Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 7


Kapitelinhalt 151. Kapitel: Die göttliche Führung der Menschen.

01] (Raphael:) »Ihr mit eurem gänzlich verkehrten und von Gott völligst abgewichenen Tempelwesen aber seid noch überaus ferne davon und werdet euch davon noch immer mehr entfernen! Ihr hoffet auf einen weltlichen Messias, der euch aus der euch über alles verhaßten Botmäßigkeit der Römer befreien und aus euch wieder ein großes und gefürchtetes Volk machen werde; aber solch ein Messias wird ewig nicht zu euch kommen.

02] Es ist aber der verheißene, wahre Messias in der Person des euch so sehr verhaßten Galiläers zu euch gekommen und will bei euch ein geistiges Reich auf Erden gründen und euch geben das verlorene Paradies, das da ist die bei euch gänzlich verlorengegangene Erkenntnis des einen, wahren Gottes und Seines Willens, was da endlos höher steht denn alle Reiche und Schätze der Erde; allein, ihr wollt das nicht und verfolgt den Heiligsten aller Heiligkeit in Gott und wollt Ihn sogar fangen und töten.

03] Urteilt da selbst, ob ihr durch solche eure Denkungs- und Handlungsweise je in den Zustand des wahren und vollkommenen Lebens eines Menschen gelangen könnet! Redet nun und gebet mir eine rechte Antwort!«

04] Sagte ein Pharisäer: »Ja, ja, du hast wahrlich in allem recht geredet, und wir sehen nun die große Wahrheit ein, daß wir durch unsere ganz eigene Schuld so endlos weit vom wahren Ziele des Menschenlebens uns entfernt haben; aber wir sehen nun auch, daß wir auf diese Weise so gut wie rettungslos verloren sind. Denn der Tempel wird in seiner übergroßen Verblendung seine Gesinnung nicht ändern, und so sind wir verloren, und die Bedeutung der Zeichen am Himmel in der vorigen Nacht ist uns jetzt erst so recht sonnenklar geworden.

05] Was uns vier allhier betrifft, so werden wir wohl nach allen unseren Kräften auf den Wegen zu wandeln anfangen die du uns gezeigt hast; aber unser sind etliche Tausende, die noch um vieles finsterer und ärger sind, als wir je waren, bei denen dieses Licht nie zum Leuchten kommen wird. Was wird aus diesen werden, so sie in ihrer Bosheit hartnäckig verharren?«

06] Sagte Raphael: »Die Gelegenheit ist da und wird noch eine kurze Zeit bei euch verharren. Wer da freiwillig kommen wird der wird angenommen werden; wer aber nicht kommen wird sondern verharren wird in seiner Blindheit, der wird zugrunde gehen. Denn aufgedrungen wird die Lehre zur Gewinnung des inneren Lebens niemandem, weil ihm das für seine Seele auch nichts nützen würde. Das Naturleben auf dieser Erde wird dem Menschen wohl gegeben, - aber das innere Leben muß er selbsttätig erwerben.

07] Ich sage es euch: Das Geheimnis und das Bedürfnis des inneren vollkommenen Lebens liegt jedem Menschen so nahe und so klar auf der Hand, daß wahrlich die Sonne am hellsten Mittage nicht klarer scheinen könnte! Aber es hilft das bei der notwendigen Freilassung der Selbstbestimmung der Menschenseele am Ende dennoch nicht viel, weil der Mensch von Natur aus träge und somit untätig ist, was denn auch wieder notwendig ist, weil der Mensch sonst keine Gelegenheit hätte, sich selbst zum Leben zu erwecken, um auf diese Weise ein gleich selbständiger Meister seines wahren Lebens zu werden.

08] Aber die größte Anzahl von Menschen dieser Erde läßt sich aus ihrem süßen Trägheitsschlafe nicht einmal so weit wachrütteln, daß sie doch wenigstens einmal erführe, wie höchst wunderbar angenehm der werdende Tag anbricht. Sie schläft lieber in den halben Tag hinein, und wenn sie dann doch endlich einmal wach wird, so wird sie erst recht ärgerlich, daß es schon hellster Tag geworden ist, der sie nicht noch eine Zeitlang so ganz ruhig schlafen ließ.

09] Da frage ich im Namen des Herrn: Wem soll man denn ein solches Menschengeschlecht vergleichen? Die Tiere haben ihre Zeit zur Ruhe und zu ihrem Schlafe. Wenn sie wach sind, so sind sie tätig in ihrer Art, gleich den Ameisen und Bienen, und sorgen treulich für ihre Zukunft - denn solches liegt in ihrem Instinkt -; aber der Mensch trotz aller Offenbarung, weil er notwendig einen ganz freien Willen hat, gefällt sich in seiner Trägheit und will nicht das Licht, sondern nur die Nacht und die vollste Finsternis, damit er fortwährend desto behaglicher seinen todbringenden Schlaf fortpflegen kann.

10] Was kann aber Gott, der mit Seiner Allmacht in das Leben eines Menschen nicht mehr so wie bei den Pflanzen und Tieren einwirken kann und darf, um aus dem freiesten und völlig selbständig sein sollenden Menschenleben kein gerichtetes Tier oder Pflanzenleben zu gestalten, da anderes tun, als was sorgsame Eltern, denen das Heil und Wohl ihrer Kinder am Herzen liegt, ihren schlafsüchtigen Kindern tun?

11] Sie versuchen, die Kleinen mittels allerlei Lärm aufzuwecken; und wollen die Kinder das Bett noch immer nicht verlassen, so müssen sie - die Eltern nämlich - nach einer Rute greifen und den zu schlafsüchtigen Kindern einige etwas unangenehme Ratschläge erteilen, die ihnen auf eine handgreifliche und wirksame Weise sagen, daß es schon sehr an der Zeit sei, aufzustehen und sich den Geschäften des hellen Tages zu widmen.

12] Und seht, dasselbe tut gerade nun, wie auch allzeit, der Herr mit den Menschen! Oft und oft ruft Er sie durch Seine erleuchteten Boten, daß sie wach werden sollen am schon ganz hellen Tage; aber die Kinder achten des Rufes der Boten nicht, beschimpfen sie gar, schaffen sie aus dem Hause und tun ihnen sogar Leid an. Da kommt der Vater Selbst und sagt laut: 'Aber Kinder, es ist schon heller Tag geworden; steht auf, und geht an euer leichtes Tagesgeschäft!'

13] Da tun die Kinder, wie die Israeliten zu Mosis Zeiten, als wollten sie im Nu erwachen und aufstehen zum leichten Tagesgeschäft. Wenn aber der Vater das Schlafgemach wieder verläßt auf eine kurze Zeit, da achten die Kinder Seines Rufes nicht mehr, sondern schlafen alsbald wieder ein und schlafen noch ärger ein denn zuvor.

14] Der Vater sendet wieder Boten, daß sie nachsähen, ob die Kinder schon aus dem Bette sind; aber die Boten kommen zurück und sagen: 'Vater, Deine Kinder schlafen nun noch ärger denn je vorher einmal!' Da sagt der Vater: 'Ah, das geht nicht! Davon müssen wir sie abbringen; denn sonst gehen sie Mir noch alle zugrunde. Nun muß die Rute in Anwendung gebracht werden!'

15] Da kommt der Vater abermals Selbst mit der Rute. Und siehe, einige Kinder springen aus Furcht vor der Rute wohl aus dem Bett des Todes, ziehen sich an und gehen noch ganz schlaftrunken an ihr Tagesgeschäft und murren, weil der Vater sie mit der Rute zum Wachen und Arbeiten geweckt hat; aber der größte Teil der Kinder läßt die Rute über sich schwingen, gerät in eine blinde Zornwut, steht hastig auf, stürzt sich dann auf den Vater und würgt Ihn. Was verdienen solche Kinder dann?«

16] Sagen die Pharisäer: »Oh, wehe solchen Kindern! Über die wird der tief beleidigte Vater in einen mächtigen Zorn geraten und wird sie verstoßen aus Seinem Hause und nimmerdar erkennen als Seine Kinder. Sie werden in der Fremde und in den Wildnissen der Erde gleich den Hunden unter den harten Heiden umherirren müssen und da und dort den Dienst der elendesten Sklaven verrichten. Wer wird sich da ihrer erbarmen?!«

17] Sagte Raphael: »Nur der Vater allein, so sie reuig zu Ihm wieder zurückkehren; die aber nicht werden zurückkehren wollen, die wird der Vater nicht irgend eigens aufsuchen lassen und sie mahnen zur Umkehr, sondern sie werden im Elende belassen werden so lange, bis sie dasselbe selbst zur Umkehr nötigen wird.

18] Aber ihr gehört nun unter jene Kinder, die sich doch noch, wenn auch mit vieler Mühe von des Vaters Seite und unter vielem Murren von ihrer Seite, am hellsten Tage aus dem Schlaftrott haben treiben lassen. Da ihr nun einmal aus dem Bett seid, so steiget nicht wieder in dasselbe, sondern bleibt auf dem offenen Felde am Tage des Vaters, so wird euch der Vater liebgewinnen und euch helfen bei der Arbeit der Vollendung eures Lebens; kehrt ihr aber in euer altes Bett zurück, so werdet ihr den herzlosen Zuchtmeistern übergeben werden, welche da heißen: Armut, Not, Elend, Blindheit, Verlassenheit, Schmerz und Verzweiflung!

19] Denn der Mensch birgt in sich die sieben Geister Gottes, die in ihm das seligste ewige Leben bereiten. Ebenso hat er auch in sich die sieben Geister der Hölle, wie ich sie zuvor benannt habe. Diese bereiten in ihm den unter ihren Bedingnissen ewigen Tod und seine Qualen.

20] Was ich euch aber jetzt gesagt habe, ist ewige Wahrheit aus Gott. Wenn ihr euch danach kehren werdet, so werden euch eure Sünden vergeben werden, und ihr werdet zur Vollendung des Lebens eurer Seelen gelangen.«



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