre wird ferne sein den Menschen. Ich bin zwar kein Prophet; aber es sagt mir das so mein ziemlich klarer Verstand, der mir durch meine vielen Erfahrungen zuteil geworden ist, und ich glaube, daß ich in dieser Sache ein ganz wahres Urteil ausgesprochen habe.«



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