Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 7


Kapitelinhalt 153. Kapitel: Die Sühne der Pharisäer.

01] Raphael aber berief nun, statt den beiden Pharisäern auf ihre Frage nach Mir sogleich zu antworten, Lazarus und Nikodemus zu sich und sagte erst hierauf zu den beiden Pharisäern. »kennt ihr diesen Mann, den besonders ihr am meisten zu verfolgen angefangen habt, weil er euch am Ende doch nicht mehr das leisten konnte und wollte, was alles ihr von ihm verlangt habt?«

02] Sagten die beiden Pharisäer: »Oh, den überreichen Lazarus kennen wir sicher sehr wohl und wissen es auch, was wir an ihm verbrochen haben! Was wir ihm werden zu ersetzen imstande sein, das werden wir ihm auch nächstens aus unserem höchsteigenen Privatschatze ersetzen. Aber wir haben seine Herberge auf dem Ölberg mit einem Fluche belegt, der im Tempel eingetragen ist; den werden wir freilich nicht anders als mit einem bedeutenden Lösegeld aus dem schwarzen Buche tilgen können. Wir aber werden dem guten Lazarus das Geld aus unserem Schatze geben, und er wird damit den lästigen Fluch schon löschen können!«

03] Sagte Raphael zu Lazarus: »Bist du mit diesem Antrage zufrieden?«

04] Sagte Lazarus: »Ich bin damit sicher ganz zufrieden, obschon ich da auch den aufrichtigen Willen schon fürs Werk annehmen und somit auch euch beiden der beste Freund sein will und werde. Übrigens muß ich euch, meine lieben Freunde, offen bekennen, daß mir euer Fluch viel mehr genützt als irgend geschadet hat; denn dadurch sind alle Fremden gerade mir zugeströmt, als sie das bei den Zöllnern in Erfahrung gebracht hatten, daß meine Herberge vom Tempel aus verpönt sei. Denn da urteilten die Fremden also: 'Die Herberger der Stadt, denen die bekannt beste und billigste Herberge auf dem Berge schon lange ein Dorn im Auge war, haben sich sicher mit allerlei Opfern einerseits und mit ebenfalls allerlei lügenhaften Verleumdungen anderseits hinter den bekannt höchst opfersüchtigen Tempel gesteckt und haben das bewirkt! Jetzt gehen wir erst recht allein der Bergherberge zu und geben ihr unser Geld für ihre sicher billigste und beste Bewirtung!'

05] Und so seht nun, ihr lieben Freunde, wie ihr mir durch den Fluch nicht nur nicht geschadet, sondern nur sehr genützt habt, und wie ich darum gar keinen Grund habe, auf euch ärgerlich zu sein! Also ist es auch gar nicht nötig, den Fluch aus dem Buche löschen zu lassen, da er meiner Herberge offenbar zum größten Nutzen gereicht.

06] Zudem aber ist noch das in Betracht zu ziehen, daß mir ganz dasselbe begegnen kann, was schon mehreren begegnet ist: sie haben den Fluch auch gelöst, - aber nach Verlauf eines Jahres, und oft noch früher, hat der Tempel schon wieder einen Grund gefunden, ihre Herberge von neuem wieder mit einem Fluche zu belegen, und der dadurch Benachteiligte mußte dann das doppelte Lösegeld bezahlen, so er seine Sache entflucht haben wollte. Denn es heißt ja in eurer Regel: 'Wenn der erste Fluch durch ein Opfer gelöst ist, aber aus bestimmten Gründen dieselbe Sache vom Tempel aus noch einmal mit einem neuen Fluche belegt wird, so macht der neue Fluch den alten auch wieder geltend, und es müssen darum zwei Flüche gelöst werden. Und auf diese Weise kann sich die Sache bis zum zehnten Fluche steigern.'

07] Um aber diesen höchst unnötigen großen Geldausgaben zu entgehen, läßt man den ersten Fluch stehen, besonders so er einem mehr nützt als schadet, und wird ein fester römischer Bürger, - und der Tempel kann dann im schwarzen Buche von Zeit zu Zeit zusammenaddieren und sich die Summe anschauen, wie gut sie in den großen Opferschrank zu legen wäre, wenn sie jemand bezahlete!

08] Dafür also, daß ihr, nun meine lieben Freunde, mir aus eurem Schatze das Lösegeld geben wollt, tut anderen verschämten Armen Gutes, weil ich den Tempelfluch wirklich recht gut brauchen kann! Also könnt ihr auch mit dem Gelde tun, das ihr mir für den von euch mir zugefügten Schaden zu geben willens seid; denn ich bin - dem Herrn alles Lob - schon lange für alles mehr denn tausendfach entschädigt. Und so wollen wir, wenn ihr allen Ernstes das tun wollt, was ihr diesem jungen Freunde versprochen habt, auch so die besten Freunde für immer verbleiben!«

09] Sagte der eine Pharisäer: »Das werden wir; denn wir haben hier Dinge erlebt, die uns ins höchste Erstaunen gesetzt haben und nach allen Richtungen, hin und her, die allerpurste Wahrheit sind, während dagegen unser ganzes Tempeltum schon ganz rein des Satans ist. Wir werden uns daher ehestmöglich ganz aus dem Tempel entfernen wie das schon mehrere getan haben, und werden dann ganz unserer inneren Überzeugung leben.

10] Dieser junge, gottähnliche Freund, vor dem auch unsere innersten Gedanken nicht sicher sind, kann es dir sagen, daß wir dazu metallfest entschlossen sind; aber nur den berühmten Galiläer möchten wir zuvor noch sehen und sprechen und aus seinem Munde einige Weisungen empfangen, was wir etwa noch zu tun haben, um möglicherweise noch eher nur zu einem geringsten Grade der inneren Lebensvollendung zu gelangen, als wir das Zeitliche mit dem Ewigen vertauschen werden.«

11] Sagte Lazarus: »Aber es hat euch der junge Freund, ein echter Diener des Herrn, ja ohnehin alles gezeigt und gesagt, was ihr für die Erreichung der inneren Lebensvollkommenheit zu tun habt; ein mehreres wird euch auch der Herr Selbst nicht sagen!«

12] Sagte der Pharisäer: »Freund, da hast du wohl ganz recht - denn es kann ja nur eine Wahrheit geben -; aber diesen großen Mann Gottes nur zu sehen, muß für den, der an ihn zu glauben angefangen hat, ja auch eine noch größere Zuversicht erwecken, als so man bloß mit seinen Dienern und Jüngern spricht! Es ist bei uns wahrlich keine eitle Neugier, ihn zu sehen und zu sprechen; sondern weil wir solches von ihm gehört und nun auch gesehen haben, so ist in uns eine große und mächtige Liebe zu ihm erwacht, und eben darum möchten wir ihn selbst irgendwo sehen und sprechen. Der gotterfüllte junge Freund wird es sicher ganz genau wissen, wo er, der Geheiligte Gottes, sich nun aufhält! Wäre er nun auch irgendwo in Galiläa, so möchten wir ihm sogleich nachziehen, ihn aufsuchen und ihn um Lehre und Rat bitten.«

13] Sagte Lazarus: »Hat Er ja doch schon zu öfteren Malen im Tempel das Volk gelehrt! Habt ihr Ihn da denn nicht gesehen und gar leicht selbst gesprochen?«

14] Sagten die Pharisäer: »Du weißt es ja ohnehin, daß der sogenannte Hohe Rat im Tempelteile, der fürs Volk bestimmt ist, beinahe gar nie zu sehen ist, weil er da nichts zu tun hat, und so haben wir es wohl vernommen, daß er im Tempel war und daß er auch große Zeichen gewirkt habe, - aber gesehen und gesprochen haben wir ihn nicht! Und so möchten wir ihn denn eben jetzt aufsuchen, sehen und, wenn möglich, sprechen!«

15] Sagte Lazarus: »Aber ich weiß es, daß doch viele Pharisäer, Schriftgelehrte und Älteste im Tempel Ihn gesehen und gesprochen haben und gegen Ihn auch so feindlichst gesinnt wurden, weil Er ihnen ihre Ungerechtigkeiten und Betrügereien vor dem Volke vorhielt! Da ist es ja um so merkwürdiger, daß ihr im Hohen Rate nun nichts eifriger zu beschließen hattet, als wie ihr den Herrn irgend fangen und dann aber auch sogleich töten könntet! Und ihr als nach dem Hohenpriester die ersten Machthaber solltet im Ernste Ihn bisher noch nicht gesehen und gesprochen haben?! Wahrlich, das klingt denn doch ein wenig sonderbar!«

16] Sagte der Pharisäer: »Das sicher, und doch ist es also! Ich sage dir nun sogar das, daß der große Heilsmann sich nun sogar unter euch befinden könnte, und wir würden ihn sicher nicht erkennen, so er selbst sich uns nicht zu erkennen geben würde! Wir hielten heimlich schon diesen wahren zweiten Samuel dafür; nur kam er uns denn doch etwas zu jung vor, da wir vernommen haben, daß der große Heilsmann schon bei dreißig Jahre Alters haben soll, was uns aber auch nicht ganz genau bekannt ist. Aber wir haben nun nur die größte Sehnsucht, ihn selbst zu sehen und zu sprechen! Darum sage es uns doch, wo wir ihn sehen und sprechen können!«

17] Hierauf schwieg Lazarus, da er merkte, daß Ich Selbst bei dieser Gelegenheit aus der Hütte hervortrat und zu ihm herabkam.



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