Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 177


Die Propheten als Träger der Offenbarung. Lichtglaube und Blindglaube.

01] Sagte Lazarus: ”Ja, ich verstehe wohl, was Du damit hast sagen wollen; aber es ist bei mir dennoch ein Hintergedanke, von dem ich noch nicht so recht weiß, wo aus und wo ein mit ihm. Sind sonach alle jene Menschen, zu denen unmittelbar eine große Offenbarung kommt, als Gerichtete anzusehen und zu betrachten? Und haben bloß diejenigen den Segen der großen Offenbarung zu gewärtigen, die nur einen mittelbaren, also puren Glaubensanteil an ihr haben?

02] Die Träger der Offenbarung aber sind dann ja doch in einem großen Nachteil und das darum, weil sie schon von ihrem Ursprung an bessere und reinere Menschen waren, auf daß sie zur Aufnahme und zum rechten Verstehen einer hohen und großen Offenbarung fähig waren. Denn die eigentlichen puren Weltmenschen würden aus sich die Großoffenbarung ja gar nie begriffen haben, weil sie auch eine kleinste Offenbarung nicht begreifen können, sondern dabei so dastehen wie die Hühner, wenn sie einen Blitz aus einer Wolke zucken sehen.“

03] Sagte Ich: ”Wer sagt denn das, daß die Träger einer großen Offenbarung als Gerichtete zu betrachten sein sollen? Ich werde es doch wohl kennen (wissen), wen Ich zu einem Hauptträger einer großen Offenbarung zu erwählen habe, damit sie ihm selbst nicht schadet!

04] Moses war gewiß der Träger einer gar großen Offenbarung; aber es waren unter ihm viele, die an der Offenbarung nur mittelbar teil hatten und am Ende dennoch um vieles fester im Glauben waren als Moses selbst, der bei sich selbst nicht der Verheißung traute, daß Ich den Israeliten das Gelobte Land, wo Milch und Honig fließt, geben werde. Weil aber Moses solcher Verheißung nicht völlig traute, so durfte er das Gelobte Land wohl von einem hohen Berge aus sehen, aber selbst nicht in dasselbe kommen.

05] Das beweist aber mehr als hinreichend, daß kein Träger irgendeiner Offenbarung für sich je gebunden war und von nun an noch weniger je gebunden sein wird, sondern für sich stets vollkommen frei bleibt im Glauben und im Handeln, aus dem allein er auch selig wird; denn darum, daß jemand der Träger einer Offenbarung ist, wird er nicht selig, sondern nur, so er der Offenbarung selbst traut und danach lebt.

06] Dasselbe ist denn auch mit euch allen der Fall. Ihr seid nun durch Meine Taten freilich wohl mehr genötigt, zu glauben, daß Ich der Christ bin, und daß Meine Worte Gottes Worte sind, als jene das zu glauben genötigt sein werden, die das Evangelium von euch bloß durch den Mund überkommen werden; aber dafür werdet ihr für euch der Zweifel über Mich noch in die schwere Menge überkommen und dadurch die Gelegenheit haben, euch selbst im Glauben zu stärken. Denn so der Hirte geschlagen sein wird, werden die Schafe fliehen und sich sehr zerstreuen; aber zur rechten Zeit werde Ich sie schon wieder versammeln und im Glauben stärken. Also ist darum kein Träger irgendeiner wahren Offenbarung gerichtet. Denn erstens ist ein solcher Mensch stets von oben her, und es kann ihm schon darum keine Offenbarung einen besonderen Zwang antun, weil seine Seele schon eine Fleischlebensvorprobe auf einer andern Erde durchgemacht hat und daher auch sicher um vieles gediegener und kompakter ist als eine sich erst zusammengeklaubt habende Seele dieser Erde; und zweitens werden einer solchen Prophetenseele auch größere Glaubensproben auferlegt als einer diesirdischen, oft nur zu leichtgläubigen Seele. Eine diesirdische Seele hat am Worte genug und bedarf eines Zeichens kaum. Aber Seelen, die von oben her sind, brauchen mehr; denn sie sind schwergläubig und bedürfen also auch stärkerer und größerer Beweise, bis sie voll Glauben und aus demselben voll Tat werden.

07] Ja, würde Ich nun hinziehen etwa nach Persien, nach Indien oder nach Athen oder auch nach Rom und wirkte dort solche Zeichen, wie Ich sie schon bei euch gewirkt habe, so würde sich dort kein Mensch je etwas anderes zu tun getrauen, als was Ich geboten hätte. Solche rein irdischen Seelen wären da offenbar im höchsten Grade gefangen, und mit der Probe ihres freien Willens wäre es dann für lange rein aus. Aber euch schaden Meine Zeichen nicht im geringsten, weil ihr durchaus nicht leichtgläubig seid; denn bis man euch zum festen Glauben bewegt, muß man auch schon vieles vor euren Augen gewirkt haben, und selbst dann seid ihr noch voll allerlei Zweifel und fragt bald um eins und bald wieder ums andere. Wer aber das tut vor Mir, der hat keinen Notglauben, sondern einen freien; denn er verlangt, völlig einzusehen und zu verstehen, was er glaubt, und was er nicht einsieht und versteht, das glaubt er auch nicht.

08] Der beste Beweis dafür ist, daß Ich in einem Atem das zu erklären und zu erörtern habe, was ihr von Mir vernehmet. Ihr wisst es ja, wer Ich bin, und könntet Mir auch ohne die stets besonderen Erklärungen glauben, was Ich euch lehre. Aber das tut ihr nicht und habt Mir schon einige Male gezeigt, daß ihr auch Mir oft wegen einer ganz geheimen Lehre nicht geglaubt habt, und ihr sagtet Mir ins Gesicht, daß dies eine harte Lehre sei; und es sind noch nicht sieben Tage her, daß ihr Mich alle verlassen habt, und das auch wegen Lehren, die ihr nicht verstanden habt.

09] Aus dem aber geht hervor, daß eure Seelen kräftiger sind denn die Seelen der eigentlichen Kinder dieser Welt. Solche Menschen aber, wie ihr nun seid, wird es auf dieser Erde immer geben, und Ich werde sie erwecken und auch ihnen, so wie euch, geben das innere Wort des Geistes aus Mir, und sie werden die eigentlichen Kinder dieser Erde belehren, wodurch ihr Wille völlig frei gehalten wird. Aber die Lehrer dürfen sich darum nicht einbilden, daß sie eben als Lehrer und Weise bei Mir höher stehen denn die Kinder dieser Erde; denn bei Mir wird es stets heißen und gelten: a Lasst diese Kleinen zu Mir kommen und wehrt es ihnen nicht! Denn wer da nicht wird wie diese Kindlein, der wird nicht eingehen in Mein Reich; denn ihnen gehört es, und ihretwegen ist es gemacht. Wer aber da ein Weiser ist und darum ein Lehrer und dabei von ganzem Herzen demütig und sanftmütig, der wird dereinst auch dort sein, wo Ich sein werde ein rechter Vater unter Meinen Kindern von Ewigkeit zu Ewigkeit!“ (a Matthäus.19,13; = Markus.10,13; = Lukas.18,15;  ⇒ jl.ev05.257,07-08*;  jl.ev08.165,14)

10] Als alle die Jünger solche Lehren von Mir vernommen hatten, da schwiegen sie und wußten nicht, was sie Mir erwidern sollten.



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