Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 7


Kapitelinhalt 134. Kapitel: Jesus bei einer armen Familie.

01] Hierauf wandte Ich Mich zu den Kranken und sagte zu ihnen: »Wie seid ihr in solches Elend geraten? Sagt es derentwegen, die hier mit Mir gekommen sind!«

02] Sagte der von der Gicht ganz verkrüppelte Mann: »Herr, wir sind allzeit arme Menschen gewesen und verdienten uns unser Brot mit der Arbeit unserer Hände, und es ging uns dabei ganz gut; aber vor drei Jahren kamen wir zu der Gicht, ich zuerst, dann später auch dies mein Weib, weil sie sich mit der Arbeit zu sehr anstrengen mußte. Bis zu den Osterfesten dieses Jahres hatten wir eine Unterkunft im Orte; aber unser Wohltäter starb, und es kam ein anderer Herr ins Haus, der uns als ihm nutzlose Menschen nicht länger im Hause behalten wollte. Wir versuchten, bei anderen Menschen eine Unterkunft zu erbetteln; aber es wollte uns niemand unserer Krankheit und der Kinder wegen nehmen. Es blieb uns nichts übrig, als diese uns eingeräumte Hütte zu beziehen, um nicht ganz im Freien zu sein und nicht einmal einen Schutz gegen Regen und andere Ungewitter zu haben. Daß sich unsere Krankheit in dieser Hütte nicht gebessert, sondern nur von Tag zu Tag verschlimmert hat, das zeigt unser Aussehen. Daß wir beinahe ganz aller Kleidung ledig sind, rührt daher, weil wir das wenige, was wir noch hatten, verkaufen mußten, um uns ein wenig Brot anschaffen zu können. Aber jetzt sind wir mit allem fertig geworden und sind dem Hungertode ausgestellt, wenn keine Hilfe kommt. Gott dem Allweisesten und Allmächtigen sei das alles aufgeopfert; Er wird es wohl wissen, warum Er uns in ein solches Elend hat kommen lassen!

03] Hiob hat nach der Beschreibung viel auszustehen gehabt, aber wir sicher noch mehr! Denn leiden haben wir schon von Kindheit an müssen und der frohen Tage wenige erlebt; und nun, da wir schon etwas älter geworden sind und mühseliger von Natur aus, sind wir erst so recht auf die höchste Stufe alles irdischen Unglücks gelangt! Wenn ihr, liebe Herren, uns nur in etwas helfen könnet, so erbarmet euch unser und helfet uns! Der Herr im Himmel wird es euch sicher vergelten.«

04] Sagte Ich: »Darum sind wir ja eben hierher gekommen, um euch die von euch ersehnte Hilfe zu bringen! merkt euch aber das: Die Gott liebhat und zu großen Dingen bestimmt hat im Reiche der Geister, die prüft Er auch mächtiger und stärker als irgendeinen andern Menschen, den Er nur für kleine Dinge bestimmt hat.

05] Aber ihr habt nun die Zeit eurer irdischen Prüfung vollendet und sollt nun denn auch einmal glücklich sein auf dieser Erde noch und wohl erziehen eure sieben Kinder, die nun noch engelrein sind, damit sie als Männer in späterer Zeit nicht unrein werden. Mit dem aber sage Ich euch nun auch: Steht auf und wandelt!«

06] Im Augenblick erhoben sich die beiden Eltern als ganz vollkommen gesunde Menschen und bekamen auch gleich ein ganz natürlich gutes Aussehen.

07] Sie staunten ungemein, und der Mann sagte: »O du wunderbarer Mann! Was hast du denn nun mit uns getan? Denn so gesund und kräftig waren wir ehedem ja ohnehin noch nie! Oh, wer und was bist du denn so ganz eigentlich, daß du solches vermagst? Du bist entweder ein großer von Gott gesandter Prophet, oder du bist ein verkörperter Engel; denn das ist bisher in Israel noch nicht erhört worden. Was für Arzneien haben schon so manche Gichtbrüchige gebraucht, und es wurde ihnen dennoch nicht besser, - und du sagtest zu uns bloß: "Steht auf und wandelt!", und wir sind im Augenblick vollkommen geheilt gewesen. Oh, lobet alle den Gott Israels, daß Er einem Menschen solch eine rein göttliche Macht gegeben hat!«

08] Die sieben Kinder weinten auch vor Freude, als sie ihre Eltern so vollkommen gesund vor sich sahen wie vormals noch nie, und der älteste Knabe sagte: »O seht, ihr lieben Eltern, ich habe es ja gehört und euch auch an gesagt: Wenn die Not am höchsten ist, dann ist auch die Hilfe Gottes für jene, die sie bei Ihm suchten, am nächsten gekommen. Und gerade heute hatte unsere irdische Not den höchsten Gipfel erreicht, - und die Hilfe von Gott ist auch schon da! Ihm, dem lieben, guten und heiligen Vater im Himmel, allen Dank, alles Lob und alle Ehre! Auf das Glück, daß unsere lieben Eltern nun wieder gesund und kräftig geworden sind, ist uns ordentlich unser früher so großer Hunger vergangen! Oh, wenn wir jetzt noch Kleidung von der dürftigsten Art hätten, so könnten wir uns ja recht bald wieder ein gutes Stück Brot verdienen!«

09] Sagte Ich zum Knaben: »Gehe du hinter den Felsen, dessen grottenartiger Vorsprung euch bis jetzt zu einer Wohnung gedient hat! Dort wirst du drei Bündel finden; die bringe herein, und ihr werdet euch sogleich ganz gut bekleiden können!«

10] Als der Knabe das vernommen hatte, da eilte er hinaus, begleitet von seinen Geschwistern, und sie brachten drei Bündel in die Hütte herein. Die Eltern lösten sie leicht auf und fanden darin Kleider für sich und für ihre Kleinen. Da gab es des Dankes, Lobes und der Freudentränen in Hülle und Fülle, und an Verwunderung von allen Seiten hatte es auch keinen Mangel.

11] Aber diese Menschen hatten auch schon beinahe zwei Tage nichts gegessen und waren sonach hungrig.

12] Und Ich sagte abermals zu den Kindern: » Kindlein, geht nun noch einmal dorthin, wo ihr ehedem die Bündel mit den Kleidern gefunden habt! Alldort werdet ihr nun auch Brot und Wein finden; bringt alles herein, und stärket und sättiget euch damit!«

13] Da eilten die Kleinen abermals hinaus und fanden in einem Korbe mehrere Laibe besten Brotes und mehrere Krüge voll eben auch des besten Weines. Sie brachten den Fund auch bald in die Hütte und sättigten und stärkten sich damit. Die Eltern sagten unter vielen Freuden- und Dankestränen, daß sie solch ein gutes Brot noch nie verkostet und solch einen guten Wein noch nie getrunken hätten. Es müßte Brot und Wein rein aus den Himmeln Gottes durch die Engel herbeigeschafft worden sein; denn auf Erden wachse und gedeihe so etwas rein himmlisch Gutes niemals, weil dazu die Menschen schon zu schlecht und gottvergessen seien.

14] Ich aber sagte zu ihnen: »Meine lieben Kinder, esst und trinkt nun nur ganz sorglos und seid frohen Mutes; denn Gott hat euch stark geprüft, und ihr habt ohne Murren in voller Ergebung in den Willen Gottes alles, was da über euch gekommen ist, ertragen, Gott hat euch aber auch nun, wo eure Not das Vollmaß erreichte, auf eine wunderbare Art schnell geholfen, und diese Hilfe wird bei euch verbleiben nicht nur zeitlich bis ans Ende eures irdischen Lebens, sondern auch über das Grab hinaus für ewig! Warum ihr aber auf dieser Erde von Gott so stark geprüft worden seid, das werdet ihr im andern Leben erst zur Einsicht bekommen.«



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