Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 71


Das Wesen der bösen Geister.

01] Der Wirt aber fragte Mich, was denn die Geister in der ersichtlichen Rauchmasse damit hätten sagen wollen, daß Ich sie nicht vor der Zeit quälen solle.

02] Sagte Ich: ”Siehe, alle die abtrünnigen Geister halten das für eine Qual, so sie zum Gehorsam gegen Gott ermahnt werden; denn aller Hochmut kennt für sich keinen Gehorsam, da er allein nur herrschen und gebieten will. Sie aber meinten, daß sie noch zu kurz in der Geisterwelt seien, als daß sie nun Meinem göttlichen Willen sich als gehorsam erweisen sollten. Siehe, ihnen wäre es nun schon am allerliebsten, wenn sie so eine völlig Ewigkeit in ihren bösen und rachsüchtigen Freuden verbleiben dürften, und es ist ein jeder Geist, der sie zu einer Ordnung und zu einem Gehorsam ermahnt oder oft gar mit Gewalt antreibt, ihr Feind und ihr Quäler!

03] Darum bedrohte Ich sie denn auch sogleich, und sie mußten sich fügen und fügten sich auch, obwohl mit dem größten Unwillen. Allein, das macht nichts für derlei Geister, die im Gerichte und somit auch im Tode stecken, da ihre eigensinnige Freiheit nicht eine Freiheit, sondern nur ein Gefängnis und ein ärgstes Gericht ist, aus dem sie nach und nach nur dadurch mehr und mehr befreit werden können, so ein mächtigerer Wille denn der ihrige sie ergreift und zu einer guten Tat zwingt.

04] Sie gleichen jenen Schläfern, die sich in allerlei süßen Träumen als Fürsten und Könige herumwiegen, im Traume allerlei dummes Zeug zusammenreden und sich oft sehr abmühen. Nun weiß aber jedermann, daß derlei Träume der menschlichen Naturgesundheit eben nicht sehr zuträglich sind und daß es gut ist, solche Morgensüßträumer zu wecken. Wenn da solch eine Schläfer geweckt wird von einem Wachen, wie wird er da voll Ärgers und Grimmes! Aber wenn er mit der Zeit völlig wach wird, so ist er dann dennoch sehr froh darob, daß er von seinem betäubenden Schlafe geweckt worden ist. Er ist mit dem Wachwerden freilich um alle seine schönen Fürstentümer gekommen und von einem Könige wieder zu einem ganz gewöhnlichen Menschen herabgesunken; aber als solcher ist er auch eben zu der klaren Erkenntnis gekommen, daß sein Königtum nichts als nur ein eitel krankhafter Fiebertraum gewesen ist.

05] Und seht, so geht es auch mit solchen Geistern, nur mit dem Unterschiede, daß sie in solchen Träumen oft eine gar sehr lange Zeit zubringen und sich selbst dann noch äußerst schwer erwecken lassen!

06] In einem ähnlichen Traume befinden sich aber auch alle die weltlichen und diesirdischen Glücksritter, die in allen Gattungen der menschlichen Seinssphäre auf dieser Erde überaus reichlich vertreten sind. Sie fühlen sich ganz glücklich dabei, und wehe dem, der es wagen würde, sie für den Ernst dieses Lebens zu wecken durch Worte und Taten! Aber so man doch aus den vielen einen oder den andern dann und wann zu erwecken imstande ist, so wird der Erweckte darauf sicher sehr froh werden, weil er in dem geistwachen Zustande erst die Gefahr stets mehr und mehr zu erkennen und einzusehen beginnt, in der er sich in seinem blinden Sinnenschlafe befunden hatte.

07] Daher mögt ihr es denn auch versuchen, ob irgendein solcher sinnenberauschter Mensch noch nüchtern und wach zu machen ist! Ist er es, so erweckt ihn, und es wird euch das von großem Nutzen sein, weil er dann wieder leichter denn Ich auf seine Sinnesverwandten fruchtbringend rückwirken kann; läßt er sich aber nicht erwecken, so lasst den faulen und trägen Esel schlafen! Da müssen dann schon andere Weckmittel kommen, um solche Schläfer zu wecken. Dergleichen Mittel aber heißen Krankheiten aller Art und Gattung, Krieg, Hungersnot und Pestilenz. - Habt ihr das erstanden?“

08] Sagte der Wirt: ”O ja, Herr und Meister, es ist genau also, und es muß auch schon also sein! Aber etwas traurig bleibt die Sache mit solchen Schläfern immer, weil da, wenn Gott einmal die großen Übel über die Menschen ausgießt, gar oft der Unschuldige mit den vielen Schuldigen leiden muß.“

09] Sagte Ich: ”Er leidet aber auch so als ein Wacher unter den so vielen Schläfern, und somit verliert er wenig oder nichts. Oder ist es etwa wohl sehr angenehm, sich in einem Gemache als ein Wacher unter lauter Schlafenden zu befinden und lautlos zu sein?!“

10] Sagte der Wirt: ”Ja, ja, das ist wohl sehr wahr, - es müßte eine wahre Pein sein für einen weisen Menschen, sich unter lauter Narren und unter Stummen und Blinden zu befinden, mit denen er nie nur ein vernünftiges Wort tauschen könnte! Und da ist dann wahrlich ein Leiden, das zu einer Besserung führt, besser in sich selbst denn ein Leiden, das offenbar zu keiner Besserung führt. Ah, Herr, ich weiß es gar nicht, wie unaussprechlich glücklich ich nun bin in Deiner vollstgöttlichen Gegenwart! Ich werde Dich nicht aus meinem Hause allein ohne mich fortziehen lassen können; denn ohne Dich würde mir nun schon alles ganz weltfremd und überaus unheimlich vorkommen. Aber nun möchte ich denn doch wissen, wie tief nach irdischem Maße dieses Loch war.“

11] Sagte Ich: ”Das war sehr tief; die Tiefe maß bei tausend Ellen.“



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