Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 139


Jüdische Schacherer.

01] An diesem Nachmittag besuchte Ich mit dem Obersten, dem Hauptmanne und ihren Angehörigen einige arme Juden, die in dieser Gegend allerlei Handel und Schacher trieben, aber wenig gewannen, weil ihnen die pfiffigen Griechen überall zuvorkamen. Der Oberste und der Hauptmann beschenkten sie; Ich aber riet ihnen, nach Hause zu ziehen und dort mit ihrer Hände Arbeit, der sie gewachsen seien, ihr tägliches Brot zu verdienen. Denn in welchem Lande jemand mit wenigen Talenten geboren ist, da soll er auch bleiben und sich und die Seinen redlich ernähren. Nur Menschen mit vielen und großen Talenten gehören gleich der Sonne der ganzen Erde an, weil ihr geistiges Licht allen andern Menschen ihre Lebenswege erleuchten soll.

02] Da meinte ein Jude: ”Meister, warum sind denn wir von Jehova mit so wenigen Talenten für die Reise durch diese armselige Welt begabt worden? Hätte Er uns nicht auch mit sehr vielen Talenten versehen können?“

03] Sagte Ich: ”O allerdings; aber Er weiß es am besten, was da für jeden Menschen taugt, und so hat Er euch auch eben nur mit so vielen Talenten versehen, als es für euch not tut. Denn der vielen Talente wegen wird kein Mensch selig, weil sie nicht des Menschen Verdienst, sondern nur ein Werk und ein Verdienst Gottes sind. Wem vieles gegeben ist, der wird auch über vieles Rechenschaft geben müssen; wem aber nur weniges gegeben ist, der wird auch nur über weniges Rechnung zu legen haben. Die gleiche Sünde wird bei dem Reichtalentierten dereinst in der Waagschale der göttlichen Gerechtigkeit ein viel stärkeres Gewicht haben, als so sie begangen wurde von einem Armtalentierten. Denn wenn der Gesetzgeber selbst wider seine Gesetze handelt, so ist das sicher schlimmer, als so derjenige dawider sündigt, dem das Gesetz gegeben wurde. Darum beneide ja niemand einen Menschen, dem Gott sehr viele und große Talente verliehen hat; denn ein solcher wird auf der Erde stets auch sehr vieles zu erdulden bekommen. Darum seid froh, daß ihr von Gott aus mit nur wenigen Talenten begabt worden seid!“

04] Als der Jude das vernahm, sagte er: ”Meister, du hast wohl sehr weise und ganz recht geredet, und es ist schon also; aber ich meine, so jemand mit sehr wenig Licht in der Nacht wandelt, so fällt er doch sicher leichter in einen Abgrund als der, dem eine ordentliche Sonne den Weg erleuchtet! Liegt man aber einmal zerschmettert und tot im Abgrunde, so ist dann nachher schon alles eins, ob man mit wenig Licht oder mit viel Licht in einem Abgrund den Tod gefunden hat. Und da meine ich, daß der mit viel Licht begabte Mensch doch immer besser daran ist als der mit wenig Licht begabte, weil der erste den Abgrund schon von weitem merken und ihm ausweichen kann, während der mit wenig Licht begabte oft den Abgrund noch nicht wahrnimmt, obschon er knapp an seinem Rande steht.“

05] Sagte Ich: ”Da hast du auch wieder recht; aber eben darum soll der mit wenig Licht begabte Mensch fein daheim bleiben, wo er den Boden, auf dem er steht, auch in der Nacht kennt und sicheren Schrittes darauf umherwandelt. In seinem Hause wird jeder am besten wissen, wie er zu gehen hat, um keinen Fehltritt zu machen; aber in einem großen, fremden Hause, dessen innere Beschaffenheit er nicht kennt, wird er sich mit seinem schwachen Lampenlichte schlecht zurechtfinden. Denen Gott der Herr also weniger Licht gegeben hat, die hat Er als Kindlein auch sicher recht lieb, weil Er ihnen dadurch ihre irdische Lebensprobeaufgabe sicher so leicht wie möglich gestellt hat, während Er den großen Geistern den Weg mit sehr vielen Dornen besät hat, auf dem eben nicht gar zu geheuer zu wandeln ist. Darum Macht ihr kleinen Judengeister euch auf, und zieht wieder in euer Land! Dort werdet ihr Beschäftigungen, eurem Lichte angemessen, in schwerer Menge finden; aber hier blüht für euch kein Weizen.“

06] Da sagte auch der Oberste: ”Ja, ja, meine Lieben, der Herr hat ganz vollkommen recht! Es geht euch hier meines guten Wissens ganz elend und schlecht, und ich kann eure Lage wahrlich nicht besser machen. Zieht sonach in euer Land; dort werdet ihr sicher eine bessere Aufnahme finden denn hier! Eure Schacherei trägt euch nichts ein, und unsere Arbeiten könnt ihr nicht verrichten, weil ihr darin nicht bewandert seid; daher werdet ihr euch daheim sicher um vieles besser befinden. Damit ihr aber leichter in euer Land kommt, so will ich euch aus Liebe zu diesem Meister, der auch ein Jude ist, ein Reisegeld zukommen lassen.“

07] Als die armen Juden das vernahmen, eilten sie nach Hause, wo sie wohnten, und brachten ihre Kinder daher und sagten, daß sie mit diesen die Reise bis noch weit hinter Bethlehem schwer machen würden, weil sie nun keine Lasttiere mehr besäßen.

08] Da sagte der Oberste: ”Ich will euch denn auch noch eine gerechte Anzahl Lasttiere zukommen lassen; aber dann zieht unverzüglich ab! Denn würdet ihr dann noch da verbleiben wollen, so wäre ich genötigt, euch mit Gewalt hinauszuschaffen!“

09] Da willigten alle gleich ein und sagten, daß sie lieber heute als morgen abhzögen. Da wurden gleich Mittel getroffen, und binnen einer Stunde hatten sie alles und machten sich auch gleich an die Abreise.

10] Es waren ihrer bei siebzig an der Zahl, und sie waren daher dieser Stadt, die ohnehin eine Menge einheimischer Armer besaß, eine rechte Last geworden. Daheim aber hatten die meisten Grund und Boden und überließen ihn schlechten Dienern zur Bearbeitung, weil sie meinten, durch ihr Schachern größere Gewinne zu erzielen. Sie verarmten aber und hatten nun durch Mich wieder die Erlösung aus ihrer gar großen Not bekommen.

11] Das war denn doch sicher auch ein sehr gutes

Werk! Daher beeifere sich ein jeder wahre Nachfolger Meiner Lehre, derlei Gefangene aus ihrer Not zu befreien, so er die Mittel dazu hat, und Ich werde es ihm entgelten schon diesseits und mehr noch jenseits, so wie Ich es bei dieser Gelegenheit dem Obersten mit tausend Pfunden reinsten Goldes, und zwar schon zum voraus, auch vergolten habe, weil Ich auch zum voraus schon gewußt habe, was er tun werde!

12] Weiterhin ist in diesem Orte nichts besonders Denkwürdiges mehr geschehen. Die Jünger haben die drei Priester vollends bekehrt, und Ich habe auch in dieser Stadt einen gläubigen Arzt gesegnet, daß er dann durch die Auflegung seiner Hände in Meinem Namen gar viele Kranke vollkommen zu heilen imstande war. Und so verlief auch der nächste Tag schnell.



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