Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 7


Kapitelinhalt 136. Kapitel: Gespräch Jesu mit Nikodemus über die Armen.

01] Hier ersahen uns auch Nikodemus und sein Freund Joseph von Arimathia, und sie eilten uns entgegen.

02] Als die beiden zu Mir kamen, da begrüßten sie Mich auf das freundlichste, und Nikodemus sagte: »O Herr, welch ein Segen für diesen Ort, daß auch Du ihn besuchst! Ich hatte wohl eine Ahnung, als möchtest Du heute hierher kommen, - und siehe, meine Ahnung ist in Erfüllung gegangen! O Herr, dürfte ich Dich zu mir in mein Haus laden, um bei mir das Mittagsmahl einzunehmen?«

03] Sagte Ich: »Freund, wir sind unser viele und könnten in deinem Hause kaum Raum in rechter Genüge finden; zudem wirst du am Nachmittage wieder von ein paar Pharisäern besucht werden, mit denen Ich nicht zusammenkommen möchte, und so werde Ich in der großen Herberge, die auch dir gehört, einkehren. Dahin kannst auch du kommen mit deinem Freunde Joseph von Arimathia und mit dem alten, biederen Rabbi, wie auch mit deinem Weibe und deinen Kindern, damit auch sie mögen das Heil der Welt sehen. Die beiden Römer aber wohnen ohnehin in ihrem eigenen Hause gleich neben deiner Herberge und werden auch sicher zu Mir kommen, da Ich hauptsächlich ihretwegen hierher gekommen bin.«

04] Sagte Nikodemus: »O Herr, Du hast da in allem recht; aber ich möchte dennoch, daß Du auch mein Wohnhaus mit Deinen heiligen Füßen betretest, damit es auch gesegnet wäre durch die Tritte Deiner Füße!«

05] Sagte Ich: »Darum wird dein Haus nicht gesegneter, - und würdest du das glauben, so wäre das ein eitler Aberglaube. Aber ich werde dennoch auch dein Haus betreten, aber erst, nachdem die Pharisäer nachmittags wieder heimgekehrt sein werden. Nun aber heißt es, hier die Nachkommenden zu erwarten, auf daß sie wissen, wo Ich verweilen werde den heutigen Tag.«

06] Fragte Nikodemus, wer da alles noch nachkommen werde.

07] Sagte Ich: »Bis auf die Zöllner, die vorgestern auch auf dem Ölberge waren, alle, die du dort gesehen hast! Auch Lazarus und Raphael mit den vielen Sklavenjungen werden bald hier eintreffen, nur auf einem andern Wege! Und so werden sich binnen einer Stunde etliche hundert Menschen hier in Emmaus befinden, die in deinem Wohnhause wohl nicht leichtlich untergebracht werden könnten, wohl aber in deiner Herberge, die gut für ein paar tausend Menschen Raum hat; und so lassen wir es dabei bewendet sein!«

08] Hierauf erkundigte sich Nikodemus um die Familie, die sich nun bei uns befand, und Ich sagte zu Nikodemus: »Freund, diese Familie hätte das Recht, sich bitter wider euch Emmauser zu beklagen; denn da es euren Augen nicht entgangen sein kann, daß sicher schon zu öfteren Malen nackte und vor Hunger weinende Kinder hier im Orte herum die Menschen um Brot baten, so hättet ihr euch wohl erkundigen können, von woher solche Kinder kommen, und was da wohl die Ursache sein könne, daß solche Kinder gar so sehr verlassen umherziehen. Aber das tatet ihr nicht, und das gereicht euch wahrlich zu keiner besonderen Ehre und Auszeichnung vor Mir! Du kannst zwar weniger dafür, weil du nun zumeist in der Stadt lebst, gleichwie auch dein Freund Joseph von Arimathia, aber es gibt hier noch eine Menge Bürger, die auch nicht arm sind, und diese hätten eine arme Familie schon ganz leicht versorgen können. Doch sie taten das nicht, und so werde auch Ich ihnen nichts tun, obwohl sich viele hier befinden, denen Meine Hilfe sicher sehr zustatten käme.

09] Du kennst da draußen die alte, verfallene Schafhütte eines gewissen Barabe, der in Jerusalem ist. Siehe, in der bezeichneten Hütte traf Ich eben diese Familie im wahrlich größten Elende! Mann und Weib kauerten am feuchten Boden ganz voll Gichtbrüchigkeit und konnten sich leichtbegreiflichermaßen nichts mehr verdienen; die sieben Kinder nur bettelten ganz nackt bei den unbarmherzigen Emmausern um Brot. Sie bekamen in den letzten zwei Tagen auch kein Brot mehr, und heute ist ihnen von dem reichen Barabe noch dazu angezeigt worden, daß sie auch die alte Hütte verlassen sollen. Wenn Ich nicht hierhergekommen wäre und ihnen geholfen hätte, da frage Ich euch, was da bei eurer Hartherzigkeit diese Familie angefangen hätte. Nun ist ihr freilich für immer geholfen; aber den unbarmherzigen Emmausern soll darum nicht geholfen werden. - Nun weißt du, was es mit dieser Familie für eine Bewandtnis hat!«

10] Sagte, ganz traurig geworden, Nikodemus: »O Herr, hätte ich davon nur eine Ahnung gehabt, so hätte ich mich dieser Familie ja gerne augenblicklich angenommen! Aber ich bin ja nun bereit, für sie alles zu tun, um den Fehler nur einigermaßen wieder gutzumachen!«

11] Sagte Ich: »Du hast keinen Fehler gutzumachen, weil du im Grunde keinen begangen hast! Doch diese Familie ist bereits versorgt und soll keinem Emmauser je mehr zur Last fallen; doch so du später nachforschen lassen willst, so wirst du in der Nähe von hier, wie auch von Jerusalem, noch gar manche Familien antreffen, denen deine Hilfe sicher sehr willkommen sein wird. - Doch nun von etwas ganz anderem!

12] Wie sieht es mit den beiden hier lebenden Römern aus? Hast du eine Gelegenheit, sie zu benachrichtigen, daß der Römer Agrikola hier ist, und daß auch seine Gefährten bald eintreffen werden, so tue das! Sage ihnen aber auch, daß jene Oberägypter, mit denen sie schon einmal an Ort und Stelle zu tun hatten, in einer Stunde auch eintreffen werden! Doch von Mir und von Meinem Wesen sage ihnen vorderhand noch nichts; denn dafür habe Ich Meinen geheimen Grund, der euch aber nachher schon von selbst bekannt werden wird! Aber nun mache, daß die beiden Römer bald zu uns kommen; denn Ich möchte mit ihnen zuvor noch etwas ganz Offenes besprechen!

13] Es soll der heutige Tag noch ein Tag großer und von euch gar nie geahnter Offenbarungen werden; darum gehe hin und bringe alles in die rechte Ordnung!«

14] Mit dem ging unser Nikodemus schnell zu den Römern und benachrichtigte sie von allem, was Ich ihm gesagt hatte, und die beiden Römer hatten nun denn auch nichts Eiligeres zu tun, als sich mit Nikodemus zu uns zu begeben.



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