Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 7


Kapitelinhalt 131. Kapitel: Auf dem Wege nach Emmaus.

01] Als wir Jerusalem völlig hinter dem Rücken hatten und nahe an die Säule gekommen waren, die von Raphael dahin gestellt worden war, da begegneten uns zwei arme Menschen, die nach Jerusalem gingen, um sich dort ein Almosen zu erbetteln. Von diesen beiden war der eine stockblind, der andere aber war sehend und führte den Blinden. Beide aber sahen sehr elend aus und baten uns, ob wir nicht geneigt wären, ihnen ein Almosen zu geben; denn sie seien gar sehr arm und elend.

02] Sagte Ich zu ihnen: »Sagt Mir: Was wäre euch denn lieber, Gesundheit und Kraft, daß ihr dann anstatt des Bettelns wieder arbeiten und euch euer Brot verdienen könntet, oder: wir geben euch ein angemessenes Almosen?«

03] Sagten beide: »Herr, wir kennen dich nicht! Wenn du imstande wärest, uns das erste zu geben, so wäre uns das um gar vieles lieber; aber weil das sicher ganz unmöglich ist, so bitten wir euch denn doch um ein Almosen nach eurem Belieben.«

04] Sagte Ich: »So ihr glauben könntet, da wäre bei euch wohl auch das erste möglich!«

05] Sagte der Blinde: »Daß bei Gott alle Dinge möglich sind, das wissen und glauben wir beide; aber Gott wirkt nun keine Wunder mehr, weil die Menschen zu schlecht und boshaft geworden sind, vom Hohenpriester angefangen bis auf uns herab. Denn Gottes Gebote hat man verworfen und andere, schlechte und elende, dafür gemacht und gegeben; sind aber die Gesetze schlecht, so werden auch also die Menschen, die die schlechten Gesetze beachten müssen, schlecht, - denn wie die Lehre, so der Glaube und so auch die Erkenntnisse der Menschen. Die Menschen haben sonach Gott verworfen und verehren nun wieder das goldene Kalb, und so hat sie auch Gott verworfen und wird bald über sie ein böses Gericht ergehen lassen; denn dieser mein Führer, der sehend ist, hat mir die Zeichen der vorgestrigen Nacht beschrieben, und diese deuteten wahrlich auf nichts Gutes für die von Gott völlig abgefallenen Menschen. Und so siehe, du nach deiner Stimme freundlicher Mann, wie Gott nun in dieser bösen Zeit wohl sicher gar keine Wunder mehr wirken mag, kann und will!«

06] Sagte Ich: »Mensch, du hast zwar das Licht deiner Augen schon vor zehn Jahren durch die Bosheit deines eifersüchtigen Nachbarn verloren, wie auch durch seine bösen Ränke dein Hab und Gut, doch das Licht deines Herzens hast du wohl bewahrt, und so sollst du nun auch das Licht deiner Augen wieder erhalten! Ich will, daß du wieder sehest und deine volle Körperkraft besitzest!«

07] In diesem Augenblick ward der Blinde vollkommen sehend und hatte auch seine volle Manneskraft wieder. Er war aber derart überrascht, daß er sich kaum zu fassen imstande war.

08] Nach einigen Augenblicken fiel er vor Mir auf die Knie nieder und sagte mit sehr gerührter, aber doch männlicher Stimme (der geheilte Blinde): »Herr, wer du auch sonst seiest, das weiß ich nicht; aber daß du mich nun sehend gemacht hast, das weiß ich! Dazu aber gehört mehr, als nur ein Arzt nach unserer Menschenweise zu sein. Du hast keiner Salbe benötigt, rührtest meine Augen auch mit gar keinem Finger an, sondern du wolltest bloß, und ich ward sehend. Herr, das heißt soviel als: mit dem Geiste Gottes gleich den alten und größten Propheten erfüllt sein! Ja, Herr, du hast mir nun das wunderbar getan; was soll ich dir aber als ein Armer entgegentun?«

09] Sagte Ich: »Sonst nichts als: Halte die Gebote Gottes, und gehe hin und arbeite, bleibe im Lande, und ernähre dich redlich! Und du, sein gewesener Führer, tue desgleichen, und werde darum kräftig und gesund!«

10] Auch dieser, der etwas lahm war, fühlte sich plötzlich völlig gesund und kräftig, dankte Mir auch auf den Knien und fragte Mich dann, sagend (der geheilte Lahme): »Herr, du wunderbar großer Prophet, da du so Wunderbares wirkest und wohl gewußt hast, wie mein Gefährte um sein Augenlicht gekommen ist, so wirst du uns auch anzeigen können, wohin wir uns nun wenden sollen, um gegen einen mäßigen Lohn eine Arbeit zu bekommen; denn es ist bei diesen Zeiten nun schwer, bald irgendwo eine Arbeit zu bekommen!«

11] Sagte Ich: »So zieht nach Bethania zu Lazarus, und sagt seinen nun allein daheim seienden beiden Schwestern, was euch begegnet ist, und daß Ich euch hinsende, und ihr werdet darauf sofort aufgenommen und bedienstet werden! Nun aber erhebet euch und tut, was Ich euch geraten habe!«

12] Darauf dankten die beiden noch einmal, erhoben sich vom Boden und zogen weiter.

13] Auf dem Wege nach Bethania berieten sie sich sehr über Mich, wie auch über die, welche mit Mir waren, wer etwa doch Ich, und was und wer die andern wären. Von Mir hielten sie, daß Ich ein großer Prophet, etwa der wiedergekommene Elias sei. Doch über das sehr charakteristische Was-sein Meiner Gefährten kamen sie nicht ins klare und verschoben alles auf die Ankunft in Bethania.

14] Ich aber hatte nun eine rechte Not mit den drei Magiern; denn für sie war das das erste Zeichen, das sie Mich wirken sahen.

15] Und der erste Magier sagte: »Herr, nun sehe ich, daß Du ein Gott sein mußt; denn solch eine Tat ist allein nur einem Gott möglich!«

16] Ich aber sagte auf dem Wege nach Emmaus: »Seid ruhig doch, ihr redet nun also, dieweil ihr nicht wisset, was im Menschen ist; doch in Emmaus werdet ihr heute das schon noch näher kennenlernen!«

17] Da fragten die drei um nichts Weiteres.



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