Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 4. Kapitel: Ein Schriftgelehrter weist auf die Ordnung Gottes hin.

01] Sagte ein anderer Schriftgelehrter: »Ich kann dir nicht unrecht geben und bin vielfach auch deiner Ansicht; aber als eine völlig ausgemachte Wahrheit kann ich deine Meinung und Ansicht denn doch auch nicht annehmen! Denn ich kann denn doch nicht glauben, daß Gott als sicher ein allerweisester Schöpfer Himmels und der Erde, der doch Sonne, Mond, Sterne und diese Erde gleichfort erhält, uns Menschen als ganz sicher die vollendetsten Werke Seiner Weisheit und Macht pur zu Seinen vergänglichen Spielpuppen geschaffen hat!

02] Daß der Mensch nur ein kurzes diesirdisches Leben hat, davon scheint der Grund denn doch mehr darin zu liegen, daß seine Seele sich in ihrem Leibe gewisserart ausbilde, eine gewisse und haltbare Gediegenheit erhalte, auf daß sie dann in einer andern, ihrem Wesen ähnlichen Welt, die unbegrenzt sein muß, fortbestehen kann.

03] Denn wenn der Mensch mit Leib und Seele nur für diese materielle Welt bestimmt wäre, die sicher ihre Grenzen hat, wenn sie auch noch so groß ist, so würde infolge der täglichen Vermehrung der Menschen, so sie auch dem Leibe nach unsterblich wären, diese Erde, die dazu noch aus viel mehr Wasser als aus festem, bewohnbaren Boden besteht, eben für die Menschen bald zu klein und enge werden; es müßte Gott nach einer bestimmten Zeit die Menschen nur unfruchtbar machen und sie auch nimmer älter werden lassen, damit sie dann in einer gewissen normalen Kraft und Stärke gleich ewig fortleben und den Boden der Erde zu ihrem Unterhalte bearbeiten könnten.

04] Daß die Menschen aber mit der Zeit eines solchen notwendig einförmigen Lebens auch satt würden, das können wir mit aller Bestimmtheit annehmen; denn es lehrt uns ja die tägliche Erfahrung, daß jeder in ein und demselben stets gleichen Lebensverhältnisse sich sehr zu langweilen und nach irgendeiner Veränderung zu sehnen anfängt, und so würde selbst der allererfinderischste Mensch nach vielen tausend Jahren mit den ihn ergötzenden Veränderungen zu Ende kommen und endlich in eine größte Langeweile geraten, die er mit nichts mehr verscheuchen könnte.

05] Aus diesen sicher inhaltsschweren Betrachtungen aber ist es wohl ersichtlich, daß Gottes Weisheit die Menschen für ein anderes, höheres und freieres Leben erschaffen hat und nicht für eine in allem höchst beschränkte Welt, die wohl gut genug ist, um dem Menschen als eine erste Bildungsstufe zu dienen, aber nie dazu bestimmt sein kann, ihm einen seligen ewigen Unterhalt zu geben.

06] Aus diesen und noch manchen andern Gründen aber glaube ich an die Unsterblichkeit unserer Seelen, weil ihre Sterblichkeit uns Gott, dessen Macht und höchste Weisheit aus allen Seinen Werken hervorleuchtet, so wie auch Seine Güte und Gerechtigkeit, entweder als ohnmächtig und unweise oder auch als gar nicht daseiend vorstellen würde.

07] Das kann aber doch kein nur einigermaßen heller denkender Mensch behaupten, daß irgendeine blinde und stumme Kraft Werke, wie da wir Menschen es sind, in ein geordnetes Dasein rufen könnte. Denn was man selbst nicht hat, davon kann man auch unmöglich jemand anderem etwas geben. Oder stellt einen sehr dummen Menschen, der kaum seine Muttersprache lallen kann, als Lehrer einer fremden Sprache in eine Schule! Was wird der wirken? Nichts mehr als eine Bildsäule! Darum muß es ja einen höchst weisen und allmächtigen Gott geben, was ein jeder hellere Denker als höchst wahr bekennen muß.

08] Ist aber der allmächtige Gott höchst weise, so ist Er auch höchst gut und gerecht und hat mit uns Menschen sicher höchst wahre und gute Absichten und hat durch den Mund der Propheten und anderer weiser Menschen auch allen anderen Menschen kundgetan, was Er mit uns Menschen für Absichten hat, und was aber auch die Menschen zu tun haben, um hier auf Erden schon ein gutes und recht seliges Vorleben zu genießen und sich durch dieses Vorleben für das nachfolgende ewige Leben so tüchtig und empfänglich wie möglich zu machen.

09] Ein Gott aber, der das getan hat und noch gleichfort tut, hat uns Menschen, ja sicher nicht einmal eine Mücke, zu keinem leidigen Spielzeug Seiner Launen erschaffen! Oder kann man sich einen weisen und somit auch guten Menschen denken, der daran sein größtes Vergnügen hätte, seine armen Nebenmenschen in einem fort auf das grausamste quälen zu sehen? Soviel aber ich die Menschen in allen Verhältnissen und Richtungen betrachtet habe, habe ich auch stets bemerkt, daß Gott den Menschen durch aus kein Leid zufügt; sondern das tun sich die Menschen gegenseitig und auch ein jeder nur zu oft und am allermeisten sich selbst. Denn erstens treibt die Menschen ihre nie zu sättigende Selbstsucht und Habgier dazu an, daß sie sich nach aller Möglichkeit verfolgen und sich gegenseitig dadurch Übel und Qualen aller Art und Gattung bereiten und zuziehen; und weil sie dabei auf den geoffenbarten Willen Gottes nicht mehr achten, so gelangen sie durch die ungeordnetsten Lebensweisen auch in allerlei böse Leibeskrankheiten, die ihnen dieses Vorleben höchst verbittern.

10] Frage: Ist da auch etwa Gottes Weisheit und Güte daran schuld? Wenn das der Fall wäre, so müßten jene hoch zu ehrenden Menschen, die stets streng nach den Gesetzen Gottes gelebt haben, vor ihrem Abscheiden von dieser Welt auch mit solchen bösen Krankheiten zu Tode gemartert werden wie diejenigen, die von ihrer Jugend an schon ein gottloses Leben geführt haben und dadurch die Natur ihres Wesens in die größte Unordnung brachten. O nein, ich selbst habe mich schon gar oft überzeugt, daß der nach der Ordnung Gottes lebende Mensch zumeist ein hohes Alter erreicht und am Ende eines sichtlich ganz sanften Todes stirbt.

11] Es gibt hie und da freilich wohl auch Beispiele, daß recht fromme und gerechte Menschen am Ende auch mit irgendeiner eben nicht sehr sanften Todesart von dieser Welt scheiden; aber da können wir immer zwei Fälle annehmen, und diese können wohl darin bestehen, daß Gott so einem Menschen eine größere Geduldsprobe zukommen läßt, damit seine Seele fürs Jenseits eine desto größere Gediegenheit erlange. Warum? Das wird Gott sicher höchst klar wissen!

12] Im zweiten Fall aber kann der im gesetzten Alter fromm und gerecht gewordene Mensch durch so manche Jugendsünden doch seines Leibes Natur leicht in irgendeine Unordnung gebracht haben, und diese kann ihm dann am Ende seines Lebens auch so manche bitteren Folgen zum Verkosten bringen, die ihm die letzten Stunden eben nicht zu den angenehmsten machen dürften. Aber das können wir als völlig sicher und gewiß annehmen, daß von der Wurzel an ganz nach der Ordnung Gottes lebende Menschen stets höchst sanft dahinsterben.

13] Das ist nun so mein wahres Bekenntnis, bei dem ich für mich bis an den Rand dieses meines Erdenlebens treu verbleiben werde; von euch aber glaube und tue ein jeder, was er will!«



Home  |    Index Band 8  |   Werke Lorbers