Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 119


Die Ehrfurcht der Priesterfrauen vor Jesus.

01] Als wir in unseren Saal eintraten, da gingen Mir die fünf Priesterinnen voll Ehrfurcht entgegen und baten Mich um Vergebung darum, daß sie ehedem Mir und Meinen Jüngern gar so hartnäckig widersprochen hätten; denn sie hätten es ja doch nie ahnen können, daß Ich Der sei, der Ich wäre.

02] Denn die Priester hatten es ihnen geradeheraus gesagt, daß Ich in Meinem geistigen Teile Gott der Einige und Alleinige Selbst bin und darum einen äußeren Leib habe und trage, um Mich den Menschen mehr anschaulich und zugänglich zu machen. Mein Leib sei zwar begrenzt wie der Leib eines jeden Menschen -, aber Mein Geist durchdringe alles nahe und ferne und brauche darum nur zu wollen, und es geschehe nahe und ferne, was Ich nur immer wolle. Wolle Ich etwas, so sei es auch schon da und bestehe so lange fort, als wie lange Ich es als bestehend haben wolle. Wolle Ich es aber fürder nicht mehr als bestehend, dann bestehe es auch nicht mehr, und das also, als wäre es nie dagewesen. Also wisse Mein innerer Gottgeist auch um alles, was irgend noch so verborgen da sei, ja, Ich wisse sogar um die allergeheimsten Gedanken aller Menschen auf der ganzen Erde und auch um alles, was irgend noch so geheim geschehen sei.

03] Das belegten sie alles mit tatsächlichen Beweisen, so, daß die Weiber nimmer umhin konnten, alles das fest und ungezweifelt zu glauben, was ihnen ihre Männer über Mich gesagt hatten, und darin lag denn auch der Grund, demzufolge sie Mir nun mit einer so unbegrenzten Ehrfurcht entgegenkamen.

04] Aber Ich sagte ganz ruhig zu ihnen: ”Wenn ihr, Meine lieben Kinder, nun das durch eure Männer wisst und glaubt, daß Ich Der und Der bin, so ist eure Art, Mir nun entgegenzukommen, eine ganz in keiner Ordnung seiende. Eine zu große und unbegrenzte, das menschliche Gemüt ganz zerknirschende Ehrfurcht vor einem Gottwesen ist ebenso unvorteilhaft wie eine zu geringe; denn so ihr jemand zu außergewöhnlich mit Furcht und Zittern hochachtet, so fragt euer Herz, ob ihr ihn wohl auch lieben könntet! Achtet ihr aber jemanden gar nicht, so werdet ihr ihn auch nicht lieben können. Aber so ihr jemanden wohl erkennt in seinen vielen guten und besten Eigenschaften und Fähigkeiten, so werdet ihr ihn in euren Herzen ganz entzückt bewundern und über alle Maßen zu lieben anfangen; und seht, das eben ist dann die ganz rechte Ehrfurcht, die ihr einem Gottwesen ebenso schuldet wie einem jeden Menschen, der euer Nächster ist allenthalben, wo euch einer entgegenkommt!

05] Lasst also ab von eurer nunmaligen zu übertriebenen Ehrfurcht! setzt euch zu Tische, und esset und trinket ganz heiteren und fröhlichen Mutes mit Mir! Denn so ihr gar oft bei euren Festmahlen habt heiter sein können, wo und wann noch der Tod in euren Herzen hauste, da werdet ihr nun wohl um so heiterer sein können, da der Tod von euch gewichen und das Leben in eure Brust eingekehrt ist! - Was meint ihr dazu?“

06] Sagten die Priesterinnen: ”Ja wohl, ja wohl, - aber wir sind noch zu ergriffen von Deines Geistes Macht und Größe! Wir werden uns schon auch in diesem Stücke des Lebens die möglichste Mühe geben, vor Dir nicht zu beben, sondern Dich wahrhaft zu achten und sicher über alles zu lieben. Dir allein also von uns alle Ehre und alle unsere Liebe!“

07] Sagte Ich: ”Nun, nun, es ist schon gut also; aber nun setzen wir uns nur gleich alle zu Tische und essen und trinken in aller Heiterkeit! Nach dem Mahle aber wollen wir dann von allerlei Dingen reden und uns erheitern und erbauen!“

08] Darauf setzten sich nun alle zu Tische und aßen und tranken mit Herzenslust. Nach dem Mahle wurde dann von allerlei gesprochen, und die Priesterinnen wußten eine Menge recht sonderlicher Dinge zu erzählen, und es kam die Rede auf den Mond und seine oft unheilbare Einwirkung auf die Erde und auch auf gar viele Menschen.

09] Eine Priesterin erzählte, wie sie einen Mondsüchtigen gekannt hätte, der namentlich in den Vollmonden zur Nachtzeit mit festverschlossenen Augen aus seinem Zimmer hinausging, seine Hände nach dem Monde ausstreckte und darauf bald mit der größten Sicherheit die steilsten Wände so leicht emporstieg, als ginge er auf dem ebensten Boden fort und vorwärts. Nur eines war für den erstaunten Zuseher dabei zu beachten, nämlich sich möglichst still und ruhig zu verhalten, weil ein menschlicher Laut dem Mondwandler das Leben kosten würde.

10] (Die Priesterin:) ”Nun, was ist wohl das für eine besondere Eigenschaft des Mondes auf gewisse Menschen, und wie kommen die Menschen dazu?“



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